Seit seiner Wahl zum Papst war Benedikt XIII. (1394–1417/22) nahezu kontinuierlich mit der Frage seines Rücktritts konfrontiert, um damit den Weg für die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit frei zu machen. An seiner Hartnäckigkeit und seinem Starrsinn, nicht weniger als an seiner juristischen Gelehrsamkeit, mit der er seinen Anspruch, der einzig legitime Papst zu sein, kompromisslos verteidigte, bissen sich seine Gegner schier die Zähne aus. Zweifellos kannte sich der Aragonese in der kanonistischen wie der theologischen Literatur wie kaum ein zweiter aus, war selbst ein produktiver Autor, der sich nachweislich auf eine breite Bibliothek stützen konnte.

Wie aber sah diese päpstliche Bibliothek, genauer die verschiedenen Büchersammlungen aus, die er während seines langen, von zahlreichen Rückschlägen gekennzeichneten Pontifikats immer wieder neu aufbauen musste? Welche Schwerpunkte zeichneten die verschiedenen Sammlungen aus, welche Veränderungen lassen sich beobachten? Was wurde davon vom Papst selbst genutzt und was ist schließlich erhalten geblieben? All dies sind Fragen, denen in dem vorliegenden Sammelband nachgegangen wird, der zudem die Ergebnisse einer vom Herausgeber Rainer Berndt im September 2014 in Mainz durchgeführten Tagung »über Voraussetzungen und Wirklichkeit eines ›Gebildeten Papsttums‹ im späten Mittelalter« (S. 6) dokumentiert. Selbst wenn – wie bereits angedeutet – eine deutliche Fokussierung auf der Person Benedikts XIII. zu liegen scheint, geht damit der Ertrag der Publikation weit darüber hinaus.

Den einleitenden Beiträgen von Britta Müller-Schauenburg und Rainer Berndt (Frankfurt) folgen, in drei Abschnitte unterteilt, insgesamt zwölf Aufsätze, die sich um die Schwerpunkte »Bildungsvoraussetzung, Handschriftenherstellung und Bibliotheksgebrauch« gruppieren.

Zunächst untersucht Patrick Zushi (Cambridge) in einer Fallstudie den Buchbesitz des englischen Kardinals Adam Easton. Er geht den breit gestreuten Interessen des vormaligen Oxforder Theologen nach und stellt darüber hinaus Überlegungen an, wo dieser seine Bücher erstanden haben mag, und untersucht, ob sich ein sicherer Nachweis eines eigenen Autografen darin findet. Die exemplarische Untersuchung einer Kardinalsbibliothek ruft geradezu nach einem Vergleich mit anderen Bibliotheken hoher Prälaten in Avignon bzw. in Rom, um dadurch ein besseres Bild des intellektuellen Umfelds am Wohnsitz des Papstes zu gewinnen. Dies wirft überdies die Frage auf, inwieweit kardinalizische und päpstliche Bibliotheken sich möglicherweise voneinander unterschieden haben und was die Gründe dafür sein könnten. Weitere Detailstudien werden nötig sein, um diese Fragen abschließend zu klären. Gelehrsamkeit im weitesten Sinne, speziell das Vertrautsein mit Theologie und auch den humaniora wurde nicht zuletzt ein Qualifizierungsmerkmal für Erfolgschancen im Konklave, wenn auch nicht unbedingt die entscheidende Qualifikation. Dies kann Jessika Nowak (Freiburg) anhand der Papstwahl 1458 zeigen, aus der mit Enea Silvio Piccolomini (Pius II.) unbestreitbar ein großer Gelehrter hervorging. Einen anderen Teilaspekt des Themas »Bildungsvoraussetzung« beleuchtet Davide Scotto (Tübingen) in seiner Untersuchung der Bemühungen Papst Pius' II., an Handschriften des Kardinals Juan de Segovia mit islamischem Bezug zu gelangen. Die Frage bleibt indes, was Piccolomini damit wollte. Denn im Gegensatz zum Papst setzte sich Segovia nachdrücklich für eine friedliche Auseinandersetzung mit den Türken ein. Ob und inwieweit diese Manuskripte Spuren in der päpstlichen Politik hinterließen, bleibt ungewiss.

Anette Löffler (Frankfurt), die sich eingehend mit der Entstehung der »Libri de scismate« beschäftigt, weist in ihrem Tagungsbeitrag darauf hin, dass sich diese für die Entstehung des Schismas so wichtige Textsammlungen in den Bücherkatalogen der Bibliotheken Benedikts selbst gar nicht nachweisen lassen. Jedoch gebe es Hinweise, dass der Papst einschlägige Schriften zur Schismaproblematik in seiner Studienbibliothek in Peñiscola aufbewahrt habe. Herkunft und Entstehung dieser Schriften lassen sich allerdings nur bedingt nachweisen. Bekannt ist jedoch, dass selbst an Benedikts Zufluchtsort eine Schreibschule existierte und Handschriften für seine Bibliothek produziert wurden.

Dies war indes nicht die einzige Möglichkeit, Lücken in der päpstlichen Bibliothek zu füllen: Das Testament seines gleichnamigen Neffen, des Erzbischofs von Toledo, untersucht Marta Pavón Ramírez (Rom). Es enthält u. a. ein Bücherverzeichnis, von denen ein Teil nach seinem Tod (1414) an den päpstlichen Onkel fiel. Insofern gewährt diese Liste – als Momentaufnahme – einen, wenn auch lückenhaften Blick auf den Bücherbesitz Benedikts aus der Zeit nach dem Konzil von Perpignan – darunter befinden sich auch eine Reihe von humanistischen Texten.

Beispielhaft für den Teilaspekt »Bibliotheksgebrauch« stehen die Beiträge von Paul Payan (Avignon) und Christine Maria Grafinger (Rom), die sich mit dem Aufbau der päpstlichen Bibliothek in Avignon bis hin zu deren Auflösung seit Benedikt XIII. beschäftigen. War die Bibliothek der Päpste nach der Wahl Johannes' XXII. (1316) rasch angewachsen, hatte sie unter Clemens VI. und Gregor XI. schließlich eine Größe erreicht, die sie neben der Sorbonne zur bedeutendsten im Abendland gemacht hat. Neben der schieren Größe und den inhaltlichen Schwerpunkten geben die überlieferten Bücherlisten und Inventare Einblicke in die Aufbewahrung in verschiedenen Depots sowie die Signaturen der Bücher. Daraus lassen sich wiederum Rückschlüsse auf Form und Ort der Lagerung ziehen, zugleich auch Vermutungen anstellen, welche Teile der Bibliothek im päpstlichen Gebrauch gestanden haben könnten.

Ein erster »Verlust« war zu beklagen, als Benedikt XIII. 1403 das belagerte Avignon verließ und einen Teil der Bibliothek nach Spanien mitnahm. Später ließ er sich weitere Teile nachschicken. Diese Bestände kamen nach seinem Tod in den Besitz des Kardinals Pierre de Foix, der sie nach Toulouse transferierte, von wo sie später in den Besitz der heutigen Bibliothèque nationale de France übergingen. Der Rest der einstigen Avignoneser Bestände ging später nach Rom, wo sie teilweise über Umwege zu Beginn des 17. Jahrhunderts und schließlich 1891 endgültig in die Vatikanische Bibliothek eingegliedert wurden. Diese auf Eugen IV. zurückgehende und von ihm stark geförderte Bibliothek verdankte ihren Aufbau nicht zuletzt der damals aktuellen theologischen Auseinandersetzung mit der griechischen Kirche auf dem Konzil von Ferrara-Florenz. Mitte des 15. Jahrhunderts war die päpstliche Bibliothek bereits die größte Bibliothek Italiens.

Mit Nikolaus V. stellt Antonio Manfredi (Rom) einen Papst vor, der dezidiert ein Humanist gewesen ist. Dies zeitigte auch Auswirkungen auf ein geändertes Bildungskonzept des Papsttums, wie es sich etwa in der Konzeption des Baus der päpstlichen Bibliothek niederschlug. Dass dieser Papst eine Bücherhalle errichten ließ, die allen an der Kurie Anwesenden Zugriff auf diesen Schatz gewährte, zeigte, wie sehr sich die Funktion der Bibliothek gegenüber der avignonesischen Zeit gewandelt hatte.

Löfflers abschließender Beitrag über »Ertrag und Forschungsperspektiven« des Tagungsprojekts, der sich am Ende des Aufsatzteils versteckt, hätte gewiss an prominenterer Stelle platziert werden sollen. Immerhin erschließen sie stärker als die Einführungsbeiträge die Zielsetzung des hier vorgestellten Forschungsprojekts. Darüber hinaus wäre eine kurze Zusammenfassung auch der Vorträge, die hier nicht abgedruckt werden konnten (ggf. mit Nennung des Druckorts), zweifellos hilfreich wie sinnvoll gewesen, da auf sie verwiesen wird.

Das Kernstück dieser Publikation ist aber zweifellos eine von Anette Löffler akribisch erarbeitete Liste der »Bücher Benedikts XIII.«, die schon von ihrem Umfang fast zwei Fünftel des Gesamtumfangs des Bandes einnimmt. Es bleibt Geheimnis des Herausgebers, warum er diesen Schatz glaubt unsichtbar machen zu müssen. Denn wer dürfte hinter dem neutralen Titel der Publikation diese akribische Sisyphus-Arbeit hier vermuten. Bislang hat sich ein knappes Viertel der ca. 2300 in den verschiedenen Listen Benedikts verzeichneten Handschriften identifizieren lassen, wovon Löffler 162 mit vorwiegend kanonistischem und theologischem Inhalt näher beschrieben hat. Die Erwartung, dass sich aus einer Analyse des Handschriftenbestands dereinst »das Denken Benedikts XIII. heraus … kristallisieren« (S. 278) lässt, dürfte aber wohl noch auf sich warten lassen, auch wenn ein wichtiger Schritt in diese Richtung gemacht ist.

Eine umfangreiche Bibliografie sowie verschiedene Register, die die Erschließung des Inhalts erleichtern, beschließen den Band.

So darf man wohl abschießend resümieren, dass die Leserschaft einiges Neues über die Geschichte der päpstlichen Bibliotheken und deren Bücherbesitz erfährt. Das Denken und Handeln ihres Besitzers und Benutzers dürfte sich indes schwerer erschließen lassen, als sich dies die Leserin bzw. der Leser vielleicht wünschen mag. Das Bild des Büchermenschen als handelndes Subjekt bleibt eher blass und schemenhaft. Schade, dass sich der Band in Teilen etwas sperrig liest, seinem Erfolg dürfte dies jedoch keinen Abbruch tun.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Ansgar Frenken, Rezension von/compte rendu de: Rainer Berndt (Hg.), Der Papst und das Buch im Spätmittelalter (1350–1500). Bildungsvoraussetzung, Handschriftenherstellung, Bibliotheksgebrauch, Münster (Aschendorff) 2018, 661 S., 32 farb. Abb. (Erudiri Sapientia. Studien zum Mittelalter und zu seiner Rezeptionsgeschichte, 13), ISBN 978-3-402-10445-3, EUR 79,00., in: Francia-Recensio 2019/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.1.59807