Bereits seit seinen Anfängen im Freiburg-Münsteraner Memoria-Projekt hat sich Michael Borgolte in diesem Rahmen dem Spezialaspekt der (religiösen) Stiftungen zugewandt und das in Berlin mit seiner Reihe »Stiftungsgeschichten«, in der schon zehn Bände erschienen sind, und in den letzten Jahren in einem Berliner Forschungsprojekt konsequent weitergeführt, aus dem, neben einigen Qualifikationsarbeiten, die dreibändige »Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften« hervorgegangen ist. Standen zunächst nur die christlich-mittelalterlichen Seelenheilstiftungen im Fokus, so hat sich das hier zu einer interkulturellen und interreligiösen Perspektive ausgeweitet.

Auf dieser Grundlage hat Borgolte selbst nun eine zusammenfassende, vergleichende Darstellung über viereinhalb Jahrtausende mit dem Anspruch heischenden Titel »Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte« vorgelegt und für dieses Thema damit nicht nur einen Teilaspekt der Weltgeschichte, sondern eine Ganzheitsperspektive auf Geschichte beansprucht. Dabei zeigt sich deutlich, wie in der Einleitung klargestellt wird, dass Stiftungen eine universale Erscheinung und ein soziales Phänomen sind, bei dem Seelenheilstiftungen nur eine Ausprägung darstellen, die man aus abendländischer Sicht leicht überschätzen könnte (und Borgolte selbst korrigiert daran in einem Nachwort ursprüngliche, eigene Erwartungen).

Die ersten 500 Seiten sind in zwei Großkapiteln zunächst den religiösen Grundlagen und anschließend der herrscherlichen Stiftungspraxis im interkulturellen Vergleich gewidmet. Ein Kapitel über Stiftungspraktiken unterhalb der herrscherlichen Linie fehlt, auch wenn manches Einschlägige in die anderen Abschnitte eingefügt wird. Das ist in vielen Kulturen sicherlich eine Folge mangelnder Quellen oder, noch mehr, von Forschungsdefiziten, macht die »Weltgeschichte« der Stiftungen aber weithin zu einer Herrschergeschichte, zumal den Stiftern insgesamt mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als den Stiftungen selbst.

Die Stiftungsgeschichte beginnt mit Stiftungen für Götter und Ahnen in Mesopotamien und Ägypten im 3. Jahrtausend v. Chr. sowie um 1000 v. Chr. in China. Stiftungen für Menschen setzen in Ägypten in der »Achsenzeit« (22.–20. Jahrhundert v. Chr.), Stiftungen für das Seelenheil in Persien (Zoroastrismus) nicht vor dem 3. Jahrhundert n. Chr. unter den Sassaniden ein. Im Christentum mit seinem Jenseitsglauben, aber auch mit dem Glauben an ein Reinigungsfeuer nach dem Tod, spielten Seelenheilstiftungen dann eine enorme Rolle, diesbezügliche Schenkungen werden in Tausenden von Urkunden festgehalten. Es gab sie aber auch im Islam, wenngleich die großen, von Borgolte angeführten Beispiele durchweg dem Spätmittelalter angehören; Borgolte sieht in ihnen eher Stiftungen für eine Gottesnähe als für das eigene Seelenheil, das im Judentum überhaupt keinen Leitwert darstellte.

Auch im indischen Hinduismus, in dem der Tod als Erlösung galt, konnte es keine individuellen Seelenheilstiftungen geben; Stiftungen für die Brahmanen sollten diese vielmehr in den Stand versetzen, ihre Pflichten zu erfüllen. Im Jainismus verhinderte die Lehre der Wiedergeburt Stiftungen an geistliche Institutionen (die gleichwohl erfolgten); auch im Buddhismus war das eigentlich unmöglich, wurde in einzelnen Richtungen aber dennoch praktiziert, während der dafür prädestinierte Ahnenkult des Konfuzianismus und sein Glaube an die Unsterblichkeit erstaunlicherweise keine entsprechenden Stiftungen hervorgebracht hat. Bedingungen und Ausprägungen eines Stiftungswesens gestalten sich also überall sehr unterschiedlich aus.

Der zweite Abschnitt wechselt die Perspektive und befasst sich mit Herrschern als Stiftern und mit ihrer Stiftungspolitik (im interkulturellen Vergleich). Auch hier geht es um die Charakteristika der einzelnen Epochen: Tempel- und Grabbauten im Alten Orient, Landstiftungen für den Gotteskult, Vasen- und Feststiftungen der hellenistischen Herrscher, aber auch eigenes Andenken (vor allem Antiochos von Kommagene), ein Übergang von Opfergaben zu Stiftungen für Brahmanen in Indien erst seit dem 3. Jahrhundert v. Chr., mit Stiftungsurkunden im indischen Mittelalter, bei denen der König hervortrat, oft aber den Wünschen der Brahmanen oder Amtsträger entsprach und die Stiftung nur selten mit dem Wunsch nach Herrschergedenken verband; die antiken Kaiser stifteten Güter und Tempel (als staatliches Sondervermögen), die byzantinischen bauten vor allem Kirchen (mit Memoria-Motiv). Auch im Islam (mit langem Kapitel) gibt es spätestens seit den Abbasiden (Harun-ar-Rashīd) eine lange Stiftungstradition, in der vielleicht die Gründung einer Akademie (als »Haus der Weisheit«) in Kairo durch al-Hākim 1005 herausragt.

Den größten und kenntnisreichsten Umfang nimmt naturgemäß das lateinische Christentum ein: mit den Klosterstiftungen der »germanischen« Könige (wie Saint-Maurice bei den Burgundern, der Apostel- und Vincentiuskirche in Paris, der Radegundgründung Sainte-Croix in Poitiers, Chelles oder Saint-Denis bei den Merowingern), den Kirchenstiftungen in Irland und den Stiftungen von Eigenkirchen (minsters) in England, vor allem zwischen 670 und 740, den karolingischen Eigenklöstern als »Reichsklöstern« (wie Prüm) und Gedächtnisstiftungen. Dem folgt die »Zeit der starken Stifter« unter der »Vorbildrolle« der Ottonen und – als Höhepunkt – der Salier mit Kloster- und Bistumsgründungen sowie vielen Schenkungen. Das setzt sich prinzipiell im Spätmittelalter fort (vor allem mit der Burg Karlstein Karls IV.). Es überrascht, dass in diesem langen Abschnitt in dem interkulturell angelegen Buch zum einen fast ausschließlich der Bereich des deutschen Reichs betrachtet und das übrige Europa weitgehend ausgeklammert wird. Zum anderen werden diesbezügliche Leistungen geradezu positivistisch von König zu König und von Stiftung zu Stiftung behandelt, am Ende des Kapitels jedoch nicht mehr strukturell zusammengefügt.

Ein dritter und letzter Teil hat gewissermaßen drei Überschriften: »Gesellschaftliche Entfaltung und philanthropische Motivationen: Auf dem Weg zu einer transkulturellen Synthese« mit nur einem Kapitel über »Die Sorge für andere: Diversifikation der Akteure und der Zweck«. Darin werden, nicht ohne Überschneidungen und Erläuterungen zum Hintergrund, die schon oben nützlich gewesen wären, noch einmal die schon behandelten Regionen vor allem mit dem Schwerpunkt königlicher und nichtköniglicher Organisationen und Stiftungen für Armenfürsorge und Bildungseinrichtungen überblickt, die, wie Borgolte betont, vom Stiftungswesen kaum zu trennen sind (aber dennoch gesondert behandelt werden), auch wenn das nicht für alle Kulturen in gleicher Weise gilt.

Dass das Stiftungswesen sich insgesamt aus dem Sinn für Individualität entwickelt hat, ist sicherlich eine (angesichts der heftigen Diskussionen über das Individuum der Vormoderne) gewagte (und einseitige) These. Insgesamt zeigt sich, trotz aller Unterschiede – in Indien waren fast nur Laien, Mönche und Priester als Stifter tätig, und auch im Judentum wurden Stiftungen zwangsläufig auf privater Basis getätigt –, dass die Sorge für Arme und Alte und für die Bildung fast überall eine wichtige Rolle spielte. Da beide Bereiche aber kaum ausschließlich über Stiftungen finanziert wurden, wäre hier eine Einschätzung deren Anteils interessant gewesen. Westliche Xenodochien und Hospitäler des Frühmittelalters waren zudem multifunktionale Einrichtungen, die seit der Karolingerzeit mehr und mehr unter die Herrschaft von Kirchen und laikalen Herren gerieten, während das Schulwesen hier nur bedingt Stiftungscharakter hatte und die Armenfürsorge weitgehend in der Hand der Klöster lag. Im Hochmittelalter kamen die ersten Spitalbrüderschaften auf. Das Spätmittelalter war hingegen von Armenhäusern und Spitälern, vor allem des Heilig-Geist-Ordens mit strenger Regel, wie auch von Stiftungen für arme Studenten geprägt.

Eine kurze, vergleichende Synthese hebt, nicht ganz ohne Widersprüche zu vorherigen Feststellungen, noch einmal die wesentlichen Beobachtungen hervor: die Bindung der Stiftungen an die großen Reiche und Könige (was aber sicher auch mit der Quellenlage und der Perspektive des Autors zusammenhängt), zunächst für Götter und Vorfahren, erst später für die Stifter selbst als Seelenkultstiftungen über den Tod hinaus, zuerst in Persien, hin zu Seelenheilstiftungen bei Christen und (nach diesem Vorbild) Muslimen, jedoch ganz andere Formen im fernen Orient (Auslöschung statt Memoria); den oft enormen finanziellen Aufwand und damit die Abhängigkeit des Stiftungswesens von der Finanz- und Interessenlage (Kriegsfinanzierungen). Die Fürsorgepflicht der Herrscher spielte fast überall eine große Rolle, nicht zuletzt in Indien und im Islam, während im Judentum in der Regel der Gemeindefonds Sammelbecken auch für Stiftungen war, aus denen alles Notwendige bezahlt wurde. Im Westen erwies sich die Kirche als wichtigster Stiftungstyp, das Kloster als wichtigste Stiftung, doch wäre hier hinzuzufügen, dass nicht nur die Klosterstiftung selbst zentral war, sondern die Klöster selbst von den vielen Stiftungen bzw. Schenkungen der grundbesitzenden Schichten lebten.

Das monumentale Buch steckt voller interessanter Einzelheiten. Borgolte begeht nicht den (oft zu beobachtenden) Fehler interkultureller oder globaler Vergleichsstudien, unter dem Aspekt der Stiftungen nun überall Gemeinsamkeiten zu entdecken, sondern sucht die jeweiligen Besonderheiten, stets vor dem religiösen und institutionellen Hintergrund, herauszustellen: Eine Weltgeschichte der Stiftungen ist – als Ergebnis – weder eine lineare noch eine einheitliche Entwicklung. Borgoltes Stiftungsgeschichte ist eine unbestreitbar große Leistung, flüssig geschrieben und angenehm lesbar, mit einer Fülle von Einsichten. Dass einzelne Annahmen zu leicht aus den Tasten fließen, ist sicher unvermeidbar. (Ob das Stiftungswesen an Klöstern sich beispielsweise so bewährt hatte, dass es überall angewandt wurde, oder ob es nicht eher dem allgemeinen Anspruch und Denken entsprach, wäre wohl noch einer genaueren Untersuchung wert.)

Dennoch befällt den Rezensenten bei solchen Werken ein Gefühl der Unsicherheit, denn ein so großer, interkultureller Überblick lässt sich natürlich nicht durch eigene Quellenanalysen, sondern nur auf der Grundlage anderer Arbeiten bewerkstelligen, die zumeist nicht die gleiche Fragestellung haben wie die hier verfolgte (zumal gerade »Stiftungsgeschichte« ein recht neues Arbeitsfeld ist). Bei allem Respekt vor dieser großen Leistung und trotz der eingangs angesprochenen Vorarbeiten begeben sich Wissenschaftler damit leicht auf das Niveau früherer Sachbuchautoren (als »Wissenschaft« noch ein »innerer Zirkel« ohne große Außenwirkung war). Mir selbst zeigen Bücher wie dieses daher immer neu die unverzichtbare Notwendigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit auf, um eine wissenschaftliche Tragfähigkeit zu gewährleisten, doch werden die Ansichten bei dieser Frage sicherlich auseinandergehen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Hans-Werner Goetz, Rezension von/compte rendu de: Michael Borgolte, Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte. Von 3000 v. u. Z. bis 1500 u. Z., Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 2018, 728 S., ISBN 978-3-534-26962-4, EUR 79,95., in: Francia-Recensio 2019/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.1.59808