»The story of late medieval Spain cannot possibly be told without understanding the great impact of the friars« (S. 18). Dieser Feststellung, mit der Francisco García-Serrano seine Einleitung schließt, ist ohne Einschränkungen zuzustimmen und so ist das Erscheinen dieses Bandes nur zu begrüßen. García-Serrano benennt zudem die drei grundlegenden Wirkungszusammenhänge, in denen die Bettelorden untersucht werden müssen, und formuliert diese programmatisch für die Anlage des Bandes: 1. Die Bedeutung der Orden bei der Urbanisierung als Reaktion auf veränderte spirituelle Bedürfnisse. 2. Die Verbindung der Bettelorden zu Königinnen, Königen und Adligen. 3. Die Bettelorden im Zusammenhang mit Angehörigen von Judentum und Islam. Er unterstreicht zu Recht die besondere Situation der Iberischen Halbinsel, die als Frontier Society weiterführenderen Veränderungen unterliegt, als das 13. Jahrhundert bereits für andere europäische Regionen bereithält.
Die zwölf Beiträge des Bandes beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten der beiden großen Bettelorden, v. a. auf den Gebieten des Königreichs Kastilien und der Krone Aragón. Es werden sowohl herausragende Ordenspersönlichkeiten – Ramon de Penyafort, Francesc Eiximenes, Ramón Martí – mit überblicksartigen Artikel untersucht als auch einzelne Konvente und ihre gesellschaftliche Einbettung ins Zentrum gestellt. Die Ergebnisse und Erkenntnisse sind dabei so zahlreich, dass hier nur ein Teil der Beiträge schwerpunktartig bedacht werden kann.
Adeline Rucquoi eröffnet den Band mit einem Beitrag zum heiligen Dominikus, der anders als sein franziskanisches Pendant von der Iberischen Halbinsel stammte. Sie kontextualisiert den Ordensgründer in seiner Zeit und seinem Herkunftsort und macht anhand seiner Bildungsbiografie deutlich, dass dies erstaunlicherweise noch nicht konsequent gemacht worden ist, für unser Verständnis der Anfänge des Ordens aber großen Erkenntniswert birgt. Anhand der Predigten von Ramon Martí widmet sich Thomas Burman einem Aspekt dominikanischer Gelehrsamkeit im europäischen Kontext. Martí habe sich – obwohl er der beste Kenner arabischer Bücher in Lateineuropa war – von deren Studium ab- und sich hebräischen und aramäischen Texten zugewandt. Burman sieht dies in der Attraktivität der scholastischen Bewegungen nördlicherer Gefilde begründet, die für Martí eine intellektuelle Abkehr von der multireligiösen Welt der Iberischen Halbinsel bedeutete.
Die genannte Rolle der Frontier Society kommt erstmals im Beitrag von Maria del Mar Graña Cid zur Sprache, die die Verbindungen der Orden zur kastilischen Krone ins Licht rückt und hervorhebt, dass es ein gegenseitiges Interesse am Erfolg des jeweils anderen gegeben habe. Besonders deutlich werde dies im Vergleich der altkastilischen mit den neu eroberten Gebieten. Während in den alten Territorien eher punktuell regionale Schwerpunkte deutlich wurden, kam beiden Orden flächendeckend eine wichtige Rolle bei der Organisation der neu eroberten Gebiete zu. Die gezielte Förderung der Konvente durch Ferdinand III. sei einhergegangen mit seiner Politik der Christianisierung und Kastilianisierung der eroberten Städte. Dabei betont die Autorin die große Bedeutung der Zentralorganisation des Ordens bei diesem Vorhaben, die eine Desintegration der Niederlassungen sehr unwahrscheinlich machte, sodass die Ordensmitglieder unabdingbar für die Herrschaftssicherung des Königs wurden.
Das große Verdienst des Beitrags von Linda Jones ist die Einbringung einer muslimischen Perspektive, was ihr im Bereich der Predigt eindrucksvoll gelingt. Ihre Aufmerksamkeit gilt Vincent Ferrer und dem Einfluss seiner Predigten in muslimischen Gebieten. Zum einen habe der heilige Vincent seine Predigten an sein jeweiliges Publikum adaptiert, z. B. durch Imitation muslimischer Legenden. Zum anderen reagierten die Muslime in den verschiedensten Textformen – von Gedichten bis Predigten – auf diese Missionsversuche. Dabei sei auffällig, dass vor Beginn der christlichen Eroberung Andalusiens die antichristlichen Passagen aus dem Koran und aus Hadithen kaum genutzt wurden, danach aber vermehrt Eingang in die muslimischen Texte fanden. Der generelle Erfolg mendikantischer Predigt sei allerdings schwer festzumachen, die überlieferten Konversionen von Muslimen seien v. a. eines: Ausnahmen.
Insgesamt drei Beiträge beschäftigen sich mit den weiblichen Zweigen von Franziskanern und Dominikanern. Prieto präsentiert die Klarissen von Alcocer und deren Verbindung zur kastilischen Krone vom 13. bis zum 15. Jahrhundert. Auch wenn die Frage nach persönlicher Spiritualität von Herrschenden häufig schwer zu beurteilen ist, macht der Artikel doch deutlich, welche Rolle Einzelpersonen in der Entwicklung einzelner Konvente spielen konnten. So erlebten die Klarissen von Alcocer unter ihrem Gründer Alfons X. ihre Blütezeit, doch bereits unter dessen Nachfolger Sancho IV. gingen die Beziehungen deutlich zurück. García-Serrano stellt anhand des Madrider Dominikanerinnenkonvents die Diskussionen um das Verhältnis von männlichen und weiblichen Ordensmitgliedern ins Zentrum. Neben Rom und Prouille war der Madrider Konvent die einzige derartige Gründung des 13. Jahrhunderts. Besondere Aufmerksamkeit lenkt der Autor auf die Verbindung von Wirtschaft und Religiosität. Die Bedeutung des Konvents für den Orden sei vor allem seiner besonders guten wirtschaftlichen Lage zu verdanken, die wichtige Einkünfte für den Orden ermöglichte, ohne dass die Herren mit dem Gebot der Armut in Konflikt gerieten. Gegenstand des letzten Beitrags von Francisco de Paula Cañas Gálvez ist ein Konvent, der die Verbindung zum Königshaus bereits im Namen trägt, »Santo Domingo el Real de Toledo«, ein Dominikanerinnenkonvent, der an der Wende zum 15. Jahrhunderts sowohl ein spirituelles Zentrum für den gesamten Orden als auch ein wichtiges Machtzentrum für die Königsfamilie war. Dies führt der Autor vor allem auf das politische Geschick der bedeutenden Priorin Teresa de Ayala zurück.
Dem breiten Themenfeld Häresie und Inquisition widmen sich die Aufsätze von Emily Graham und Robin Vose, wobei erstere Katalonien als bisher wenig beachteten Schauplatz des Spiritualenstreits hervorhebt. Deutlich wird bei ihr die Bedeutung überlappender Grenzen von Herrschaftsgebilden und religiösen Territorien. Graham unterstreicht, inwiefern einige Pyrenäengegenden Kataloniens noch längere Zeit nach der Hauptphase des Spiritualenstreits Zuflucht für Verfolgte boten, und illustriert dies anhand eines Prozesses in Vilafranca del Penedès. Robin Vose hingegen betont in seinem weiten Überblick über die Inquisition des 14. Jahrhunderts, wie wichtig es sei, die Inquisitoren in ihren jeweiligen zeitlichen Kontexten und insbesondere ihren persönlichen Netzwerken zu sehen. Während Nicolas Eymeric häufig als der einflussreichste Inquisitor seiner Zeit gesehen wird, argumentiert Vose, dass dessen Hauptwerk erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts zu weiter Verbreitung fand und somit nicht – wie es oft der Fall ist – als Quelle für den »normalen« Ablauf der Inquisition im 14. Jahrhundert angesehen werden darf.
Kritik ist in erster Linie auf begrifflicher Ebene zu üben. Ärgerlich ist zunächst, dass im Titel nur von »Friars« die Rede ist, obwohl sich ein Viertel der Beiträge dezidiert Frauenkonventen widmet. Und es sind gerade diese Beiträge, die deutlich machen, dass jene Konvente zwar abhängig vom männlichen Zweig des jeweiligen Ordens sind, durch ihre andere Konstitution jedoch ebenfalls – auf wirtschaftlicher wie gesellschaftlicher Ebene – von enormer Bedeutung sind. Auch die Abteilung der Ordenspersönlichkeiten hätte von einem Beitrag zur bisher wenig behandelten Teresa de Ayala profitiert. Zu differenzieren ist auch die Verwendung von »Spain« als geografischer Bezeichnung, zumal der Begriff im Verlauf des Buches nicht einheitlich verwendet wird und somit nicht immer klar ist, ob die Ordensprovinzen, die gesamte Iberische Halbinsel oder auch nur Kastilien gemeint sind.
Insgesamt präsentieren die zwölf Beitrage fast durchweg innovative Forschung, die deutlich macht, welches breite Spektrum die Aktivitäten der Mitglieder der Bettelorden nicht nur auf der Iberischen Halbinsel einnahmen. So sei der Band allen empfohlen, die sich für neue Forschungsfragen und -perspektiven inspirieren lassen möchte. Das Potenzial der Ordensforschung wird durch diesen Band einmal mehr deutlich.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Robert Friedrich, Rezension von/compte rendu de: Francisco García-Serrano (ed.), The Friars and their Influence in Medieval Spain, Amsterdam (Amsterdam University Press) 2018, 295 p., 2 fig. (Church, Faith, and Culture in the Medieval West), ISBN 978-94-6298-632-9, EUR 90,00., in: Francia-Recensio 2019/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.1.59828