Die Angst vor Terror ist spätestens seit den Ereignissen des 11. Septembers 2001 in der westlichen Welt wieder allgegenwärtig. Neue Kriege werden damit begründet, Einwanderungsrestriktionen geschaffen, Grenz- und Sicherheitskontrollen verschärft. Terror ist für uns gewiss eine genuin negative Herrschaftsfantasie, deren Verbreitung und Radikalisierung um jeden Preis verhindert werden muss. Entgegen orientalistisch gefärbten Erzählungen, in denen Terror als ausschließlich nah- oder fernöstliche Idee erscheint, erzählt Ronald Schechter in seinem Buch »A Genealogy of Terror« die Geschichte der »Western romance with terror« (S. X) und zeichnet damit nicht nur einen langen und vielschichtigen westlichen Terrordiskurs nach, sondern auch die mit dieser Tradition evozierten (positiven) Emotionen. Erst mit den Erfahrungen der Terrormonate der Französischen Revolution (September 1793 bis Juli 1794) begannen europäische Zeitgenossen Terror zunehmend negativ umzudeuten.

In seinem Buch geht es Schechter nicht darum, revolutionäre Terrorpraktiken neu zu beleuchten, sondern zu verstehen, warum Jakobiner wie Claude Royer im September 1793 Terror als neue Ordnung zu implementieren wünschten und so forderten: »placez la terreur à l’ordre du jour« (S. 2). Warum kondensierten Jakobiner und Sansculottes ihre politischen Ziele gerade in »Terror«? Welche Emotionen provozierte der Verweis auf »Terror« bei denjenigen, die das Wort schrieben, aussprachen, lasen oder hörten? (S. 5) Um diesen Fragen nachzuspüren, untersucht Schechter sechs Themenfelder in denen terror speeches im Jahrhundert vor der Revolution evident waren, um dann deren Wirkmächtigkeit vor, während und nach den Terrormonaten der Revolution zu beleuchten. Schechter geht es in seiner Genealogie also weniger darum, zu analysieren, wie, warum und mit welchen Worten oder in welchen Diskurszusammenhängen die Idee oder der Begriff »Terror« erklärt wurde; vielmehr beschreibt er mit vielen Beispielen diejenigen Sprechakte, die auf »Terror« verwiesen und versucht dabei zumindest näherungsweise nachzuvollziehen, welche Emotionen sowohl beim Sprech- und Schreibakt als auch beim Hör- und Leseakt ausgelöst wurden.

Den Einzelanalysen der Themenfelder ist dabei eine Prämisse gemeinsam: Sie stellen dar, dass es sich einst gut anfühlte, von Terror zu sprechen. Dies wird bereits im ersten Kapitel deutlich, das den Verweis auf Terror in der judeo-christlichen Tradition nachzeichnet, und aufzeigt, dass Terror darin als Attribut göttlicher Souveränität, göttlichen Ruhms, und göttlicher Majestät und Gerechtigkeit erschien. Der Allmächtige konnte demnach seine gesamte Schöpfung mit heilsbringender Wirkung in Angst und Schrecken versetzen. Diese Deutung göttlicher Macht wurde im Jahrhundert vor der Revolution von französischen Autoren verschiedener theologischer Richtungen aufgegriffen. Sie findet sich in katholischen Kanzelpredigten gleichermaßen wie in theologischen Abhandlungen von Katholiken, Quietisten oder Jansenisten. Da sie irdische Herrschaft direkt von Gott ableiteten, fiel es politischen Theoretikern absolutistischer Couleur nicht schwer, auch ihren irdischen Herrschern Terrorattribute zuzusprechen. Französische Könige wurden nun auch in der Rückschau als Terror ihrer Feinde bezeichnet, die mit ihrer militärischen Überlegenheit Gerechtigkeit und Frieden für ihre Untertanen herstellten. Ähnlich betonten auch juristische Abhandlungen, königliche Erlasse oder vom Parlament gebilligte Gesetze den Zusammenhang von Terror und Gerechtigkeit: Terror der Gesetze zeigte sich entsprechend in Form von Abschreckung, Züchtigung und Bestrafung von Gesetzesübertretern.

Damit es dazu aber nicht kam, sollten auch Theaterstücke die Moral unterstützen: Theaterkritiker des 18. Jahrhunderts beurteilten in abgewandelter aristotelischer Tradition Tragödien nach ihrem Terrorgehalt. Gepriesen wurden diejenigen Stücke, die menschliche Leidenschaften durch Terror zu bezähmen wussten, kritisiert wurden entsprechend diejenigen Werke, die entweder zu wenig Terror in den Zuschauern und Zuschauerinnen inspirierten oder blutlüsternem Horror verfielen. Ähnlich sollte auch das Sublime, das Erhabene und Schöne Terror in seinen Rezipientinnen und Rezipienten entfachen.

Terror konnte also einerseits zur Warnung und Erziehung der Tugendhaften, andererseits zur Bestrafung der Hoffärtigen eingesetzt werden. Frühneuzeitliche Mediziner inner- und außerhalb Frankreichs spiegelten diese ambivalente Wirkungsweise von Terror, indem sie ihm sowohl einen zerstörenden als auch einen heilsamen Effekt auf die körperliche und seelische Existenz nachsagten. Damit fungierte Terror in medizinischen Abhandlungen des 18. Jahrhunderts als Schiedsgericht über Leben und Tod.

In den ersten Jahren der Revolution übernahmen Revolutionäre ungeachtet ihrer politischen Färbung die hergebrachte Sprache des judiziären Terrors, und setzten sie dazu ein, neue Gesetze oder die neue Verfassung zu legitimieren. Ferner sprachen auch sie von Terror als heilsbringendem Mittel im Kampf gegen äußere oder innere Feinde der Nation. Während der Terrormonate attestiert Schechter dagegen einen Niedergang solcher Nützlichkeitserwägungen. Terror wurde nun verstärkt als Racheakt gegen innere wie äußere Feinde stilisiert und als adäquate Waffe zur Verteidigung der Nation sakralisiert. Der Verweis auf Terror hatte gleichermaßen eine therapeutische Funktion für all‘ diejenigen, die ihr Leben dem Kampf für die Nation verschrieben: Indem sie den Terror ihrer Feinde evozierten, weckten sie Gefühle der Hoffnung, des Trostes, des Vertrauens und des Mutes (S. 190, 193).

Diese positive Tradition fand Schechter zufolge ein jähes Ende mit der Hinrichtung Maximilien de Robespierres am 28. Juli 1794. Fortan finden sich in den Quellen diejenigen Attribute von Terror, die heutigen Lesern und Leserinnen bekannt sind: Terror verwies nun nicht mehr auf legitime Souveränität, sondern auf illegitime Macht; anstatt auf Gerechtigkeit rekurrierte Terror nun auf Gewalt; anstatt auf die Majestät eines legitimen Herrschers bezog sich Terror nun auf blutdurstige Rache gegen Feinde. Sakrale Implikationen von Terror gingen verloren und machten Interpretationen von wahnsinnigen Machtfantasien Platz. Was hatte eine so schnelle kulturelle Transformation verursacht, die sich innerhalb weniger Monate in Frankreich und über die Landesgrenzen hinaus verbreitete? Schechter kommt dabei zu einer naheliegenden, jedoch nicht minder überzeugenden Antwort: Die Terrormonate der französischen Revolution selbst hatten eine solche Umdeutung von Terror herbeigeführt.

Schechters Fragestellung ist gewiss innovativ, dennoch liegt in der methodischen Entscheidung zur Deskription von terror speeches und der bewussten Vernachlässigung des Kontextes (S. 15) auch gerade die Schwäche des Buches: Leserinnen und Leser werden nach der gelungen Hinführung in der Einleitung wenig neue Argumente finden, sodass die Kapitel als Ansammlung empirischer Erträge daherkommen, die zwar ihrerseits überzeugen, die jedoch kausale Fragen, insbesondere in den auf das Ancien Régime bezogenen Kapiteln, unbeantwortet lassen: Warum etwa beschäftigten sich Franzosen im Jahrhundert vor der Revolution so intensiv mit Terror und das auf verschiedenen Themenfeldern? Wie sind diese thematisch so unterschiedlichen Bereiche der terror speeches inhaltlich miteinander verknüpft? Und wie verhalten sich die französischen Sprechakte gegenüber anderen europäischen Äußerungen über Terror?

Der Eindruck fehlender Kausalanalysen wird außerdem noch verstärkt, weil die Einordnung in die Forschungsliteratur erst und ausschließlich in der Konklusion erfolgt, wo Schechter sein Buch zwischen ideologischen und kontextbezogenen (circumstantial) Interpretationen platziert und in die Nähe neuerer Forschungsströmungen rückt, die dem sogenannten Emotional Turn folgen.

Trotz dieser Einwände, die nicht zuletzt auch von narratologischen Geschmacksfragen abhängen, ist es dem Autor gelungen, eine neue Perspektive auf die Terrormonate der Revolution zu bieten und dabei eine der großen Fallen der Revolutionsforschung zu umschiffen: Schechter hält sich nicht mit dem Streit zwischen revisionistischen Interpretationen der Revolution (für die die Radikalisierung der Revolution schon in den Ideen von 1789 angelegt war) oder marxistisch-materialistischen Interpretationen auf (in deren Lesart die Radikalisierung eine Folge von Klassenkämpfen waren); vielmehr gelingt es ihm plausibel zu machen, warum es im September 1793 möglich, jedoch nicht notwendig war, Terror als neue Ordnung zu fordern. Schechter erklärt damit zu Recht: »I am not suggesting that ›terror‹ as the ›order of the day‹ was an inevitable slogan; rather, I am providing reasons for its having been a thinkable one« (S. 16).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Christine Zabel, Rezension von/compte rendu de: Ronald Schechter, A Genealogy of Terror in Eighteenth-Century France, Chicago (The University of Chicago Press) 2018, X–289 p., 7 fig., ISBN 978-0-226-49957-4, USD 45,00., in: Francia-Recensio 2019/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.1.59830