Besprochen wird hier das 2018 als Taschenbuch in der Reihe »Jaunes« der Classiques Garnier erschienene Buch »La Monnaie, le Prince et le Marchand« von Benoît Santiano. Die für die Herausgabe von Werken der großen Literatur der Welt und vor allem der Frankophonie bekannte Reihe verzeichnet auch zwei Titel im Bereich der Wirtschaft. Da es sich bei dem vorliegenden Band um den zweiten Band der ersten Serie der Reihe Classiques Garnier »Bibliothèque de l’économiste« handelt, der 2010 erschienen ist, kann vermutet werden, dass weitere Bände aus dieser Reihe in der Abteilung Wirtschaft der Reihe »Jaunes« folgen. Gemessen werden müssen die Titel am ausgewiesenen Anspruch, Referenzwerke für den Ökonomen, die nicht dem Diktat der Aktualität folgen, sondern sich durch ihr wissenschaftliches Interesse an der Analyse, der ökonomischen Ideengeschichte oder der Wirtschaftsgeschichte auszeichnen1. Mit seiner ökonomischen Analyse des Münzsystems und speziell der Münzverschlechterungen und -verbesserungen im spätmittelalterlichen Königreich Frankreich scheint der Autor und Absolvent der prestigeträchtigen École polytechnique diesen Kriterien, ökonomische Analyse und Wirtschaftsgeschichte zu betreiben, gerecht zu werden.

Üblicherweise wird die Geldpolitik der französischen Könige des 14. und 15. Jahrhunderts in der französischen Forschung auf zwei Punkte reduziert: Einerseits ist der Umgang mit Geld in der Praxis durch ein doppeltes Defizit geprägt. Die Geldpolitik, wenn man davon sprechen kann, ist sowohl durch kurzfristige Entscheidungen (Münzverschlechterungen), die in der Not und aufgrund durch Kriege und Diplomatie begründeter politischer und finanzieller Zwänge getroffen werden, als auch durch Unkenntnis der Auswirkungen der Geldpolitik auf die Zirkulation von Geld geprägt.

Andererseits wird den Königen auf normativer Ebene eine wichtige Rolle in der Konstruktion eines einheitlichen französischen Geldraums zugesprochen. Die Geldpolitik stellt dabei ein Beispiel für die allgemeine Tendenz seit Philipp II. August dar, die darin besteht, den zentralisierten Staat mit einheitlichem Territorium, Gewaltmonopol und, im vorliegenden Fall, mit einheitlicher Münze vorzubereiten. Die Verbreitung des denier tournois im Zuge der territorialen Ausweitung der Krondomäne auf das gesamte Königreich im Verlauf des späten Mittelalters als die kleinste auf dem französischen Rechenpfund, der Livre oder Pfund von Tours, basierende Silbermünze symbolisiert die auf die seine Souveränität in Geldfragen ausgerichtete Entwicklung der Regulierungstätigkeit des Königs.

Akute Schwächen lokaler Münzherren, ihre Prägungen (denier provinois) aufrecht zu erhalten, die auf die Nutzung im lokalen Bereich beschränkt wird, bieten den folgenden französischen Königen die Möglichkeit, Münzrechte aufzukaufen und so sukzessive die Zahl der Münzstätten im Reich zu reduzieren.

Schaut man in das von Santiano aufgrund der älteren Forschung aufgearbeitete Korpus der sogenannten »Ordonnances des rois de France«, der königlichen Ordonnanzen, das seit dem 18. Jahrhundert systematisch zusammengestellt wurde und bei dem es sich um unterschiedliche Dokumente handelt, seien es Erlasse, Beschlüsse oder Briefe, kann man aufgrund der Art der Dokumente den Eindruck gewinnen, dass die gesetzgeberischen Akte des Königs von Frankreich auf die Konstruktion eines Geldmonopols hingewirkt haben (S. 51).

Dieser bereits in der älteren Forschung ausgedrückten Auffassung folgt der Autor, während die neuere Politikgeschichte danach fragen würde, wer eine solche Münzpolitik konzipiert und umgesetzt hat, und dabei insbesondere die Rolle des Königs im Entscheidungsprozess relativiert, sowie danach, auf welche Weise und wo sie sich hat umsetzen lassen. Da das Interesse des Autors aber nicht auf der Politikgeschichte, sondern der Ökonomie liegt, übernimmt er eine souveränistische Sicht auf die wiederkehrenden Münzverschlechterungen und die Regulierungstätigkeit des französischen Königshofs.

Auf der Basis der edierten normativen Quellen und quantitativen Daten zum Münzwesen im Königreich Frankreich betrachtet Santiano nun die wiederkehrenden Münzentwertungen als durch politische wie wirtschaftliche Zusammenhänge gleichzeitig beeinflusstes Phänomen des späten Mittelalters. Sie sind eben nicht nur Ausdruck königlichen Geldbedarfs zur Kriegsführung, wobei sich diese Logik eigentlich nur auf drei Momente reduzieren lässt (unter Philipp IV., Johann dem Guten, dem Dauphin Charles) und vor allem induziert war durch unzureichende Edelmetallressourcen und die daraus resultierenden Preisschwankungen der Edelmetalle, welche den französischen Hof mit Blick auf die nötigen Anpassungen der Münzen an die Marktpreise immer wieder vor politische und ökonomische Herausforderungen gestellt hat.

Dieser Problematik nähert sich Santiano mittels eines mathematischen Modells, das im zweiten Kapitel entwickelt wird und das sich im Sinne der neoklassischen Theorie im Bereich der Wirtschaftswissenschaften als realistisches Modell versteht. Hier wird mittels der Mathematik demonstriert, dass im Allgemeinen das Münzsystem des späten Mittelalters eine hohe intrinsische Instabilität aufweist, weil es quasi unmöglich war, den kommerziellen und den legalen Kurs der Metalle auf einen Nenner zu bringen, da die Metalle von den Händlern als Ware betrachtet wurden, deren Kurs ständig schwankte.

Dem Fürsten blieb daher nichts anderes übrig, als den legalen Kurs der Metalle ständig an den kommerziellen Kurs durch reale oder nominelle Münzverschlechterungen oder -verbesserungen mit der Folge wirtschaftlicher Instabilität anzupassen. Im Speziellen wird das allgemeine Modell an den Fall von Münzverschlechterungen und -verbesserungen angepasst – realistisches Modell – und nach den Handlungsoptionen und -auswirkungen von realen und nominellen Münzveränderungen jeweils für Silber- und Goldmünzen befragt. Die logische Modellierung der verschiedenen Handlungsoptionen und -auswirkungen der Fürsten als Konsequenz des per se instabilen Münzsystems bieten eine Abstraktion von den wertenden Aussagen zeitgenössischer Quellen; allerdings bleibt die Modellierung für den Historiker doch eine idealisierende Form der Analyse, da hier nur gefunden wird – ohne darauf explizit zu verweisen –, was die neoklassische Theorie bereits in ihren Vorannahmen angelegt hat: die Nutzenmaximierung.

Bei alldem liegt sicherlich der größte Wert der Arbeit in der Synthese der quantitativen Daten, den Kapiteln fünf und sechs zu den Gründen der Münzaufwertungen und -abwertungen sowie der Typologie des ökonomischen Verhaltens gegenüber den Münzverschlechterungen und schließlich der Konzeption und Anwendung des erwähnten mathematischen Modells. Bei seiner Beurteilung müsste sich der Historiker bzw. die Historikerin aufgrund der anderen Fachtradition zurückhalten, wenn nicht deutlich würde, dass hier unter Ignoranz insbesondere der englischsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zum mittelalterlichen Münzsystem (The Big Problem of Small Change, Bimetallism) argumentiert wird.

Das formalisierte Modell des bimetallischen Münzsystems des Königreichs Frankreich hängt also in der Luft! Dieser Befund stellt aber nur ein Beispiel dafür dar, dass sich der Autor auf eine Bibliografie mit insgesamt unter 40 Titeln beschränkt hat, die lediglich die ältere französische Historiografie (Bautier, Bloch, Cazelles, Favier, Fournial, Heers, Renouard, Wolff) und einige weitere französischsprachige Aufsätze (de Roover, Grunzweig, Piron, van Werveke) umfasst. Das kann wissenschaftlichen Standards in der internationalen Wirtschaftsgeschichte nicht genügen.

Aus der Perspektive des Historikers bleibt nach dem Lesen der Studie der Eindruck zurück, dass hier der Versuch unternommen wurde, einen großen Bogen zu schlagen, der aber hinter den Möglichkeiten des Themas zurückbleibt.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Nils Bock, Rezension von/compte rendu de: Benoît Santiano, La Monnaie, le Prince et le Marchand. Une analyse économique des phénomènes monétaires au Moyen Âge, Paris (Classiques Garnier) 2018, 440 p., ISBN 978-2-406-07831-9, EUR 17,00., in: Francia-Recensio 2019/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.2.62824