Im Jahr des 500jährigen Reformationsjubiläums 2017 fanden in Jüterbog zwei Veranstaltungen unter dem Thema »Tetzel – Ablass – Fegefeuer« statt. Zum einen handelte sich dabei um eine Tagung, die am 29./30. April des Jahres abgehalten wurde. Zum anderen konnte in Mönchenkloster und Nikolaikirche der Stadt vom 8. September bis zum 26. November 2017 eine gleichnamige Ausstellung besichtigt werden. Das hier vorzustellende Werk stellt sowohl den Begleitband zur Ausstellung als auch den Sammelband zur stattgefunden Tagung dar.

In den zurückliegenden Jahren, gerade auch im Vorfeld des Jahres 2017, geriet die Frage des Ablasses und spätmittelalterlicher Frömmigkeit stärker in den Blick der Forschung1. In diesen Kontext ordnet sich auch der hier vorliegende Band ein.

Das vorliegende Buch stellt einen umfassenden Beitrag zu Johann Tetzel und dem Thema Ablass dar. Nach Grußworten und einem Vorwort der Herausgeber folgt eine Einleitung (S. 19–34), die einen Überblick der Forschung zu Tetzel und zum Ablass bietet. Daran anschließend gelangt eine Zeittafel zu den Lebensstationen Tetzels zum Abdruck (S. 37–41), die darum so bedeutsam ist, weil mit ihr sämtliche Momente, in denen Tetzel historisch fassbar in Erscheinung tritt, auf komprimiertem Raum dargestellt werden können.

Sodann wird in zwölf interdisziplinären Beiträgen das Leben und Wirken Tetzels, aber auch die Bedeutung des Ablasses für die spätmittelalterliche Frömmigkeit ausgeleuchtet. Zu Beginn beschäftigt sich Susanne Wegmann mit dem Cranach-Retabel in der Nikolaikirche zu Jüterbog (S. 45–56). Danach beleuchtet Frank Göse die Stadt Jüterbog um 1500 aus landes-, stadt- und kirchengeschichtlicher Perspektive (S. 57–73). Hartmut Kühne widmet sich der Entstehung der Tetzellegende im 16. und 17. Jahrhundert (S. 74–110). Daraufhin stellt Christine Schuchard die Frage: Was ist ein Ablasskommissar (S. 111–123)? Die Arbeitsweise Johann Tetzels innerhalb eines Netzwerks analysiert Peter Wiegand und geht der Frage nach, was diesen erfolgreich machte (S. 124–160).

Der Predigt und dem geistlichen Schrifttum im Leipziger Dominikanerkloster um 1500 gilt das Interesse von Volker Honemann (S. 161–177). Die Einbindung Tetzels in die Verbreitung des Livlandablasses in den Oberlausitzer Städten erforscht Petr Hrachovec (S. 178–194). Enno Bünz beschäftigt sich mit Johann Tetzel und Annaberg (S. 195–214). Die Probleme der Personalrekrutierung in den späten Ablasskampagnen analysiert Wilhelm Ernst Winterhager anhand von Johann Tetzel und dem Petersablass (S. 215–231). Michael Höhle untersucht den Dreiklang aus Universität Frankfurt, Ablassstreit und Johann Tetzel (S. 232–242). Oliver Duntzke und Falk Eisermann beschäftigen sich mit den Beichtbriefen und Formulardrucken für die Livlandkampagnen und für den Vertrieb des Petersablassens durch Arcimboldi (S. 243–266). Schließlich beleuchtet Ulrich Bubenheimer die Bedeutung der Druckerzeugnisse aus der Leipziger Offizin Melchior Lotters d. Ä. für den von Albrecht von Brandenburg vertriebenen Petersablass (S. 267–285).

Alle Beiträge zeichnen sich durch innovative Forschungsansätze bzw. durch die Vermittlung neuer Erkenntnisse aus. Bestechend sind dabei die Anhänge bzw. Editionsteile zu verschiedenen Beiträgen. Es wird ersichtlich, dass die Beitragenden intensive Forschungsarbeit in Bibliotheken und Archiven zur Vorbereitung ihrer jeweiligen Aufsätze geleistet haben, um das selbstgesteckte Ziel, eine Veränderung des Tetzelbildes, zu erreichen.

Hilfreich ist auch der Abdruck von Kartenmaterial, das eigens für den Band erstellt wurde (S. 287–299). Hierdurch werden die Lebensstationen Tetzels, sein Wirkungskreis während des Petersablasses und die Einzugsbereiche des Livlandablasses sowie der Vertrieb des Petersablasses anschaulich dokumentiert.

Schließlich gelangt eine Dokumentation zu den 21 Dokumenten zu Leben und Wirken Johann Tetzels zum Abdruck. Diese ist von besonderer Bedeutung für die Forschung, da hier erstmals alle bislang bekannten Quellen zu Tetzel in einer Zusammenschau geboten werden können. Sämtliche Dokumente werden dabei abgebildet und sodann durch erläuternde Texte beschrieben und in ihren Kontext eingeordnet. Teilweise werden auch Transkriptionen geboten. Dabei ist die hohe Qualität der Bilder hervorzuheben, die es ermöglicht, Texte teilweise im Original zu lesen.

Der Band leistet insgesamt mehr als die Tagung und die Ausstellung aus dem Jahr 2017. Denn es scheinen im Vergleich zur Tagung noch zwei Beiträge (von Duntzke/Eisermann sowie Bubenheimer) zusätzlich in den Band aufgenommen worden zu sein (vgl. dazu die Auflistung der Tagungsbeiträge, S. 31f.). Sodann können hier alle Dokumente zusammengestellt werden; auch diejenigen, die nicht in der Ausstellung 2017 gezeigt werden konnten. Dabei werden im Band die Titel jener Dokumente rot markiert, die als Ausstellungsstücke in Jüterbog zu sehen waren (vgl. dazu S. 32f.).

Der Band ist das Ergebnis intensiver Grundlagenforschung anhand bekannter und neu erschlossener Quellen. Den Beitragenden gelingt es darum eindrucksvoll, zu neuen wichtigen Erkenntnissen zu gelangen. Deshalb stellt der Band einen überaus bedeutsamen Beitrag zur Erforschung des Lebens und Wirkens Johann Tetzels sowie des Ablasses dar.

1 Vgl. z. B. Berndt Hamm, Ablass und Reformation. Erstaunliche Kohärenzen, Tübingen 2016.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jan Martin Lies, Rezension von/compte rendu de: Hartmut Kühne, Enno Bünz, Peter Wiegand (Hg.), Johann Tetzel und der Ablass. Begleitband zur Ausstellung «Tetzel – Ablass – Fegefeuer» in Mönchenkloster und Nikolaikirche Jüterbog vom 8. September bis 26. November 2017, Berlin (Lukas Verlag) 2017, 427 S., zahlr. farb. Abb., ISBN 978-3-86732-262-1, EUR 29,80., in: Francia-Recensio 2019/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.2.62945