Seyfried Rybischs Bericht über seine Grand Tour, zu verorten zu Beginn dieses Reisetyps um 1550, ist von Jean Hiernard zum ersten Mal auf der Grundlage der zwei in Wroclaw überlieferten Handschriften als französische Übersetzung des lateinischen Originals und versehen mit einem Vorwort von Willem Frijhoff herausgegeben worden1. Jean Hiernard, Professor für Alte Geschichte an der Universität von Poitiers und bekannter Numismatiker, hat neben Edition und Übersetzung auch eine substanzielle Einleitung sowie einen umfangreichen Apparat zusammen gestellt, der den Text vorbildlich erschließt. Es handelt sich um eines dieser langfristigen Projekte, die man mitten im Berufsleben beginnt (1992) und dann erst nach der Emeritierung zu Ende führen kann. Umso mehr ist zu begrüßen, dass dies hier gelungen ist.

Bei dem Bericht handelt es sich um ein frühes, aber insgesamt durchaus typisches Beispiel einer Grand Tour, die sich über mehr als sechs Jahre zieht und Rybisch zunächst nach Frankreich und anschließend nach Italien führt. »Man mag deshalb Schwellen des Wandels postulieren«, schreibt Werner Paravicini in der Einleitung zum Tagungsband »Grand Tour« aus dem Jahre 20052, als hätte er diesen Bericht vor Augen gehabt: »um 1400 tritt der Heidenkampf trotz Rhodos, Lepanto, Kreta in den Hintergrund; um 1500 erhalten Bäder und Universitäten eine neue Qualität, um 1550 ist die Antike als Reiseziel fest etabliert, während die Pilgerfahrt für weite Teile des protestantischen Europas in den Hintergrund getreten ist.«

Seyfried Rybisch, Sohn des Heinrich Rybisch, eines einflussreichen Rentmeisters Königs Ferdinands von Böhmen, gehörte zur reisefreudigen und nunmehr protestantischen Oberschicht des Breslauer Patriziats in der Mitte des 16. Jahrhunderts, wenn man z. B. an die Familien Rindfleisch und Popplau denkt, mit denen er teilweise auch verwandtschaftlich verbunden war. 1530 geboren, verlor er früh, mit 10 Jahren, die Mutter (Anna von Rindfleisch) und mit 14 dann auch den Vater. Doch das bis dahin vom Vater zusammengetragene Vermögen erlaubte Seyfried und seinen Geschwistern einen unbekümmerten Start ins Leben.

Er absolvierte eine humanistische Ausbildung ab 1545 in Straßburg, wohnte für zwei Jahre bei Martin Bucer und hörte später Vorlesungen bei Calvin in Genf. Er brach schon kurz nach seiner Rückkehr nach Breslau 1548 zu seiner ersten größeren Reise nach Frankreich auf, die ihn u. a. nach Paris, Orleans und insgesamt zwei Jahre nach Poitiers führte. Nach einer kurzen Rückkehr nach Breslau im Januar 1553 ging es schon im Frühjahr weiter auf eine längere Italienreise (bis 1555). Von Venedig aus erkundete er Norditalien bis nach Neapel, wobei er sich vor lauter antiken Monumenten und Inschriften, die er sorgsam notierte, gar nicht entscheiden konnte, wieder in die Heimat zurückzukehren.

Seyfried interessierte sich für alles, was alt ist oder alt zu sein schien, also vor allem Architektur, Grabmäler und Inschriften. Trotzdem bewahrt der Bericht den Charakter eines Itinerars, der auch die Zwischenstationen der Reise und die Meilenangaben vermerkt. Auf Seite 171, Anm. 50, versieht der Herausgeber die Identifikation des von Rybisch in der Bibliothek Mailänder Bibliothek Ambrosiana (D. 50 sup) beschrieben Papyrus zu Recht mit einem Fragezeichen, denn bei dem von ihm vorgeschlagenen Exemplar handelt es sich um einen Pergamentcodex aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. Das von Rybisch erwähnte Buch aber ist ein besonders altes Exemplar des Flavius Josephus, das in lombardischen Lettern und auf ägyptischer Baumrinde, also Papyrus, geschrieben sei. Es handelt sich dabei tatsächlich wohl um die in der dortigen Bibliothek aufbewahrte Papyrushandschrift Cimelio Ms. II/1(neue Signatur lt. Katalog S.P. 11/1) der »Antiquitates Iudaicae« (Lowe, CLA 3 304; TM 61316), die auch von verschiedenen Autoren in der frühen Neuzeit als wertvoller Besitz der Klosterbibliothek erwähnt und auf das 6. Jahrhundert datiert wird.

Für den italienischen Teil seiner Reisebeschreibung kopierte er umfangreich Alberti (»Descrittione di tutta Italia«, 1553), der ihm als Vorlage für die Niederschrift der Details zu Gebäuden und Sehenswürdigkeiten der besuchten Orte diente. Die eigenen Beobachtungen vermischten sich dabei mit den bekannten Beschreibungen und nur wenig Originelles scheint hier und dort auf. Immerhin traf er in Genua den berühmten Andrea Doria, lernte auf einer Flussfahrt, dass es durchaus gefährlich ist eine Muskete aus reiner Lust und Laune abzufeuern, wenn man auch Pferde mit an Bord hat, die dann das Schiff fast zum Kentern bringen und war zum Beispiel auch Augenzeuge des feierlichen Einzugs Heinrich II. in Paris (Juni 1549).

Doch weiß man nie, ob es sich bei Abweichungen von offensichtlichen Vorlagen (auch für den erwähnten Einzug) um Augenzeugenschaft oder schwindende Erinnerungen des Autors handelt, der die Notizen vermutlich erst in den 1570er Jahren zu einem – niemals gedruckten - Manuskript verarbeitet hat. Nebenbei, vor allem in Frankreich, studierte Rybisch auch, aber das hielt er zur Zeit der Niederschrift, viele Jahre nach der Reise, nicht mehr für besonders erwähnenswert. Er hörte vor allem juristische Vorlesungen, aber sein Interesse scheint schon damals auch dem Studium der Antike und vor allem den Inschriften gegolten zu haben. Ende 1554 oder Anfang 1555 kehrte Rybisch nach Breslau zurück und begann dort seine berufliche Laufbahn, die ihn bis zur Stellung eines kaiserlichen Rates für das Herzogtums Schlesien führen sollte.

Er starb 1584, nachdem er 1560 die zwölf Jahre jüngere Katharina Czeschau († 1572) geheiratet hatte, die ihm einige Kinder gebar und wohl im Kindbett noch vor dem 30. Lebensjahr starb. Ein liebvolles Epitaph von Rybisch ist für sie in der Elisabethkirche in Wroclaw überliefert, in der er auch selber seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

In der Einleitung des Herausgebers zum Reisebericht werden zunächst die Reisegefährten, dann die Personen, die Rybisch auf der Reise trifft und schließlich die Ereignisse, die ihm widerfahren, zusammenfassend dargestellt. Das Itinerar wird auch mit Hilfe von Karten visualisiert (S. 58–68). Die Genealogie der Familie Rybisch wird ausführlich referiert, aber der Erkenntnisstand der älteren Forschung3 wird nur zusammengefasst und kann nicht erweitert werden. Auch was die Frage eines Autografen unten den beiden überlieferten Manuskripten betrifft, ist der (mögliche) Handschriftenvergleich noch nicht vorgenommen worden.

Der eigentliche Wert des Berichts liegt sicher in der Augenzeugenschaft verschiedener Ereignisse, feierlicher Einzüge und Beobachtungen, die Rybisch auf seinen Reisen machte und die über die Literatur der Zeit hinausgehen. Der nunmehr erstmals veröffentlichte Text bietet einen guten und geradezu prototypischen Eindruck von einer Grand Tour um 1550 und schon aus diesem Grund sind die Edition und Übersetzung nebst Apparat sehr zu begrüßen. Die Übersetzung wird zudem durch eine umfangreiche Bibliografie sowie nützliche Anhänge zur Epigrafik und eine Konkordanz des Itinerars mit den 1574 herausgegebenen »Monumenta Sepulcorum« sowie einen Index ergänzt.

1 Der Text steht mittlerweile auch online zur Verfügung (https://books.openedition.org/ausonius/8645?lang=fr).
2 Werner Paravicini, Vom Erkenntniswert der Adelsreise, in: Rainer Babel, Werner Paravicini (Hg.), Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Sigmaringen 2005, S. 14.
3 Richard Foerster, Heinrich und Seyfried Ribisch, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 41 (1907), S. 181-240; Oskar Pusch, Die Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter in der Zeit von 1241 bis 1747, Bd. 3, Dortmund 1988.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jörg Wettlaufer, Rezension von/compte rendu de: Les voyages de Seyfried Rybisch, étudiant silésien. Itinéraire (1548–1554). Édition, traduction et commentaire par Jean Hiernard, Pessac (Ausonius Éditions) 2017, 503 p., 16 fig. (Scripta Receptoria, 9), ISBN 978-2-35613-191-1, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2019/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.2.62993