Die vorliegende Arbeit des jungen, an der Universität in Amsterdam lehrenden Historikers Jonas van Tol ist aus seiner Dissertation hervorgegangen. Das Buch greift ein oft behandeltes Thema der frühneuzeitlichen Geschichte auf: die religiösen und militärischen Auseinandersetzungen in Frankreich mit den Hugenotten. Schon in der bisherigen Literatur, auf die der Autor in seiner Einleitung gründlich eingeht, spielt dabei das Verhältnis zwischen den deutschen Fürsten im Westen des Reiches und den Franzosen, sowie auch die konfessionelle Neigung zur einen oder anderen Seite der militärischen Konfrontation eine Rolle.
Die neue Annäherung an das Thema in van Tols Buch besteht in einer Verbindung der Erkenntnisse der Diplomatiegeschichte und der Sozial- und Kulturgeschichte. Vor allem werden die oft als feste religiöse Gruppen gesehenen Konfessionen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hinterfragt, er stellt die Differenz zwischen religiöser Doktrin und religiöser Identität und persönlichem Glauben in den Vordergrund. Gleichzeitig bekämpft der Autor auch die »künstlichen Unterschiede« zwischen Religion und Politik für das 16. Jahrhundert. Sein Ausgangspunkt für die Beziehung der Deutschen zu den französischen Ereignissen ist eine transnationale, keine internationale Annäherung.
Grundlage der Arbeit waren Archivstudien in Frankreich und Deutschland (Stuttgart, Marburg, Weimar), wobei vor allem die Korrespondenz von zehn protestantischen Fürsten (Pfalzgraf Friedrich III. und Sohn Johannes Kasimir, Landgraf Philipp von Hessen und sein Sohn Wilhelm von Hessen-Kassel, Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar, Philibert von Baden, Christoph von Württemberg, Wolfgang von Zweibrücken, Wilhelm und Louis von Oranien) ein wichtiges Material für das Buch bildete. Dazu kamen noch Flugschriften und Pamphlete, durch beide Quellengattungen gemeinsam glaubt der Autor das volle Spektrum der Ideen erfasst zu haben.
Das erste Kapitel analysiert die Identität der deutschen Fürsten, mit ihrer Beziehung zu dem namengebenden Stammsitz ihres Haues, aber auch den anderen im Laufe der Zeit dazugekommenen Territorien. Die Fürsten des Rheinlandes waren stets multikulturell geprägt, der Einfluss von Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden war stark. Das Deutsche spielte für ihre Identität eine Rolle, einerseits weil der Protestantismus deutsch geprägt war, und andererseits weil seit dem Humanismus die »Germania« des Tacitus eine frühe Form von nationaler Zugehörigkeit geschaffen hat. An der durchlässigen Grenze des Reiches zu Frankreich gab es aber keine klare kulturelle Trennung zwischen deutsch und französisch.
Der nächste Abschnitt trägt zum Thema der Konfessionalisierung bei, van Tol stellt eine Verlagerung des Konfliktes zwischen Protestanten und Katholiken auf einen zwischen Lutheranern und Reformierten fest. Dies war besonders relevant, als Kurfürst Friedrich III. zu den Calvinern konvertierte – nicht zuletzt unter dem Einfluss der französischen Situation – wodurch er vom Augsburger Religionsfrieden 1555, der ja nur die Lutheraner und die Katholiken anerkannte, ausgeschlossen war.
Das dritte größere Kapitel beschäftigt sich mit dem Kampf um Sympathien der Bevölkerung und der Fürsten des Heiligen Römischen Reiches durch die Religionsparteien in Frankreich, die durch teilweise persönliche Korrespondenzen und die Besuche von Gesandten am Leben gehalten wurden. Doch einen bedeutsameren Einfluss übten die gedruckten Schriften aus, die im Widerspruch zu einander standen und entweder die katholische oder die calvinische Sicht vertraten.
Der vierte, zentrale Abschnitt des Textes, beschreibt die Vorschläge für einen Frieden in Frankreich. In der Naumburger Konvention 1561 machten die deutschen protestantischen Fürsten den Vorschlag die Kluft zwischen Calvinern und Katholiken durch den Protestantismus zu überbrücken. Zum Religionsgespräch in Poissy 1561 merkten die deutschen Fürsten an, dass man etwas Ähnliches wie den Augsburger Religionsfrieden in Frankreich etablieren sollte und damit Toleranz und freie Religionsausübung herrschen könnte. Nach 1567 setzte man mehr auf religiöse Toleranz, vor allem der Pfalzgraf und sein Sohn verlangten Religionsfreiheit für die Hugenotten, diesen Ideen schlossen sich auch lutherische Fürsten wie Sachsen, Hessen, Brandenburg und Württemberg an. Aber auch radikale Gegenströmungen traten auf, Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar etwa vertrat die Meinung, man solle die hugenottischen Rebellen vernichten.
Das nächste Kapitel ist der Eskalation des Konfliktes in den Jahren 1566/1567 gewidmet, wobei die Idee einer katholischen Verschwörung ins Zentrum trat. Diese Verschärfung der Spannungen in Frankreich lösten im Reich Ängste vor der Ausbreitung des Krieges oder auch vor einer Katastrophe für das eigene Territorium durch eine katholische Verschwörung aus.
Mehrere Beteiligungen am Krieg in Frankreich von Seiten deutscher Fürsten werden im Anschluss daran diskutiert, wobei konfessionelle Bindungen und der Verkauf von Söldnern an den Meistbietenden zur Debatte stehen. Nicht immer war die Teilnahme an den Feldzügen in Frankreich ungefährlich, Wolfgang von Zweibrücken erkrankte und starb im Feldlager in Nexon, Philibert von Baden fiel in der Schlacht von Moncontour und Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar verlor seine Herrschaft.
Die jahrelangen Spannungen und Kämpfe erreichten ihren Höhepunkt in der Bartholomäusnacht 1572, die ein gewaltiges mediales Echo in Europa auslöste. Aber dieses Ereignis stellt auch einen Wendepunkt der Beziehungen der deutschen Fürsten zu den Hugenottenkriegen dar.
Das Buch basiert, wie schon erwähnt, auf archivalischen Quellen und der reichen Literatur in englischer, französischer und deutscher Sprache. Es ist sehr klug und übersichtlich gegliedert und erleichtert durch die Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel die Orientierung. Die Arbeit betritt zwar kein absolutes Neuland, kann aber in vielen Punkten neue Akzente im Thema setzen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Karl Vocelka, Rezension von/compte rendu de: Jonas van Tol, Germany and the French Wars of Religion, 1560–1572, Leiden (Brill Academic Publishers) 2018, X–274 p., 9 fig. (St Andrews Studies in Reformation History), ISBN 978-90-04-33067-2, EUR 125,00., in: Francia-Recensio 2019/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.2.63005