Mit ihrer Geschichte des Parlements von Paris von seinen Ursprüngen im 13. Jahrhundert bis zu seinem durch die Französische Revolution ausgelösten Ende (die Chambre des vacations stellte ihre Tätigkeit am 15. Oktober 1790 ein) knüpfen Françoise Hildesheimer und Monique Morgat-Bonnet an ihre jahrzehntelangen intensiven Forschungen zur Geschichte dieses bedeutendsten französischen Gerichts des Ancien Régime an.

Ihre Zusammenarbeit hat sich neben Tagungsbänden auch in dem 2011 gemeinsam publizierten grundlegenden »État méthodique des archives du Parlement de Paris« niedergeschlagen. Für ihre Monografie können die beiden Autorinnen auf eine profunde Kenntnis der Originale der heute in den Archives nationales aufbewahrten umfangreichen, mehr als fünf Jahrhunderte umspannenden Archivalien des Parlements zurückgreifen, zu deren besserer Erschließung und Inventarisierung sie während ihrer Tätigkeit in diesem Archiv bzw. dem Centre d’étude d’histoire juridique (Université Paris II Panthéon-Assas) und in Zusammenarbeit mit diesem rechtshistorischen Forschungszentrum einen äußerst wertvollen und bemerkenswerten Beitrag geleistet haben.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Historiografie mit einer Vielzahl unterschiedlicher Facetten der langen Geschichte des Parlements beschäftigt. Dabei reicht das Spektrum von Arbeiten zu den ersten überlieferten Registern (Jean Hilaire) und zur Entwicklung des mittelalterlichen Prozessrechts (z. B. von Louis de Carbonnières zum Strafprozess, von Katia Weidenfeld zu den Anfängen von Verwaltungsrechts-Prozessen, von Serge Dauchy zu den appels flamands etc.) über politische Prozesse und die Biografien einzelner frühneuzeitlicher Juristen bis zum Thema des Parlements im Exil und Studien zur politischen und religiösen Bedeutung dieses obersten französischen Gerichts in der Zeit der Religionskriege und der Fronde.

Der Untertitel der Monografie, »Histoire d’un grand corps monarchique, XIIIe–XVIIIe siècle«, verweist auf einen zentralen Gesichtspunkt der hier vorgestellten Publikation: Im Mittelpunkt steht das Verhältnis des Parlements als Korporation bzw. als Gesamtheit zu den jeweiligen Herrschern. Politische Aspekte und familiäre und wirtschaftliche Interessen der entstehenden noblesse de robe spielen dabei eine große Rolle. Der Text stützt sich in vielen Passagen sehr stark auf Archivalien und verfügt über einen aktuellen ausführlichen Bibliografieteil, die Anmerkungen sind jedoch sehr knapp gestaltet.

Die Darstellung gliedert sich in fünf große Abschnitte, die aus mehreren Unterkapiteln bestehen. Von einem Epilog gefolgt, orientieren sich die ersten vier Teile an der Chronologie bzw. an Regierungszeiten, da der König unauflöslich mit dem Parlement verbunden gewesen sei und seine jeweilige Persönlichkeit einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der historischen Entwicklungen liefere (»l’une de ses grandes clés de lecture pertinentes«, S. 14). Dementsprechend wird jedes Unterkapitel durch eine kurze, zusammenfassende Charakterisierung des jeweiligen Herrschers und seiner Regierungszeit eingeleitet, die zu Beginn durch ein oder mehrere markante Zitate aus Texten der Zeit selbst oder aus späteren Beurteilungen oder literarischen Werken ergänzt wird (z. B. Zitate aus königlichen ordonnances, aus Werken von Commynes, Christine de Pizan, Corneille, Saint-Simon, Voltaire usw.).

Die beiden Unterkapitel des Epilogs enthalten eine zusammenfassende Präsentation des Parlements (Resümee seiner Organisation, der Aufgaben und der Funktion, Übersicht über die wichtigsten Etappen der Entwicklung des Prozessrechts und des französischen Rechts- und Gerichtswesens) sowie des Fortbestands und -wirkens von Bestandteilen seines Erbes im heutigen Frankreich. Dieser Teil des Buches eignet sich auch sehr gut als kurzgefasster Überblick bzw. als Einstieg in die Beschäftigung mit dem Parlement.

Insbesondere in dem der Frühen Neuzeit gewidmeten Teil finden mit dem Parlement und seiner Geschichte vertraute Leserinnen und Leser zahlreiche Auseinandersetzungen mit Thesen der Historiografie der vergangenen Jahrzehnte und der Gegenwart, die hochinteressante Diskussionsanregungen und Aufforderungen zu Neubewertungen und Nuancierungen enthalten. So dürfe man beispielsweise die Aktivitäten des Parlements nicht zu einseitig unter dem Blickwinkel der Auseinandersetzungen der Fronde und der Vorläufer- oder Gegnerrolle in Bezug auf Gedanken der Französischen Revolution betrachten.

Der erste Abschnitt präsentiert die Vorgeschichte des Parlements, seine Herkunft, Ursprünge unter Merowingern, Karolingern und deren Nachfolgern. Der zweite Teil beginnt mit der Regierungszeit Ludwigs IX. des Heiligen (1226–1270) und endet mit der Karls VII. (1422–1461). Er beschäftigt sich u. a. mit dem allmählichen Heraustreten des Parlements aus der Curia regis und seiner Entwicklung zu einer eigenständigen Institution. Diese Entwicklung schlug sich in den seit 1254 überlieferten ersten Registern nieder, die nach dem Anfangswort des zweiten Bandes als »Olim« bezeichnet werden. Im Laufe der Zeit wurde die persönliche Anwesenheit des Königs immer seltener. Das Parlement sprach Recht in seinem Namen. In der schwierigen Krisenzeit des Hundertjährigen Krieges und des Konflikts zwischen Armagnacs und Bourguignons bewährte es sich als Garant der Stabilität und des gefährdeten Zusammenhalts des Königreichs.

Der dritte Großabschnitt setzt mit der durch einen autoritären Regierungsstil gekennzeichneten und als Zäsur verstandenen Regierung Ludwigs XI. (1461–1483) ein und reicht bis zum Ausgang der Epoche Ludwigs XIV. (1715). Der vierte Teil endet mit der Aufhebung des Parlements in der Französischen Revolution. Für die Frühe Neuzeit werden besonders Veränderungen im Verhältnis des Königs zum Parlement durch die mit dem Aufkommen des Protestantismus, den Religionskriegen, dem Jansenismus und den manchmal divergierenden Interpretationen des Prinzips des Gallikanismus verbundenen Konflikte thematisiert. Im Laufe seiner Existenz kam es immer wieder zur Konkurrenz des Parlements mit anderen königlichen Institutionen, insbesondere dem Conseil, der ebenfalls Rechtsprechungsfunktionen wahrnahm, und zu Auseinandersetzungen über das Recht der évocation.

Das Parlement spielte zeitweise eine wichtige politische Rolle. Es sah sich als Garant der Verfassungsordnung sowie des Rechts und übte über das Recht der Registrierung (enregistrement) und vor allem der Formulierung von Einwänden (remontrances) eine Kontrolle über die königliche Gesetzgebung und Verordnungstätigkeit aus, die der König oder wichtige Persönlichkeiten wie der Kardinal-Minister Richelieu immer wieder zu beschränken versuchten. Insgesamt gesehen handelt es sich um ein sehr gut lesbares, informatives Buch zur Geschichte des Parlements in der longue durée, das dessen Tätigkeit in den Gesamtkontext der Geschichte des französischen Königtums und seiner zahlreichen politischen Wechselfälle einbettet.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Gisela Naegle, Rezension von/compte rendu de: Françoise Hildesheimer, Monique Morgat-Bonnet, Le Parlement de Paris. Histoire d’un grand corps de l’État monarchique, XIIIe–XVIIIe siècle, Paris (Honoré Champion) 2018, 830 p., 16 p. de pl. (histoire et archives, 16), ISBN 978-2-7453-4812-8, EUR 45,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66334