Das vorliegende Buch ist der erste Teil einer auf zwei Bände angelegten Stadtgeschichte des vormodernen Köln und umfasst die Periode von der antiken Stadtgründung bis zum frühen 12. Jahrhundert. Es ist das Anliegen des Verfassers, die Geschichte der Rheinmetropole auf der Grundlage des neuesten Forschungsstandes dem englischsprachigen Publikum zu vermitteln. Als Charakteristikum dieser Epoche der Kölner Stadtgeschichte identifiziert Joseph P. Huffman die Nähe zum Kaisertum: »The imperial city of Cologne«. Diese These hat zur Folge, dass er sich bestimmten Phasen der Stadtgeschichte besonders intensiv zuwendet: der Gründungsgeschichte Kölns in der Zeit des Augustus, der Erhebung zur Kolonie durch Claudius, der Kooperation zwischen Erzbischof Hildebald und Karl dem Großen sowie der Geschichte der ottonisch-salischen Reichsbischöfe.
Daraus ergibt sich ebenso ein Schwerpunkt auf der politischen Ereignisgeschichte, in die die topografische Entwicklung Kölns nur am Rande eingeflochten wird. Der Verfasser erkennt demgemäß keinen substantiellen Bruch zwischen der Antike und dem Mittelalter, da Köln in beiden Epochen von der engen Nähe zum Kaisertum profitiert habe. Die Zeit der Völkerwanderung habe keine Unterbrechung in der urbanen Struktur Kölns herbeigeführt. Verantwortlich für diese »stable continuity amid significant change« (S. 73) sei der Bischof gewesen, unter dessen Führung die Franken und Romanen ähnlich friedvoll zusammengelebt hätten wie einst die Ubier und Römer. Ungeachtet dieser Kontinuität schreibt der Verfasser den ottonischen Erzbischöfen die Rolle als zweite Begründer der Stadt zu (S. 231).
Vor allem Erzbischof Brun von Köln begegnet, trotz seiner kurzen Amtszeit von zwölf Jahren, als »Prototyp« (S. 116) der Reichskirche und der anderen Kölner Erzbischöfe. Auf ihn gehe nicht nur die Anlage des Heumarktes, sondern auch die Ausgliederung des städtischen Bannbezirkes und die Einteilung in Pfarrgemeinden zurück. Zuletzt bringt der Verfasser auch die Entstehung der Stadtgemeinde in engen Bezug zur Reichsgeschichte: Die Formierung von genossenschaftlichen Strukturen wäre nicht denkbar gewesen ohne die Konflikte im Investiturstreit, die eine Stärkung der Städte gegenüber den in ihnen residierenden Erzbischöfen zur Folge gehabt hätten. In Köln sei dabei aber vieles anders verlaufen als in den übrigen europäischen Städten, z. B. hinsichtlich der Bedeutung der Sondergemeinden.
Das vom Verfasser anvisierte Ziel des ersten Bandes seiner Kölner Stadtgeschichte kann als gelungen bezeichnet werden. Das Buch beruht auf neuester Forschungsliteratur (einschließlich Publikationen von 2018 zu archäologischen Funden) und gibt einen verlässlichen Überblick über die ersten 1000 Jahre der Rheinmetropole.
Nur gelegentlich machen sich Ungenauigkeiten bemerkbar, was aber bei der großen Zeitspanne nicht verwundern kann. Als Beispiel seien die Informationen zur Kirche St. Gereon genannt, die als cella memoriae für den Heiligen aus dem 4. Jahrhundert bezeichnet wird, obwohl es sich doch um ein Mausoleum für einen hohen Funktionär handelt und der legendäre Soldatenheilige Gereon erst im frühen 8. Jahrhundert bezeugt ist. Auch bei der (zugegebenermaßen) verzwickten Forschungsgeschichte zu den Vorgängerbauten des Kölner Doms werden zuweilen unterschiedlich alte und nicht miteinander kompatible Forschungspositionen aufgegriffen (z. B. S. 70: Doppelchoranlage aus dem 6. Jahrhundert; S. 81: aus dem 8. Jahrhundert). Erzbischof Hildebert war nicht Kanzler (S. 79), und Hilduin nicht Kandidat Karls des Kahlen (S. 82).
Zu anderen Fragen wird vielleicht das Urteil zu kategorisch gefällt: so etwa zur römischen Kontinuität im 5. Jahrhundert oder zur fürstbischöflichen Qualität der Erzbischöfe des 10. Jahrhunderts. Besonders schmerzhaft vermisst der Leser aber Karten und Abbildungen. Allein auf S. 6 befindet sich eine dürftige Karte von den Pfarrgemeinden Kölns, die aber in der Untersuchung selbst keine Rolle spielen. Die Ausdehnung des römischen und frühmittelalterlichen Köln ist ebenso wenig greifbar wie wichtige archäologische Funde oder rekonstruierte Kirchenbauten. Angesichts des stolzen Ladenpreises ist dies ein sträfliches Versäumnis von Seiten des Verlags.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Karl Ubl, Rezension von/compte rendu de: Joseph P. Huffman, The Imperial City of Cologne. From Roman Colony to Medieval Metropolis (19 B. C.–1125 A. D.), Amsterdam (Amsterdam University Press) 2018, 280 p. (The Early Medieval North Atlantic, 2), ISBN 978-94-6298-822-4, EUR 90,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66335