Mit dem vorzustellenden Werk nähert sich nach mehr als hundert Jahren Beschäftigung mit den »Constitutiones« Ludwigs des Bayern das Ende dieses Unterfangens, steht doch jetzt nur noch der letzte, den Jahren 1344 bis 1347 gewidmete Band aus. 501 Nummern umfasst die vorliegende Publikation, Urkunden und Regesten aus dem Zeitraum vom 4. Januar 1340 bis zum 17. Dezember 1343, die meisten der im Volltext gebotenen Stücke in deutscher Sprache und alle in der gewohnten Qualität einer MGH-Edition. Erschlossen wird der Band durch ein von Jan Kunzek erstelltes Namenregister.
Die Zeit um und nach 1340 stellt so etwas wie die Peripetie von Ludwigs Herrschaft dar, die gegen Ende der dreißiger Jahre auf einen gewissen Höhepunkt gelangt war durch den Rückhalt, den der Kaiser damals im Reich besaß. Trotz des Umschwungs gab es natürlich politische Kontinuitäten wie etwa das gute Verhältnis zu den kurpfälzischen Verwandten oder die Landfriedenspolitik. Eine Fortsetzung gab es auch in dem Bemühen um eine Annäherung an das Papsttum, ein Unterfangen, das – ebenfalls eine Kontinuität – ohne Erfolg blieb. Zu all diesen Unternehmungen liegen jetzt zusätzliche Nachrichten in einer modernen Edition vor. Der historisch wichtigste Aspekt jedoch dürfte sich aus jenen Änderungen seit 1340 ergeben, die mit einem Ansehensverlust des Kaisers einhergingen. Sie resultierten aus einer expansiven Territorialpolitik, die Interessen anderer schädigte und im Falle Tirols wohl auch das moralische Empfinden mancher Fürsten traf und daher weiterreichende Auswirkungen hatte.
Innerhalb Bayerns selbst gelang zwar, ohne große Konflikte und begünstigt durch dynastische Zufälle (durch das Aussterben einer wittelsbachischen Linie), die Einbeziehung des niederbayerischen Raums in die bayerische Herrschaft Ludwigs und seiner Familie (was aber noch lange nicht zu einem geschlossenen bayerischen Herrschaftsgebiet führte, da man an der Teilungspraxis festhielt). Der (letztlich nur vorübergehende) Erwerb Tirols hingegen belastete nicht nur das Verhältnis zu den geschädigten Luxemburgern, sondern wirkte sich auch auf die allgemeinen Verhältnisse aus. Dass der Kaiser, wenn auch gestützt auf (anderweitig edierte) Gutachten seiner gelehrten Parteigänger Wilhelm von Ockham und Marsilius von Padua, eventuell die Kompetenz zur Scheidung der Ehe Margarethe »Maultaschs«, der Erbin Tirols, von ihrem luxemburgischen Gemahl beanspruchte (Nr. 988) und dann auch noch zur Förderung von deren neuer Ehe mit seinem eigenen Sohn die Dispens wegen zu naher Verwandtschaft erteilte (Nr. 989), widersprach allen Rechtsgewohnheiten und ‑traditionen und bedeutete zweifellos einen Übergriff auf den kirchlichen Zuständigkeitsbereich. Ob es sich bei diesen Urkunden jedoch nur um Entwürfe handelt oder ob sie wirklich rechtskräftig geworden sind, geht aus der Edition nicht klar hervor. Der zweimalige lapidare Hinweis »Entwurf eines Hofgerichtsurteils nach Marsilius von Padua« (S. 212 u. 214) dürfte dem mit der Materie Unvertrauten kaum genügend Aufschluss bieten. Dass sich der Papst, dem die an Ludwigs Hof geführte Diskussion über die kaiserliche Scheidungskompetenz offenbar zu Ohren gekommen war, auch wenn es nicht zu entsprechenden Handlungen gekommen sein dürfte, durch solche Vorgänge düpiert fühlen musste, versteht sich von selbst. So wurde durch diese Anmaßung des Kaisers – in Verbindung mit den übrigen, die Päpste betreffenden Konflikten – der etwas später erneut angestrebte Ausgleich mit dem Papsttum (Nr. 1149) unmöglich. Vor dem Hintergrund dieses Ausgleichsbemühens ist im Übrigen auch Ludwigs außenpolitischer Kurswechsel weg von Edward III. von England, dem das 1338 übertragene Reichsvikariat im April 1341 entzogen wurde (Nr. 885, vgl. 857), hin zu Philipp VI. von Frankreich (Nr. 854) zu verstehen, wurde der französische König doch sofort als Vermittler beim Papst tätig (Nr. 874). Eine besondere Stringenz der kaiserlichen Politik lässt sich in solch widersprüchlichem Handeln und sich gegenseitig hemmendem Vorgehen allerdings nicht erkennen.
Ein besonderes Stück, das offenkundig vor allem vor dem Hintergrund moderner Umweltdiskussionen in die Sammlung aufgenommen worden ist, diente dem Ressourcenschutz (Nr. 762), verbot der Kaiser doch im Juli 1340 wegen der grozzen gebresten am Nürnberger Reichswald, verursacht von den colern, aber auch wegen anderer Schäden (von andern gebresten) die Nutzung des Forstes für die Köhlerei und Glasherstellung sowie die dazu nötige Holz-, Harz- und Pechgewinnung ewiglichn. Freilich sollte man hier die Parallele nicht allzu intensiv und allzu lang ziehen. Ob die geäußerte Sorge der kaiserlichen Sachwalter wegen der Waldschäden einen »ökologischen Protest der Fachleute« (S. XI) darstellte, ist doch wohl eher unwahrscheinlich und bedürfte zumindest einer eingehenden Untersuchung, zumal moderne Probleme und Begriffe selten mittelalterliche Verhältnisse zu erklären vermögen und damals Natur wie Umwelt gegenüber dem Menschen zumeist überlegen und oft bedrohlich waren. Trotzdem aber oder gerade deshalb ist der Fall bemerkenswert, und man wüsste gern, ob und, wenn ja, wie viele Vergleichsfälle es gibt.
Insgesamt bietet der Band erstmals bzw. erstmals kritisch oder an entlegener Stelle edierte Dokumente und ermöglicht dadurch sowohl eine besser fundierte Beschäftigung mit der Geschichte Ludwigs des Bayern als auch in manchen Fällen die Verfolgung ganz neuer Fragestellungen. Man kann daher nur hoffen, dass die Ankündigung eines baldigen Erscheinens des letzten Bandes der »Constitutiones« des wittelsbachischen Kaisers rasch Wirklichkeit wird.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Franz-Reiner Erkens, Rezension von/compte rendu de: Michael Menzel (Bearb.), Constitutiones et acta publica imperatorum et regum. Dokumente zur Geschichte des Deutschen Reiches und seiner Verfassung. 1336–1344 (1347). Teil 2: 1340–1343, Wiesbaden (Harrassowitz Verlag) 2019, XLIV–404 S. (Monumenta Germaniae Historica. Leges, 5, 7, 2), ISBN 978-3-447-10072-4, EUR 120,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66344