Der amerikanische Kunsthistoriker Thomas Crow, ein ausgewiesener Experte der französischen Malerei der Sattelzeit, geht der Frage nach, wie einige der bekanntesten Maler der Zeit auf den Untergang des napoleonischen Kaiserreichs und die ersten Jahre der Restauration reagierten. Natürlich gab es – wie bei jedem politischen Umbruch – in dieser Phase Verlierer und Gewinner, je nach politischer Positionierung und Involvierung in das Empire. Das Buch besteht aus sechs Kapiteln, die nur auf den ersten Blick unverbunden zu sein scheinen, denn es werden immer wieder Bezüge zwischen den einzelnen Beiträgen hergestellt. Zum einen, weil sich Vernetzungen zwischen Meistern und Schülern spiegeln, zum anderen, weil die Künstler mit ihren Bildern Bezüge zu den Werken anderer Maler herstellten: entweder in inniger Feindschaft oder in großer Bewunderung.

Am Beginn seiner Forschungen stand für Crow das Schicksal Jacques Louis Davids. Der Maler revolutionärer Helden (»Der Tod des Marat«), und des berühmten »Sacre«, die zehn mal sechs Meter große, monumentale Darstellung der Kaiserkrönung, musste nach den Hundert Tagen Frankreich verlassen, gemeinsam mit all jenen, die im Konvent für den Tod Ludwigs XVI. gestimmt hatten. Der ehemalige Hofmaler Napoleons, dem wir eine Reihe der berühmtesten Portraits des Kaisers verdanken, ging ins Exil nach Brüssel, wo er fortan Bilder mit emotionalem Pathos von Ausgestoßenen und Vertriebenen schuf, wie den »Zorn des Achilles«. Die Einladung Wilhelm von Humboldts nach Berlin zu kommen, um dort eine Nationalgalerie aufzubauen, lehnte er ab (S. 54).

Für Thomas Lawrence, den ersten englischen Hofportraitisten, brachte der Sieg der Alliierten über Napoleon hingegen eine weitere Karrieresteigerung. Sein guter Freund Charles Stuart, ein britischer Diplomat und Schwager des Außenministers Castlereagh, vermittelte ihn als Portraitist der Sieger. Frisch nobilitiert, reiste er auf den Kontinent und malte während des Aachener Kongresses 1818 die Machthaber der Restauration, unter anderem den russischen Zaren und Fürst Metternich, in Rom dann Papst Pius VII. und seinen engsten Berater Consalvi in den wärmsten Farben.

Lawrence verglich sein Gemälde des Papstes mit demjenigen Davids von 1807 und glaubte, mit seinem Bild die Überlegenheit der englischen Malerei über die des Kontinents bewiesen zu haben. Im Hintergrund seines Papstportraits erkennt man die Lakoongruppe und den Apoll vom Belvedere. Beide Kunstwerke waren zuvor als Raubkunst lange im Louvre zu bewundern gewesen. Nach 1815 wurden die italienischen Kunstwerke wieder triumphal zurückgeführt. Auf jeden Fall ging Lawrence davon aus, dass kein Bild ihn berühmter machen würde, als das Portrait des aus dem Exil zurückgekehrten Papstes (S. 120). Für zahlreiche seiner Portraits wurde nach Lawrence Tod im Schloss von Windsor mit der »Waterloo Chamber« eine eigene Galerie geschaffen, um so den Triumph über Napoleon zu feiern. David hatte sich hingegen geweigert, Wellington zu malen. Von ihm ist die Aussage überliefert, er würde er sich eher die Hand abschneiden, als einen Engländer zu malen (S. 59).

Auch Jean-Auguste-Dominique Ingres schlug sich mit Begeisterung auf die Seite der Sieger. Während des Empire wenig beachtet und isoliert, malte er in den Jahren nach 1815 Historiengemälde, wie »Leonardo stirbt in den Armen von Franz I.«, welche die restaurierte französische Krone symbolisch überhöhten. Der Monarch wurde hier zum Mäzen der italienischen Kultur stilisiert. Ingres konzentrierte sich bewusst auf Themen wie Ritterlichkeit sowie königliche Legitimität als europäische Norm. Mit seinen Gemälden vermittelte er die erstarkte Kirche als Stütze der Throne. Folgen wir Crow, dann überhöhte Ingres symbolisch den Feudalismus.

Doch nicht alle berühmten Künstler der Zeit verherrlichten die restaurierten Königreiche. An den Beispielen von Francesco Goya und Théodore Géricault zeigt der Autor, dass sie die Gräuel des Krieges und die menschverachtende Ausnutzung der Macht mit ihren Bildern kritisierten. Goya malte 1812 im Auftrag der liberalen Regierung von Cadiz zwei Gemälde, die den berühmten Volksaufstand der Spanier gegen die französische Besetzung am 2. Mai 1808 in Madrid thematisierten. Dabei glorifizierte er diesen Kampf nicht einseitig, sondern zeigte die Grausamkeit der Kampfhandlungen und die Endlichkeit menschlichen Lebens, den Tod. Die zurückgekehrten spanischen Bourbonen fanden keinen Gefallen an den patriotischen Bildern und setzten die Inquisition auf Goya an, einerseits wegen Kollaboration und andererseits aus moralischen Gründen, wegen der Darstellung der nackten Maja.

Auch Géricaults bekanntestes Bild »Das Floss der Medusa« interpretiert Crow als Allegorie auf die Restauration. Die Medusa, die mit zahlreichen Staatsdienern und dem neuen Gouverneur auf dem Weg zum Senegal war, um dort die französische Herrschaft aufzubauen und den Sklavenhandel fortzuführen, lief auf Grund. Die Schuld für das Unglück wurde dem unfähigen und unerfahrenen Admiral Hugues de Chaumarey gegeben, ein Aristokrat, der mit Ludwig XVIII. aus dem Exil zurückgekehrt war. Talentiertere und erfahrenere Offiziere Napoleons waren seinetwegen zur Seite geschoben worden. Von den 400 an Bord Anwesenden, passten 150 nicht in die Rettungsboote und wurden auf einem Floss ausgesetzt, von denen nur 15 überlebten. Der Skandal war perfekt. Géricault warf den Trägern der Uniform des Königs einen Anschlag auf die Menschlichkeit vor. Die Uniformen malte er am rechten Bildrand funktionslos, ohne ihre Träger. Die Menschen auf dem Bild bilden eine Pyramide an deren Spitze ein junger Farbiger als Held die Gruppe rettet, indem er mit seiner Hand die Helfer herbeiwinkt. Crow interpretiert diese Szene als den Sieg des Individuums über den Rang. Die Restauration wird hier gleichsam »entrestauriert« (S. 187).

Crows Buch bietet spannende, überzeugende und kenntnisreiche Interpretationen von bekannten Bildern der frühen Restaurationszeit. Die zahlreichen Farbabbildungen sind von hervorragender Qualität. Für Historiker mögen seine Bildbeschreibungen partiell etwas arg »blumig« sein. Anregend ist das Buch aber in jedem Fall, weil es sehr schön zeigt, wie Künstler mit ihren Themenwahlen und der Ausführung von Bildern im wörtlichen Sinn Politik machen konnten und können. Crow hilft uns genauer hinzusehen und vermittelt so intensive Einblicke in eine politische Krisenzeit. Dabei zeigt er immer mit aller Deutlichkeit, dass und wie sich die Künstler und ihre Auftraggeber in einem europäischen Referenzrahmen bewegten.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Gabriele B. Clemens, Rezension von/compte rendu de: Thomas Crow, Restoration. The Fall of Napoleon in the Course of European Art, 1812–1820, Princeton, NJ (Princeton University Press) 2018, 200 p., 160 col., 12 b/w ill. (The A. W. Melllon Lectures in the Fine Arts. Bollingen Series, 64), ISBN 978-0-691-18164-6, USD 39,95., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66368