Das Thema Bad hat Konjunktur. Nicht nur mit Blick auf die internationale Wellness-Szene, sondern auch in der Forschung. Dies belegen neben Publikationen zu einzelnen Bädern und Aspekten der Badekultur auch die vermehrte Restaurierung historischer Badstuben mit begleitender Bauforschung ebenso wie einschlägige Sonderausstellungen. In ihrer Einleitung in den vorliegenden, auf eine Tagung am Institut für Kunstgeschichte der Universität Münster vom Dezember 2014 zurückgehenden Sammelband geben Kristina Deutsch, Claudia Echinger-Maurach und Eva-Bettina Krems einen exzellenten Überblick über den Forschungsstand, der weit über das engere Thema des Bandes hinausreicht. Dabei geht es nicht zuletzt um die verbreitete, sich u. a. auf Norbert Elias’ »Prozess der Zivilisation« (1939) stützende Ansicht einer badefeindlichen Vormoderne. Die 16, in vier chronologisch-thematische Abschnitte gegliederten Beiträge des Bandes zeigen, dass diese These einer erneuten Diskussion bedarf.

Hubertus Günther, »Badekultur in der italienischen Renaissance« (S. 25–45), behandelt die vielfältigen Formen privater und öffentlicher Renaissance-Bäder vom mobilen Badezuber bis zum reich ausgestatteten Badeappartement. Dabei macht er auch auf Interdependenzen mit der örtlichen Wasserversorgung aufmerksam. Inwieweit sich von der malerischen Ausgestaltung, etwa mit Ignudi, auf eine (teilweise) Funktion eines Raumes als Bad rückschließen lässt, wie Günther am Beispiel der »Camera degli Sposi« postuliert, muss weiteren Forschungen vorbehalten bleiben.

Jens Niebaum, »›I bagni così son da ordenare‹: Vitruv, die balnea und die Architekten der Renaissance« (S. 46–65), beleuchtet an Beispielen wie dem Palazzo Ducale in Urbino oder Sangallos Projekt für die Villa Cervini die Vitruv-Rezeption bei der Anlage von Schlossbädern. Seine Analyse der Bauprojekte macht das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis und das jeweilige Vitruv-Verständnis von Architekten und Bauherren deutlich.

Sabine Frommel, »Sebastiano Serlios ›padiglione al costume di Franza‹ in Fontainebleau und sein Beitrag für die Entwicklung der Badekultur am französischen Hof« (S. 66–88), stellt Serlios spektakuläres Projekt einer von antiken Thermen inspirierten Badegrotte für den Schlosspark in Fontainebleau vor. Obwohl nie realisiert, beeinflussten Serlios Entwürfe über ihre Aufnahme in das »Sesto Libro« seiner Architekturlehre Frommel zufolge die Entwicklung derartiger Badepavillons in Frankreich.

Stephanie Hanke, »Zwischen Orient und Okzident: Bäder und Badekultur in Genua im 16. und 17. Jahrhundert« (S. 89–103), widmet sich den Badeanlagen in Genueser Palästen. Ihre differenzierte Raumgestalt und aufwendige Ausstattung interpretiert sie als bewusste Verbindung antiker und orientalischer Badekultur.

Anne Bloemacher, »Das erste Bad Maximilians I. in der Historia Friderici et Maximiliani« (S. 107–127), deutet die um 1508/1514 entstandene Illustration der Legende vom wundersamen ersten Bad Maximilians I. vor dem Hintergrund zeitgenössischer Kinder-Badesitten und zeigt Verbindungen zu Darstellungen aus der Kindheitsgeschichte Mariens und Jesu auf. Das profane Säuglingsbad werde damit im Sinne der Herrschaftslegitimation sakralisierend überhöht.

Kristina Deutsch, »›Balnea, vina, Venus corrumpunt corpora nostra‹? Die Badstube der Burg Trausnitz in Landshut« (S. 128–145), unterstreicht die einst zentrale Stellung von Bädern im höfischen Alltag am Beispiel der nach Umbauten nahezu vergessenen Badstube auf Burg Trausnitz. Ihre akribische Analyse der baulichen Spuren führt zu einer neuen Deutung des »Italienischen Anbaus« und seines Vergnügen und Moral gewidmeten Bildprogramms.

Sophie Mouquin, »›Cet appartement est dédié à la magnificence, & fait une des sept merveilles de Versailles‹: Das Appartement des bains Ludwig XIV. in Versailles« (S. 146–169), räumt mit dem Mythos des bäderfreien Versailles auf. So besaß das Schloss ein luxuriöses, nach 1684 als Maitressenwohnung umgestaltetes Badeappartement, dessen marmorne Ausstattung Mouquin im Sinne der Materialsymbolik deutet.

Jan Pieper, »Das Fürstenbad im Palazzo Ducale von Sabbioneta (1554–1591)« (S. 170–188), lokalisiert anhand baulicher Merkmale die vergleichsweise bescheidene Badstube Vespasiano Gonzagas im Dachgeschoss des Palasts. Sie diente neben der körperlichen Pflege des kranken Herzogs Pieper zufolge auch als Demonstration seiner derart »stilisierten Demut« (S. 188).

Margot Thun-Rauch, »Die Badewanne der Philippine Welser: Gesundheit und Genuss« (S. 191–203), widmet sich mit der Ambraser Badstube einem der besterhaltenen Schlossbäder nördlich der Alpen. Die bauliche und bildliche Ausstattung verweist nach Thun-Rauch auf eine doppelte Funktion als Ort der Gesundheitspflege und des ästhetischen wie körperlichen Genusses.

Sigrid Ruby, »Macht und Ohnmacht des Privaten: Die Gemälde der dames au bain« (S. 204–225), diskutiert den um 1570 entstandenen Bildtypus der »Dame(s) au bain«vor dem Hintergrund profaner Bade-Ikonografie und christlichen Bildtraditionen. Dabei deutet sie die Gemälde als bewusste Exposition des Privaten.

Ilaria Hoppe, »Baden in Florenz: Kunst, Körper und Medizin« (S. 226–239), zeigt die Kontinuität privater und öffentlicher Bäder in der Arnostadt in der Frühen Neuzeit auf. Vor allem die Palastbäder der weiblichen Mitglieder der Medici-Familie waren aufwendig dekorierte Räumlichkeiten, die neben der Repräsentation nachweislich auch der körperlichen Regeneration dienten.

Vera Herzog, »Baden für die Dynastie: Die Symbolik des fürstlichen Badepavillons am Beispiel der Łazienka in Warschau und der Münchner Badenburg« (S. 240–259), deutet die beiden barocken Badepavillons als multifunktionale Bauten, die besonders den männlichen Familienmitgliedern neben der körperlichen Erholung als Musentempel (Warschau) und repräsentative Festlokalität (München) dienten, worauf auch die künstlerische Ausgestaltung verweist.

Claudia Echinger-Maurach, »›Mona Lisa im Bade‹: Das Appartement des bains im Schloss Fontainebleau« (S. 263–286), wirft neues Licht auf die Ausstattung eines der berühmtesten Schlossbäder der Renaissance. Diese rekonstruiert sie als ein wohldurchdachtes, auf Franz I. bezogenes Ensemble verschiedener künstlerischer Medien, wobei sich die »Mona Lisa« jedoch nicht letztgültig verorten lässt.

Antje Scherner, »Ein Bad ohne Wasser? Das Marmorbad in Kassel und die Kasseler Bäder der Frühen Neuzeit« (S. 287–309), kann anhand neuer Analysen nachweisen, dass das lange als reines Schaubad geltende Marmorbad tatsächlich als funktionsfähiger Badepavillon geplant war. Aufschlussreich ist Pascolis Vita des Bildhauers Pierre-Étienne Monnot (1736), die hier erstmals in deutscher Übersetzung wiedergegeben ist.

Guillaume Nicoud, »Le bain de Catherine II au palais d’Hiver de Saint-Pétersbourg« (S. 310–323), beleuchtet am Beispiel Katharinas II. die interkulturellen Dimensionen des höfischen Bades. In ihrem Privatbad im Untergeschoss des Winterpalasts verband die Zarin ost- und westeuropäische Badetraditionen.

Ralf Richard Wagner, »Die ›Maison de bain‹ des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz« (S. 324–339), behandelt den um 1768–1772 errichteten Badepavillon im Schlossgarten von Schwetzingen. Der innen reich dekorierte, frühklassizistische Bau mit angrenzendem Privatgarten diente dem Kurfürsten als Rückzugsort und Musenhof, wobei die Nutzung des Badebeckens angesichts begrenzter Heizmöglichkeiten wohl auf den Sommer beschränkt war.

Trotz mancher technischer Einschränkungen bei der Badeausstattung belegen die im Band versammelten Beiträge, dass Baderäume in Schlössern nicht nur gebaut und kunstvoll ausgestattet, sondern auch genutzt wurden.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Anja Grebe, Rezension von/compte rendu de: Kristina Deutsch, Claudia Echinger-Maurach, Eva-Bettina Krems (Hg.), Höfische Bäder in der Frühen Neuzeit. Gestalt und Funktion, Berlin, Boston, MA (De Gruyter) 2017, 360 S., zahlr. s/w u. farb. Abb., ISBN 978-3-11-050168-1, EUR 79,95., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66369