Die vorliegende Arbeit1 wurde 2014 als französisch-italienische Doktorarbeit an der ENS Lyon und der Università degli studi Federico II Neapel erstellt. Das über 800 Seiten starke Buch, dass die »Geburt« der frühneuzeitlichen Diplomatie zum Gegenstand hat, schreibt sich in den internationalen Forschungskontext der deutsch-, französisch-, englisch-, italienisch- und spanischsprachigen Diplomatieforschung ein und beleuchtet insbesondere das normative Schrifttum, das die Entstehung des Gesandtschaftswesens begleitete.
Geografisch liegt der Schwerpunkt auf dem west- und mitteleuropäischen Raum, zeitlich wird die Periode von 13. bis zum 17. Jahrhundert analysiert. Diese Periodisierung zeigt schon eines der Hauptanliegen der Arbeit: Die vielfältigen Stränge, die aus der mittelalterlichen (Rechts-)Tradition kommen und wesentliche Elemente für die Ausformung der frühneuzeitlichen Diplomatie bilden, sollen genauer untersucht werden. Die Aufhebung der häufig praktizierten Trennung von Mittelalter und Früher Neuzeit im Quellenkorpus erweist sich als wesentlicher Schlüssel für ein erweitertes Verständnis der Entstehung der frühneuzeitlichen Diplomatie. Die Annährung über das normative Schrifttum an den Untersuchungsgegenstand wird von Dante Fedele thematisiert und Schriften über die Diplomatie vor allem als eine Art Etablierung von Ordnung und deren Problematisierung verstanden. Anschließend werden in der Einleitung die einschlägigen Texte in »synthetischer« Weise vorgestellt und ihre Hauptcharakteristika herausgearbeitet.
Der erste Hauptteil widmet sich ausführlich den mittelalterlichen Debatten, die wesentlichen Einfluss auf die Entstehung der frühneuzeitlichen Diplomatenspiegel hatten (S. 81‒280). Dante geht sowohl der semantischen Entwicklung der Kategorien officium und munus als auch der sich in der Semantik abzeichnenden »Professionalisierung« nach. Entscheidend in diesem Prozess ist, dass der Botschafter durch die juristischen Kategorien des Mittelalters in den Dienst der Öffentlichkeit gestellt wird. Das officium legati zeigt sich als vielschichtiges und ständig veränderndes Phänomen, das sich modernen Interpretationskategorien (bspw. Souveränität) widersetzt. Anschließend analysiert Fedele die Funktionen des procurator und des legatus und deren Entwicklung. Er sieht – wie im Kapitel über die offiziellen Schreiben (Kredenzialschreiben, Vollmacht, Instruktionen) gezeigt wird – im Botschafter eher einen procurator, denn einen legatus, weil er eben im Regelfall verhandelt, Verträge abschließt etc.
Der zweite Hauptteil widmet sich dem Zusammenspiel von entstehender frühmoderner Staatlichkeit und den damit verbundenen Thematiken des Gesandtschaftswesens (S. 281‒523). Dabei wird sowohl die Institutionalisierung auf Seiten der Höfe und Republiken in Form von Kanzleien gewürdigt, als auch die Zusammensetzung der Botschaften mit ihren verschiedenen Funktionsträgern (vom Koch bis zum Übersetzer). Auch werden als drei Hauptpunkte für frühneuzeitliche Außenbeziehungen die gegenseitige Anerkennung der verhandelnden Fürsten, die Reputation und die Etablierung permanenter Gesandtschaften kurz vorgestellt.
Die Diskussion der normativen Literatur zeigt, dass bis weit in das 17. Jahrhundert die Frage offen blieb, ob die Souveränität der Fürsten für das Gesandtschaftsrecht entscheidend sei. Anschließend wird die Metapher des außenpolitischen Gleichgewichts in verschiedenen normativen Texten untersucht. Auch die unterschiedlichen Positionen zur diplomatischen Immunität, einem Dauerthema vieler Diplomatenspiegel, werden ausführlich in den einzelnen Positionen dargestellt. Außerdem widmet Fedele dem diplomatischen Zeremoniell, der Repräsentation und verschiedenen Präzedenzstreitigkeiten einige Aufmerksamkeit.
Der letzte Hauptteil (S. 525–754) behandelt die Professionalisierung von Diplomatie in der Frühen Neuzeit. Dafür werden als Erstes die Genese des Begriffs »ambassadeur« und dessen unterschiedlichen Legitimationsfiguren analysiert (Botschafter als Analogie zum Engel, Botschafter als Idealbild und Botschafter als politici). Anschließend werden die unterschiedlichen Funktionen von Gesandtschaften untersucht, wobei vor allem die klassische Trias von Verhandeln, Informieren, Repräsentieren und die unterschiedlichen Analysen dieser Bereiche durch die Botschafterspiegel von Fedele eingehend beschrieben werden. Anschließend widmet sich die Studie den notwendigen Charaktereigenschaften und der Ausbildung der Gesandten. Im letzten Abschnitt werden dann Fragen der Treue, der Korruption, der Lüge, des Ungehorsams etc. behandelt.
Der sehr verdienstvollen und detailreichen Studie hätte es gut getan, die Ergebnisse zu bündeln und somit den Argumentationsstrang zu stärken. So endet beispielsweise der erste Teil nach fast 200 Seiten mit einer wenigen Zeilen umfassenden und sehr generellen Stellungnahme zur Entwicklung der Diplomatie, die kaum über den aktuellen Forschungsstand hinausreicht. Auch wird der Gesamteindruck dadurch getrübt, dass die deutschsprachige Forschung zum Thema zwar zitiert wird, Fedele aber deren Ergebnisse nicht für seine eigene Argumentation nutzt. Mithilfe der Studien von André Krischer oder Barbara Stollberg-Rilinger hätte Fedele beispielsweise die Argumentation zum Zeremoniell deutlich besser konturieren können. Dadurch wäre der Bezug zur diplomatischen Praxis klarer geworden, der an vielen Stellen nur angeschnitten wird.
Trotz dieser Kritik hat Dante Fedele eine beeindruckende Zusammenschau des normativen Schrifttums und seiner unterschiedlichen Positionen zur Entwicklung der Figur des Botschafters vorgelegt, die in der Forschung jetzt neben den Studien von Patrick Gilli, Donald Queller, Alain Wijffels und anderen ihren Platz finden wird.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Niels F. May, Rezension von/compte rendu de: Dante Fedele, Naissance de la diplomatie moderne (XIIIe–XVIIe siècles). L’ambassadeur au croisement du droit, de l’éthique et de la politique, Baden-Baden (Nomos) 2017, 846 p. (Studien zur Geschichte des Völkerrechts, 36), ISBN 978-3-8487-4127-4, EUR 198,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66371