Nathanael M. Huwiler unternimmt in seiner umfangreichen St. Galler Dissertation eine Typologisierung von Krieg und Frieden in Europa zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Österreichisch-Neapolitanischen Krieg 1815. Das erinnert an Quincy Wrights monumentale Kriegsstudie, die bei aller methodischer Kritik ein Standardwerk ist auf das auch Huwiler sich beruft1. Sein eigener Ansatz ist es, die »stark qualitativ geprägte historische Kriegs- und Friedensforschung« (S. XIII) quantitativ-statistisch zu ergänzen.

Zunächst entwirft Huwiler sein methodisches Konzept und definiert den Untersuchungsgegenstand. Vor der Typologisierung nimmt Huwiler Krieg und Frieden als historische Phänomene und Begriffspaar in den Blick. Nach theoretischen Vorüberlegungen kommt er in der Gegenüberstellung ausgewählter antiker Beispiele und der modernen globalen Völkerrechtsgemeinschaft zu einer als »ethnoautark« bezeichneten »zeit- und kulturunabhängigen Begriffsdefinition der Natur von Krieg und Frieden« (S. 8). Die Idee, Krieg und Frieden als menschliche Konstanten in zeitlich großem Rahmen zu betrachten, ist originell, allerdings in jüngster Zeit mehrfach systematischer und interdisziplinär verfolgt worden2. Die entsprechende Forschung rezipiert Huwiler nicht, sondern skizziert die ausgesuchten Epochen anhand von Überblicksliteratur. In einem Spannungsbogen von antiken kriegerischen Gesellschaften zu einer globalen Normierung des Friedens in der Gegenwart kommt er zu dem Ergebnis, dass Krieg und Frieden seit jeher im Bezug aufeinander gedacht worden seien, dass Krieg auch in der Antike als Mittel zum Zweck betrachtet worden sei und Frieden mithin keine Erfindung der Moderne sei.

Der Vorbereitung des begrifflichen Instrumentariums folgt der historische Kontext der Typologisierung, eine Darstellung des »machtpolitischen Wandels« und der kriegsvölkerrechtlichen Entwicklung zwischen 1648 und 1815. Die auf schmaler Handbuchbasis stehende Darstellung folgt dem Narrativ des proto-territorialstaatlichen Handelns. Der Absolutismus-Begriff wird entsprechend unkritisch verwendet. Komplexe Zusammenhänge werden höchstens angedeutet. Strukturelle Kriegsursachen benennt Huwiler ebenso wenig wie die Perspektiven der neuen Politikgeschichte, die spezifisch frühneuzeitliche Funktionsweisen der Außenbeziehungen herausgearbeitet hat. So spielen auch dynastische Interessen, die nicht mit staatlichen identisch sind, in der Darstellung keine Rolle. Auch globale Aspekte der Mächtebeziehungen sind kein Thema, obwohl Kolonialkriege im Weiteren als Kriegstyp gelistet werden.

Die eigentliche Typologisierung erfolgt in zwei Schritten: Den im Untersuchungszeitraum ermittelten 71 chronologisch aufgelisteten Kriegen ordnet Huwiler acht Kriegstypen zu: religiös motivierte Konflikte, machtpolitische Auseinandersetzungen von europäischer Bedeutung, Unabhängigkeitskriege, territoriale Abgrenzungs- und Eroberungskriege, Thron- und Erbfolgekriege, Handelskriege, Kolonialkriege, Bürgerkriege und ständisch motivierte Konflikte. Huwiler definiert die Typen zunächst und diskutiert dann, ob bestimmte Kriege dem jeweiligen Typ zugeordnet werden können. Eine Liste bildet alle Zuordnungen ab, wobei die meisten Kriege mehr als einem Typ entsprechen. Den Dreißigjährigen Krieg und den Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) ordnet Huwiler gleich sechs Typen zu. Nur 15 Kriege listet er als »eindimensional«. Insgesamt ermittelt Huwiler eine »Typologisierungsrate« von 2,68 Typenzuordnungen pro Krieg.

Im zweiten Schritt verfährt Huwiler nach dem gleichen Muster für 110 Friedensschlüsse denen er zehn Kategorien zuweist: religiöse Bestimmungen, militärische Beschränkungen und Privilegien, Klauseln über staatliche Unabhängigkeit, territoriale Bestimmungen, Bestimmungen über öffentliche Akte und Herrschertitel, Restitutionszahlungs-Klauseln, handelstechnische Beschränkungen und Privilegien, kolonialbezogene Bestimmungen, Klauseln über Amnestie und Kriegsgefangenschaft, Bestimmungen zur Gerichtsbarkeit. Auch hier erfolgt meistenteils eine Mehrfachzuordnung, für die Huwiler einen statistischen Mittelwert von 4,18 errechnet.

Die ermittelten Werte legt Huwiler zahlreichen statistischen Diagrammen zugrunde, die z. B. die Zu- und Abnahme bestimmter Kriegstypen oder Vertragsbestimmungen abbilden. Die Dauer der Kriege und die Anzahl der Kriegsparteien bezieht er ein, um weitere statistische Aussagen zu generieren. Die Studie enthält folglich eine Fülle an Listen, Kurven und Diagrammen, die unterschiedliche Zusammenhänge dokumentieren sollen. Die Thesen, die daraus abgeleitet werden, sind teilweise banal: Je mehr Parteien beteiligt waren, desto mehr Friedensverträge gab es. Da frühneuzeitliche europäische Kriege fast immer durch bilaterale Verträge beendet wurden, ist das evident. Auch die These, dass frühneuzeitliche europäische Kriege nur in Ausnahmen wie gescheiterten Unabhängigkeitskriegen nicht mit einem Friedensvertrag beendet wurden, ist eher ein Gemeinplatz. Dass ein Kriegstyp nicht zwangsläufig einer Friedenskategorie korrespondiert ist angesichts der Eigendynamik von Kriegen zumindest nicht überraschend.

Die Quantifizierungen sind durchaus originell und konzeptionell bedenkenswert, ihre Grundlagen aber problematisch. Namentlich die Kriegstypologisierungen erfolgen quellenfern. Huwiler stützt sich stattdessen auf die Literatur, meistenteils aber nicht einmal auf die spezifische Forschungsliteratur zu den einzelnen Kriegen. Die 1985 von Konrad Repgen vorgenommene Typologisierung frühneuzeitlicher Kriege und die damit angestoßene weitere Forschung zu Kriegslegitimierungen hat der Verfasser nicht rezipiert3. Huwilers Behauptung, umfassende Ansätze zur frühneuzeitlichen Kriegstypologisierung existierten nicht, kann die Rezensentin ihre eigene Verzeichnung und Auswertung von 342 Kriegsbegründungen entgegenhalten4. Jenseits von Quellen und Forschungsstand erfolgen Huwilers Zuordnungen der Kriege zu bestimmten Kriegstypen weitgehend arbiträr.

Die Grundlage der Friedenstypologisierungen ist solider, denn hierfür stützt sich Huwiler größtenteils auf Friedensverträge, die ein Projekt des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte weitgehend erschlossen hat. Ein Abgleich mit dieser Datenbank ergibt allerdings 1203 Friedensverträge für den Zeitraum 1648–17895. Hier wäre Erklärungsbedarf für die Differenz zu den von Huwiler aufgeführten 110 Friedensschlüssen. Zudem legt Huwiler vielfach Übersetzungen zugrunde, denen aber kein offizieller Charakter zukam: Die Vertragssprachen waren mitunter Gegenstand der Verhandlungen, die anschließenden Übersetzungen nicht selten die Grundlage für Missverständnisse und Konflikte. Diese Aspekte hat die jüngere Friedensforschung mehrfach thematisiert6.

Huwiler entwickelt sein Konzept relativ weit von der Frühneuzeitforschung und der entsprechenden Kriegs- und Friedensforschung entfernt und blickt aus der Perspektive einer gegenwartsbezogenen Politik- und Völkerrechtsdiskussion zurück. Das schlägt sich auch in den Kategorien nieder: Folgt man Huwilers Kriegstypologisierung, ging es im frühneuzeitlichen Europa vor allem um Territorien und Macht. Das aber greift zu kurz: So drehte sich z. B. die gut erforschte französische Kriegserklärung an Spanien 1635 um Schutzzusagen und kollektive Sicherheitsvorstellungen. Diese, nicht territoriale Ziele, standen in den späteren französischen Verhandlungsinstruktionen im Vordergrund. In den Friedensverträgen schlug sich das 1648 bzw.1659 noch mit Kategorien nieder, die Huwiler ebenfalls nicht erfasst: kollektive Friedensgarantie und dynastische Eheschließung. Seine Typologisierung geht also mit einer erheblichen Komplexitätsreduktion einher, so dass sich die Frage stellt, inwieweit die Statistiken tatsächlich Krieg und Frieden in dem genannten Zeitraum abbilden. Huwilers Studie ist ein intellektuell anregendes Gedankenspiel, aber für historische Aussagen eignet sie sich nur bedingt.

1 Quincy Wright, A Study of War, Chicago, London 19652.
2 So z.B. in: Harald Meller, Michael Schefzik (Hg.), Krieg. Eine archäologische Spurensuche. Begleitband zur Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale): 6. November 2015 bis 22. Mai 2016, Darmstadt 2015.
3 Konrad Repgen, Kriegslegitimationen in Alteuropa. Entwurf einer historischen Typologie, in: Historische Zeitschrift 241 (1985), S. 27–49.
4 Anuschka Tischer, Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit: Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis, Münster 2012 (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, 12)
6 U. a. in mehreren Beiträgen in: Martin Espenhorst (Hg.), Frieden durch Sprache? Studien zum kommunikativen Umgang mit Konflikten und Konfliktlösungen, Göttingen 2012 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, 91); Heinz Duchhardt, Martin Espenhorst (Hg.), Frieden übersetzen in der Vormoderne. Translationsleistungen in Diplomatie, Medien und Wissenschaft, Göttingen 2012 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abt. Universalgeschichte. Beiheft, 92).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Anuschka Tischer, Rezension von/compte rendu de: Nathanael M. Huwiler, DE PACE – DE BELLO. Eine völkerrechtshistorische Typologie der europäischen Kriege und Frieden zwischen 1648 und 1815, Zürich/St. Gallen, Baden-Baden (Dike, Nomos) 2017, 620 S. (Europäische Rechts- und Regionalgeschichte, 20), ISBN 978-3-03751-870-0, 978-3-8487-3895-3, EUR 120,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66374