Indem er sich den Beziehungen zwischen Soldaten und Klerikern widmet, ist dieser Sammelband der Orientierung der Neuen Militärgeschichte folgend an einer Schnittstelle zwischen der eigentlichen Militär- und der Religionsgeschichte verankert. Mit Blick auf die longue durée – d.h. hier vom 15. bis zum 19. Jahrhundert – wird nach den Beziehungen zwischen Armeeangehörigen und den konfessionell unterschiedlichen Kirchen gefragt, die zu Beginn der ausgewählten Epoche entstanden, sich im Laufe der (Frühen) Neuzeit langsam etablierten und im 19. Jahrhundert erneuerten. Armee und Kirche als zwei wichtige Säulen des Staates werden hier in ihren Wechselwirkungen untersucht. Dabei stellt sich die Frage, was von der Seite des Staates, der Kirche(n) und der Soldaten selbst von der Religion innerhalb der Armee erwartet wurde.

Im Fokus des Sammelbandes stehen die Rahmenbedingungen, die das religiöse Leben der Soldaten ermöglichten. Des Weiteren geht es um die Entstehung bzw. die Professionalisierung von Soldat und Armee, deren Bilder sich aufgrund der tiefgründigen staatlichen, religiösen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der ausgewählten Epoche mit der Zeit änderten. Gefragt wird sowohl, inwiefern die Religion als Instrument in den Händen des Staates zur Disziplinierung der Soldaten beigetragen hat, als auch wie die Armee auf die Entstehung unterschiedlicher konfessioneller Identitäten unter ihren Soldaten reagierte.

Besonders hervorzuheben ist dabei die gute Kenntnis der deutschen militärgeschichtlichen Forschungslandschaft, die den Herausgebern, beide Frühneuzeithistoriker an der Université de Lorraine in Nancy, zu verdanken ist.

Der erste Abschnitt über die »structures d’encadrement« (in etwa gleichzusetzen mit Betreuungsstrukturen) beginnt mit dem Beitrag von Valérie Serdon-Provost, in dem es um die Gründung, die Organisation und die militärische sowie soziale Rolle der Körperschaften und Bruderschaften von Bogen- und Armbrustschützen (»les confréries d’archers et d’arbalétriers«) am Ende des Mittelalters geht, worüber es bisher keine umfassende Untersuchung gibt. Im folgenden Artikel behandelt Caroline Galland die Militärgeistlichen, die in der Armee Ludwigs XIV. für das Seelenleben der Soldaten zuständig waren. Sie interessiert sich dabei für die Franziskaner-Rekollekten, insbesondere in der sog. dionysischen Provinz (d. h. von Metz bis Gisors und von Gravellines bis Nevers), in ihrer Rolle als Seelsorger. Mikrohistorisch betrachtet, stelle die Armee der Frühen Neuzeit eine Art »Versuchsfeld« für neue Verwaltungspraktiken dar und sei daher ein besonders lehrreicher Untersuchungsgegenstand, wenn es darum gehe, zu untersuchen, wie Regierungsmacht »auf dem Terrain« ausgeübt wurde (S. 49f.).

Um dasselbe Thema geht es im Artikel von Frédéric Meyer über die »unmögliche militärische Seelsorgeanstalt im Frankreich des Ancien Régime« (S. 51–64). Hinsichtlich der Institutionalisierung der militärischen Seelsorge und der Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und der französischen Monarchie stellt er eher ein Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Institutionen fest.

Im nächsten Beitrag von Julien Léonard wird die Haltung protestantischer Pastoren gegenüber den militärischen Autoritäten in der gemischtkonfessionellen Stadt Metz untersucht, und zwar von 1552 (Besetzung der Stadt durch die französischen Truppen) bis 1685 (Widerruf des Edikts von Nantes), ein Zeitraum, in dem sich die »Französisierung« und die Militarisierung der Stadt vollzogen. Die während dieses Zeitraums stets schwieriger gewordene konfessionelle Koexistenz endete mit der dramatischen Dragonade vom August 1686.

Im zweiten Abschnitt über »Kirchen, Armee und Krieg« beschäftigt sich Christophe Masson mit der Rolle der Kleriker in den französischen Armeen in Italien zur Zeit des Großen Abendländischen Schismas (1382–1411). Anschließend formuliert Olivier Chaline einige Anmerkungen über den Umgang von Klerikern mit Waffen und ihr Verhältnis zur Gewaltanwendung in der Frühen Neuzeit und geht der Frage nach, unter welchen Umständen sie sich bereit zeigten, die christliche Lehre rechtfertigend für Kriegshandlungen ins Feld zu führen. Ariane Boltanski stellt in ihrem Artikel die religiöse Betreuungsstruktur der mit der Liga verbündeten Armeen (1590–1592) dar, in deren Rahmen das Modell des christlichen Kämpfers im Zusammenhang mit einer neuen Vorstellung von Krieg und Disziplin im Dienste der Gegenreformation entstand.

Im folgenden Beitrag beschäftigt sich Claude Muller anhand zweier Kriegschroniken mit dem Verhalten des elsässischen Klerus während des Spanischen Erbfolgekriegs (1702–1714). Im Rahmen eines anderen Erbfolgekrieges,und zwar des Österreichischen (1740–1748), setzt sich Sandrine Picaud-Monnerat mit den Verhältnissen der Armee zur Kirche während der Feldzüge in Flandern auseinander. Hier geht es sowohl um die religiösen Feierlichkeiten im Zuge eines militärischen Sieges und im Zusammenhang mit dem Krieg insgesamt als auch um die Auswirkungen des Krieges auf die lokalen Kirchen und die Kirche Frankreichs, und zwar gleichermaßen im Hinblick auf Menschenleben und Finanzen.

Im dritten Abschnitt über die »Moralisierungswege« zeigt Quentin Verreycken, mit welchen moralisierenden Mitteln, z.B. dem appel au sacré, in den Armeen Karls des Kühnen (1465–1477) versucht wurde, gegen Vergewaltigungen und Schändungen von Kultusstätten zu kämpfen. Daraufhin stellt Stefano Simiz am Beispiel von Predigten des Abts Demaugre aus der Zeit um 1775 die Frage, wie vor Soldaten gepredigt werden sollte. Schließlich untersucht Rémy Hême de Lacotte den Diskurs über die religiöse (katholischen) Praxis innerhalb der französischen Armee während der Restauration (1814–1830) und deren Repräsentationen.

Im vierten und letzten Abschnitt über die konfessionellen und parteiischen Identitäten handelt der Beitrag von Albrecht Burkhardt anhand der Archive der römischen Inquisition vom Glauben frühneuzeitlicher Söldner. Étienne Bourdeu stellt die Frage, inwiefern die Katholische Liga, die 1609 von Maximilian, Herzog von Bayern, als Antwort auf die Gründung der protestantischen Union ein Jahr zuvor ins Leben gerufen wurde, als politisches Instrument sowohl innerhalb des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation als auch auf europäischer Ebene Verwendung fand. Mit einem Beitrag über die »Miliz« der Vereinigten Niederlanden als »bewaffneter Arm eines konfessionellen Staates« unter dem Statthalter Friedrich Heinrich von Oranien (1584–1647) schließt Andreas Nijenhuis-Bescher die breite Palette von Fallbeispielen dieses Sammelbandes.

In seinen abschließenden Anmerkungen betont Xavier Boniface – Spezialist für die Religionsgeschichte des Ersten Weltkrieges – zuerst die Komplementarität von Armee und Kirche trotz des Gegensatzes beider Institutionen »von Natur her«, indem die eine kämpft, während die andere Nächstenliebe und Frieden predigt. Oft verfolgten sie ähnliche Ziele und im Zeitalter der Religionskriege verschmolzen sogar ihre ideologischen und politischen Interessen miteinander. Der Zeitraum sei deswegen gut gewählt, weil gerade in dieser Zeit die Kriegskunst sich wesentlich verändert habe, wobei die von Michael Roberts entworfene und von Geoffrey Parker erweiterte Konzeption der »militärischen Revolution« seither umstritten ist.

Über die Vielfalt der insgesamt 18 Fallbeispiele hinaus, die vom Reichtum dieses Forschungsfeldes – und dementsprechend von dessen Forschungslücken – zeugen, fasst Boniface drei Schlussfolgerungen zusammen: Erstens zeigen sich die damaligen Söldner und Soldaten der Religion gegenüber relativ indifferent; Ziel der Kirche sei es daher, aus religiösen bzw. konfessionellen sowie aus moralisierenden und disziplinierenden Gründen dieses Feld zu »erobern«. Deshalb (zweitens) bemühten sich die unterschiedlich konfessionellen Kirchen die Armee zu kontrollieren, zu konvertieren und zu beeinflussen. Es ging um die Erziehung von Söldnern/Soldaten durch Predigten, um die Moralisierung der Truppen, aber auch um die religiöse Rechtfertigung des Krieges. Und drittens wird erneut betont, wie oft beide Institutionen durch gegenseitige Unterstützung ihre eigenen Interessen verfolgten, obwohl sie beide grundverschieden seien. Der sehr gelungene Band illustriert ein breit aufgestelltes, lebhaftes Forschungsfeld, das zu zahlreichen neuen Untersuchungen einlädt.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Isabelle Deflers, Rezension von/compte rendu de: Laurent Jalabert, Stefano Simiz (dir.), Le soldat face au clerc. Armée et religion en Europe occidentale (XVe–XIXe siècle), Rennes (Presses universitaires de Rennes) 2016, 282 p. (Histoire), ISBN 978-2-7535-5008-7, EUR 21,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66375