Das sehr komplexe Gefüge der führenden europäischen Fürstenhäuser in der Frühen Neuzeit hat seit Langem das Interesse der Historiker geweckt. Ernst Kaeber, Kurt von Raumer, Ludwig Dehio und Heinz Duchhardt, um nur einige deutsche Forscher zu nennen, haben sich dem Thema mit unterschiedlichen Schwerpunkten zugewandt. Standen anfangs eher Probleme der dynastischen Machtbildung im Vordergrund, so wurden sie später durch die Frage, wie sich in Europa eine Friedensordnung etablieren ließ, verdrängt. Unübersehbar ist, dass oftmals aktuelle politische Fragen in die Formulierung dieser Forschungsansätze eingeflossen sind.

Daher ist es wohl hilfreich, einen der wichtigsten Akteure des 18. Jahrhunderts hier zu Wort kommen zu lassen: Friedrich II von Preußen. Bei der Lektüre von Montesquieus »Betrachtungen über die Ursachen von Größe und Niedergang der Römer« bemerkte er lapidar zur machtpolitischen Lage seiner Dynastie: »Ces rois de Macédoine étaient ce qu’est un roi de Prusse et un roi de Sardaigne de nos jours.« Damit ordnete er sein Haus am unteren Rand in der Hierarchie der königlichen Fürstenhäuser Alteuropas ein, wie dies schon seine Vorfahren getan hatten.

Um die Fragilität der preußischen Macht und deren besondere Gefährdung wusste Friedrich nämlich sehr genau. Sie bestimmte sein gesamtes politisches Handeln. Im sogenannten »Kartoffelkrieg«sollte ihm dies sehr deutlich werden. Seine Nachfolger mussten dies bei ihrem Einmarsch in Frankreich und bei der Niederschlagung des polnischen Aufstandes bitter erleben.

All dies bleibt eher unbedacht, wenn der Autor das von ihm entworfene »Feld der Großmächte im 18. Jahrhundert« entwickelt. Gewiss hat er die jüngere historische Literatur eifrig studiert, wie Fußnoten und Literaturverzeichnis ausweisen, aber der Blick des Autors auf das Alte Europa wirkt mehr als mechanisch und unbelebt. Was nutzt es, wenn der Verfasser eingangs ein Verständnis von »Großmachthabitus« und »Großmachtstatus« akribisch herausarbeitet, dessen inhaltliche Ausfüllung nur bedingt dazu geeignet ist, die Voraussetzungen der Formierung von politischer und militärischer Macht unter den Bedingungen des 18. Jahrhunderts zu erfassen.

In Friedrichs Schriften zeigt sich, wie schwer es dem Zeitgenossen fiel, den Kern der Macht im europäischen Machtgefüge zu denken. Während diplomatische und militärische Bedingungen benannt werden, versagte selbst ein Friedrich bei der Frage nach der Rolle der Finanzen weitgehend. Nicht Steuern und Tresor entschieden zunehmend über militärische Handlungsfähigkeit, sondern die Fähigkeit, über Kredite zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren, wurde entscheidend.

Unser Autor beschenkt uns dagegen mit so vielsagenden Kommentaren wie: »Dort ist es zuerst und vor allem das Militär, das als Machtsymbol nach außen und nach innen die Projektionsfläche für jegliche Form von Imitation bietet, durch die eine Großmacht als Großmacht anerkannt wird. So wird Heterochronizität durch Imitation koordiniert …« (S. 94)

Sprachlich verwandte Einlassungen bestimmen auch das zentrale Kapitel »Entdinglichung und Schließung: Der methodische Zugang zum Feld«. Der Historiker kämpft sich durch ein Gebirge von Wortungetümen, welche den historischen Sachverhalt keinesfalls aufhellen, obwohl sich der Verfasser immer wieder der Positionen wesentlicher Vertreter der modernen Soziologie versichert.

Eine andere Begriffsbildung führt nicht per se zu neuen Einsichten in die komplizierte Staatengeschichte Alteuropas. Auch der Gedanke des Verfassers, dass damals die Grundlagen der modernen Gesellschaft gelegt worden seien, hätte durchaus kritisch hinterfragt werden können, denn teilweise sind erhebliche Entwicklungsbrüche seit der friderizianischen Zeit zu beobachten. Geschichte ist zudem ein offener Prozess. Es hätte auch anders kommen können. Die geschichtlichen Konstruktionen des Verfassers lassen davon wenig ahnen. Zumal Friedrich II. stets von der Sorge seines oder seiner Nachfolger Scheitern geplagt war, wovon man in dieser Analyse des Ringens um die Machtverteilung in Mitteleuropa um die Mitte des 18. Jahrhunderts wenig spürt.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Peter Hahn, Rezension von/compte rendu de: Andreas Johannes, Das Feld der Großmächte im 18. Jahrhundert. Eine soziologische Analyse am Beispiel des Aufstiegs Preußens zur Großmacht (1740–1763), Baden-Baden (Nomos) 2017, 373 S. (Nomos Universitätsschriften Soziologie, 18), ISBN 978-3-8487-3194-7, EUR 69,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66376