Carl Eugen, von 1744 bis 1793 Herzog von Württemberg, zog Gegensätze an: Er war katholischer Fürst eines mehrheitlich lutherischen Landes, war pro-habsburgisch aufgewachsen, aber mit einer evangelischen Hohenzollerin verheiratet, und sein frühneuzeitlicher »composite state« umfasste mehrere Territorien wie Mömpelgard und Vorderösterreich. Der vorliegende Sammelband, der auf einer Tagung von 2014 basiert, widmet sich der Frage nach einer weiteren vermutlichen Widersprüchlichkeit: War Carl Eugen ein »aufgeklärter Absolutist«?

Der Band vertritt dabei keinen biografischen Anspruch, sondern versammelt in drei Sektionen diachron 18 Beiträge über Carl Eugen als »aufgeklärten Herrscher«. Diese beschäftigen sich mit der Persönlichkeit und (Aus-)Bildung des Herzogs (I), der Herrschaftsrepräsentation und dem kulturellen Leben seiner Zeit (II) sowie seinem Wirken als »politischer Reformer« (III).

Die Beitragsbreite deckt dabei ein weites Spektrum ab und enthält sowohl allgemeine Darstellungen wie auch spezifische Fallstudien. Darunter finden sich Beiträge zu Erziehung, Rezeptionsgeschichte, Stände-, Bildungs- und Universitätspolitik des Württemberger Herzogs sowie zu Musik, Architektur, Stadtbau und Rechtsentwicklung während seiner Herrschaft. Damit liegt der Fokus des Bandes auf der »Innenpolitik«; Außen- und Reichspolitik oder auch das erfolglose militärische Wirken des württembergischen Herzogs kommen im Band nicht vor. Den Sektionen vorangestellt sind zwei Beiträge von Wolfgang Mährle bzw. Angela Borgstedt, die in das Konzept des »aufgeklärten Absolutismus« einführen und Maximen und Narrative der Carl‑Eugen‑Forschung vorstellen. Die Konfliktträchtigkeit des Konzepts wird dabei angemahnt, der Begriff insgesamt von Borgstedt hinterfragt, da »Aufgeklärtes [in] Herrschaftsauffassung und Herrschaftsausübung« kaum auszumachen sei (S. 15). Dennoch konzediert sie, dass auch Zeitgenossen die Person Carl Eugens und sein Wirken ungeachtet der dahinterstehenden Motivationen und Triebfedern als »aufklärerisch« anerkannten (S. 19).

Dem damit aufgeworfenen Spannungsbogen von Aufklärung und Absolutismus widmen sich in der Folge 16 Einzelbeiträge, von denen hier nur eine Auswahl näher vorgestellt werden kann. Den wohl biographischsten Beitrag liefert Joachim Brüser zur Erziehung Carl Eugens. Er stellt die Erziehung des Fürsten im kontroversen Verhältnis zwischen katholischen Einflüssen aus Umfeld und Familie einerseits und protestantischen Machtansprüchen und Lehrern andererseits heraus. Ausführlich und detailreich widmet er sich dabei dem knapp vierjährigen Erziehungsaufenthalt Carl Eugens und seiner beiden Brüder bei Württembergs Schutzmacht Brandenburg-Preußen zwischen 1741 und 1744. Konfessionelle bzw. konfessionspolitische Spannungen zwischen einzelnen Verantwortlichen der katholischen Regierung in Württemberg und der evangelischen Regierung in Brandenburg-Preußen berührten dabei direkt den Status der Prinzen, mit deren möglicher Abreise politisch taktiert wurde. Als Carl Eugen 1744 vorzeitig volljährig erklärt wurde und seine Regierung in Stuttgart antrat, versuchte Friedrich II. noch durch wohlmeinende Ratschläge Einfluss auf den jungen Fürsten zu nehmen. Brüser rechnet diesen Versuchen wie auch den Berlin-Jahren insgesamt allerdings wenig prägende Wirkung auf den Stil des Herzogs zu.

Wolfgang Mährle befasst sich in seinem zweiten Bandbeitrag mit den Italienreisen des italophilen Herzogs 1753 und 1774/1775. Diese sieht er vielmehr touristisch motiviert denn als »Dienstreisen im Dienste der (aufgeklärten) Reformpolitik« (S. 50) – wenn sich auch in der Untersuchung ein Einfluss des italienischen, bisweilen papstkritischen Staatskirchendenkens auf den Herzog andeutet.

Despotismus ist und war – nicht zuletzt befeuert von Friedrich Schiller – ein häufig gegen Carl Eugen ins Feld geführter Vorwurf, wie Mährle schon einleitend feststellte. Die unerklärte Einkerkerung zweier prominenter Württemberger nährte diesen Vorwurf in der bürgerlich-protestantischen Historiographie des 19. Jahrhunderts besonders – den beiden Betroffenen widmet sich jeweils ein Beitrag. Barbara Potthast zeigt anhand des eingesperrten Dichters Christian Friedrich Daniel Schubart die Zwiespältigkeit und die notwendige und komplexe heuristische Verortung der Despotismuszuschreibung. Frank Kleinehagenbrock gelingt es mit einer detaillierten Studie das Verhältnis Carl Eugens zum Staatsrechtler Johann Jacob Moser zu kontextualisieren. Die Einsperrung des ständisch gesinnten Politikers und Gelehrten 1759 ging eine kurze und produktive, allerdings erfolglose Phase der Kooperation zwischen den beiden voran. Moser fungierte 1755/1756 in über 30 Fällen als aufklärerischer Gutachter und Berater des Fürsten zu Fragen der Landwirtschaft, der Infrastruktur und des Gewerbes. Aber diese Zusammenarbeit, unterschiedliche Leitinteressen und Ausführungsideen führten in eine Zerwürfnisspirale zweier kooperierender, aber doch in vielem gegensätzlicher Reformer.

Gerade in diesem Beispiel zeigen sich die von Bogardt angedeuteten Grenzen des »aufgeklärten Absolutismus« deutlich. Weitere Beispiele bietet der Band: Gerhard Fritz erweitert wie Kleinehagenbrock die Facetten Carl Eugens aus rechtspolitischer Sicht. In der Diskussion über die Abschaffung von Folter und Todesstrafe lag der Herzog im Streit mit seinem eigenen konservativen Justizsystem, über das er »keineswegs absolute und willkürliche Herrschaft« besaß (S. 232). Die Bewertungspole von »aufklärerisch« und »absolutistisch« sind im Sammelband stets präsent – beispielsweise im Überblick des Verhältnisses zu den württembergischen Landständen von Hermann Ehmer oder den zahlreichen Beiträgen zur aufklärerischen, aber nicht immer konsequenten und durchsetzungsstarken Bildungspolitik des Herzogs; aber die verbindende Lösung eines »aufgeklärten Absolutismus« zeigt sich in den Ergebnissen der Einzelstudien in dieser Einfachheit nicht.

Der grafisch und redaktionell überaus sorgfältig gestaltete Sammelband wirft einen sehr breiten Blick auf die innere, staatliche und bildungspolitische Entwicklung Württembergs sowie auf die persönliche Entwicklung des Herzogs und des Hoflebens. Fragen der Außen- und Reichspolitik in der friderizianisch-theresianischen Ära und der Wirtschaftspolitik kommen nur in einigen Beiträgen vor, bilden aber keinen eigenen Untersuchungsgegenstand. Württembergs Charakter als Mehrfachherrschaft (Mömpelgard, Vorderösterreich) bleibt ebenfalls wenig berücksichtigt. Im abschließenden Gesamtverzeichnis der Quellen und Literatur wurde auf eine Auflistung der (breit und vielfach genutzten) archivalischen Quellen verzichtet. Auch zu der mit diesem Band offenbar neu eröffneten Schriftenreihe »Geschichte Württembergs. Impulse der Forschung« finden sich keine Informationen im Band. Der Untertitel trifft es aber haargenau: Mit seiner stringenten Fokussierung auf das Beispiel Carl Eugens von Württemberg bietet der von Wolfgang Mährle herausgegebene Band eine Fülle an rezeptionswürdigen Impulsen für die überregionale und internationale »Absolutismus«-Forschung und nicht zuletzt die württembergische Landes- und Dynastiegeschichte.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jonas Bechtold, Rezension von/compte rendu de: Wolfgang Mährle (Hg.), Aufgeklärte Herrschaft im Konflikt. Herzog Carl Eugen von Württemberg 1728–1793. Tagung des Arbeitskreises für Landes- und Ortsgeschichte im Verband der württembergischen Geschichts- und Altertumsvereine am 4. und 5. Dezember 2014 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Stuttgart (Kohlhammer) 2017, 355 S. (Geschichte Württembergs. Impulse der Forschung, 1), ISBN 978-3-17-032434-3, EUR 25,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66381