Die Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg, in der westlichen Grenzregion des Reiches gelegen, gelten seit den Studien von Emil Pauls aus dem späten 19. Jahrhundert als Gebiete, in denen nur wenig Hexenprozesse stattfanden. In der Forschung wurde zur Erklärung vor allem auf die lange Regierungszeit von Herzog Wilhelm V. (1518–1592) hingewiesen, der selbst ein Gegner dieser Verfahren war und Johann Weyer als führende Persönlichkeit unter den Verfolgungskritikern mit dem Amt eines Hofarztes betraut hatte. Erika Münster-Schröer, Archivarin in Ratingen, liefert mit ihrem Buch zahlreiche quellengestützte Informationen, die weit über die Regierungszeit dieses Landesfürsten hinausgehen.
Das Buch ist an eine breitere Leserschaft gerichtet, der Grundlegendes über die Entstehung der Vorstellungen von Hexerei, Herrschaftsstrukturen und das Gerichtswesen in den untersuchten Territorien vermittelt wird. Dabei werden auch andere Bereiche der Strafverfolgung intensiv behandelt, wie etwa der Kampf der Obrigkeiten gegen die Täufer. Die diesbezüglich harte Strafpolitik der 1530er und 1540er Jahre, die Herzog Wilhelm V. in Kontinuität zu seinem Vater, Johann III., anordnete, wird mit der Absicht, Macht zu demonstrieren, erklärt. Sie wird quasi als Kompensation für eine allgemein eher duldsame, erasmianische Religionspolitik der via media und den Verzicht auf Hexenprozesse interpretiert. Sogar der Versuch, »von den Via-media-Tendenzen der Landespolitik abzulenken«, wird darin gesehen (S. 223).
Im Hinblick auf frühe Hexenprozesse schließt die Arbeit eng an andere Forschungen zu den Verfolgungen im Rhein-Maas-Mosel-Raum an. Vor allem die Strafjustiz der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Herzogtum Jülich wird dicht rekonstruiert, gestützt auf intensive Quellenstudien, insbesondere der obrigkeitlichen Rechnungen der Ämter Düren, Bergheim, Heinsberg und Monschau. Die Befunde werden mit Tabellen und oftmals mit längeren Quellenzitaten erläutert, sodass hier ein recht geschlossenes Bild entstanden ist. Dieses beinhaltet, dass bis zum Regierungsantritt von Herzog Wilhelm V. durchaus stetig Hexenprozesse durchgeführt wurden, die immerhin mit über 50 Hinrichtungen endeten. Das Herzogtum Jülich war damit sicherlich kein Territorium, das »Massenprozesse« hervorbrachte, wie die Autorin richtigerweise folgert. Veranlasst durch starke Verfolgungswünsche aus der Bevölkerung wurden sie jedoch in einem bemerkenswerten Umfang durchgeführt, wobei die Frage, welche Rolle die Landesobrigkeit dabei spielte, kaum zu klären ist.
Mit der Herrschaftszeit von Wilhelm V. gingen dann Hexenprozesse merklich zurück, so dass einmal mehr der Befund der älteren Forschung bestätigt wird. Es stellt sich dabei die Frage, ob der Herzog, der oftmals als schwacher, nicht durchsetzungsfähiger Herrscher dargestellt worden ist, vielleicht doch in nicht zu unterschätzendem Maße Einfluss auf die Strafjustiz in seinen Territorien ausübte.
Zur späteren Regierungszeit von Herzog Wilhelm V. und für die Zeit nach seinem Tode konnten für die Studie kaum noch seriell auswertbare Quellenbestände zu Grunde gelegt werden. Die Autorin geht auf Einzelfälle ein, zu denen auch der kürzlich gefundene Hinweis auf einen Hexenprozess in der Stadt Wesel im Herzogtum Kleve gehört. Das 1593/1594 durchgeführte Verfahren, das eine Wasserprobe beinhaltete, endete mit der Hinrichtung der bezichtigten Frau. Dies ist insofern erstaunlich, als der Stadtrat von Wesel bereits von Mitgliedern reformierter Konfession dominiert wurde und wir davon auszugehen haben, dass in deren Reihen eher eine Abneigung gegenüber den Hexenprozessen vorherrschte.
Erika Münster-Schröer sieht in diesem Verfahren, das von einem der lutherischen Lehre zuneigenden landesherrlichen Richter geleitet wurde, einen Versuch, Ärger und Auseinandersetzungen mit einer Regierung, die mittlerweile das Programm einer Durchsetzung der katholischen Konfession verfolgte, zu vermeiden. Ganz sicher waren jedoch auch in Wesel innerhalb der Schicht der einfachen Leute magische Vorstellungen und Bedürfnisse, Schadenszauber streng zu bestrafen, in großem Umfang vorhanden, wie u.a. Presbyterialprotokolle des 17. Jahrhunderts ausweisen.
In diesem Buch wird ein großer Bogen von den frühesten nachweisbaren Hexenprozessen im 15. Jahrhundert bis zum letzten Hexenprozess der Region, dem Gerresheimer Hexenprozess von 1737/38, geschlagen. Dieser Bogen ist, der Überlieferung geschuldet, immer wieder unterbrochen. Dabei müssen wir davon ausgehen, dass wir von einer Zusammengehörigkeit der Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg nach dem Tod Herzog Johann Wilhelms im Jahr 1609 kaum noch ausgehen können, da grundlegende administrative Aufteilungen unter Brandenburg und Pfalz-Neuburg im Verlauf der folgenden Jahre vorgenommen wurden.
Natürlich lagen der Justizpolitik unter den beiden Herrschaften, die eine reformiert, die andere katholisch, jeweils sehr unterschiedliche Leitlinien zu Grunde. Auch unter dem katholischen Herzog Wolfgang Wilhelm von Jülich und Berg wurde immerhin laut dieser Untersuchung eine eher zurückhaltende Politik im Hinblick auf die Strafverfolgung von Hexerei betrieben. Jedoch fanden in einigen Unterherrschaften intensive Verfolgungen statt, womit sich einmal mehr die Frage nach der politischen Instrumentalisierung von Hexenprozessen stellt, die für die Herren in Wildenburg und Homburg die Möglichkeit boten, ihre Unabhängigkeit von der Strafjustiz des Fürsten zu demonstrieren und nachhaltig zu dokumentieren.
Die Arbeit ist inspiriert von zahlreichen Diskussionen, die innerhalb der Hexenforschung der letzten Jahre geführt wurden. Das besondere Verdienst der Verfasserin liegt darin, die intensiv untersuchten Quellen in diesem Rahmen zum Sprechen gebracht zu haben. Auf die Hexenprozesse in der bergischen Unterherrschaft Hardenberg wird nicht eingegangen, insgesamt bietet das Buch jedoch eine umfassende Bestandsaufnahme.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Ralf-Peter Fuchs, Rezension von/compte rendu de: Erika Münster-Schröer, Hexenverfolgung und Kriminalität. Jülich-Kleve-Berg in der Frühen Neuzeit, Essen (Klartext) 2017, 450 S., ISBN 978-3-8375-1881-8 , EUR 29,95., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66387