Die Aufsatzsammlung ist das Ergebnis einer 2010 abgehaltenen Tagung, organisiert durch die Fachbereiche English and American Studies und Soziologie an der Universität Wien. Themen waren das Kleidungsverhalten und die Repräsentation »königlicher« Frauen, sie bilden auch die Schwerpunkte der vorliegenden Veröffentlichung. Die fächerübergreifende Zusammenarbeit wurde in der Publikation fortgeschrieben: Insgesamt 15 Beiträge primär deutschsprachiger, aber auch internationaler Autoren verschiedener Fachrichtungen folgen auf die Einleitung der Herausgeberinnen.
Der Band erscheint in englischer Sprache, die jedoch an manchen Stellen schwerfällig wirkt, was der Übersetzung vom Deutschen ins Englische geschuldet sein dürfte. Der Hardcover-Einband ist minimalistisch gehalten. Insgesamt 57 kleine Schwarz-Weiß-Bilder illustrieren die Inhalte. Größere Abbildungen, und da wo möglich in Farbe, hätten der Publikation jedoch gut getan. Bildunterschriften lassen sich vereinzelt erst auf der Folgeseite finden (S. 171f.). Der visuelle Eindruck des Buches leidet unter den kleinen Bildern und der unglücklichen Formatierung.
Aufgrund der interdisziplinären Ausrichtung des Sammelbandes wird der Begriff »Queen« nicht auf monarchische Amtsträgerinnen reduziert, sondern als weiter Sammelbegriff verstanden. Entsprechend vielfältig sind die Themen. So steht das Kleidungsverhalten von Prinzessinnen und Königinnen wie Queen Victoria, Sissi oder Luise von Preußen im Fokus. An anderer Stelle stehen Jaqueline Kennedy als Repräsentantin des Weißen Hauses und Politikerinnen im Fokus der Aufmerksamkeit. Darüber hinaus sind popkulturelle Phänomene wie Madonna oder die zur Modekönigin ernannte Barbie Gegenstand der Untersuchung. Die breite Definition trägt somit auch einer historischen Entwicklung Rechnung, in der die Monarchie keine Allgemeingültigkeit mehr hat und sich neue Typen der »Queen« etablieren konnten.
Gleich zwei Beiträge befassen sich mit Marie Antoinette. Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken zeigt, wie sich im Zuge der französischen Revolution Kleidungsrituale änderten. Die Mode der Moderne, die bis heute nachhallt, wurde zum Signum der neuen Gesellschaftsordnung. Es erfolgte nicht mehr eine Trennung der Klassen, sondern der Geschlechter: der Mann, der keiner dekorativen Ausschmückung mehr bedarf, während die Frau auf ihr Äußeres reduziert und die Mode zum Synonym des Weiblichen wird. Vinken erklärt Marie Antoinette somit zum ersten »fashion victim«, das sich nicht standesgemäß als Königin inszeniert. Pamela Church-Gibson dagegen untersucht wie die modischen Exzesse der Königin in Filmen thematisiert und interpretiert wurden.
Die Kulturwissenschaftlerin Lioba Keller-Drescher trägt mit ihrem Beitrag der Bedeutung des royalen Hochzeitskleides Rechnung, das in der Gestaltung zwar modischen Einflüssen unterliegt. Zugleich zeigt die Autorin am Beispiel von Diana, Camilla und Katherine aber deutlich, wie über das Kleid Visionen der jeweiligen Braut zum Ausdruck gebracht werden.
Die Literaturwissenschaftlerin Gertrud Lehnert setzt sich mit dem unerreichbaren Ideal der Barbiepuppe auseinander, die mittels eines endlosen Angebots an Kleidung zur Modekönigin avanciert. Dabei zeigt die Autorin wie sich in der Puppe selbst gesellschaftspolitische Diskurse manifestieren.
Eva Flicker erarbeitet dagegen das Frauenbild in der Politik. Die Autorin zeigt mit welchen Widersprüchen Frauen in der Politik konfrontiert sind: Entweder laufen sie Gefahr sich dem männlichen Dresscode in Form eines Anzugs unterzuordnen oder sie fallen durch modische Extravaganzen auf. Obwohl Frauen in relevanten Führungspositionen – wie beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel – agieren, werden sie oft noch nach ihrem äußeren Auftreten und weniger nach Inhalten bewertet.
Adam Louis Troldahl analysiert das produzierte Bild der Pop-Queen Madonna am Beispiel der veröffentlichten Tonträger und den sich anschließenden Tourneen. Daran zeigt sich, wie die Sängerin sich mit jedem Album neu erfindet, zugleich aber auch wie sie die jeweiligen Rollen bedient und welchen Wiedererkennungswert diese für die Fans haben.
Trotz der breit angelegten Begriffsdefinition von »Queen« schaffen es einige Beiträge nicht, eine Verbindung zum Thema des Tagungsbandes herzustellen. Dies trifft vor allem die auffällig vielen Beiträge, in denen ein Zugang zum Sujet über den Film versucht wurde. So untersucht Griselda Pollock in ihrem durchaus interessanten Beitrag Greta Garbos Darstellung der Königin Christina von Schweden in Rouben Mamoulians 1933 entstandenen Film »Queen Christina«. Annette Geiger kündigt hingegen eine Analyse des Säulenkleides an, das oft von Filmdivas getragen wurde. Den modehistorischen Erläuterungen schließt sich der Einsatz des Kleides im Film an. Das eigentliche Untersuchungsthema verliert die Autorin jedoch zunehmend aus den Augen und verliert sich in einer Gegenüberstellung der beiden Filmfiguren Diva und Femme fatale. Die Beiträge wären in einer Publikation mit Fokus auf Mode und Film besser aufgehoben gewesen.
Positive Ausnahme ist der informative und kurzweilige Beitrag über die zwei weiblichen Hauptfiguren der beliebten Serie »Denver-Clan« aus den 1980er Jahren. Darin wird anschaulich beschrieben wie über Kostüme und Handeln der beiden Protagonistinnen Alexis und Krystle deren Identität konstruiert wird, die die Dramen innerhalb der Dynastie, so der Originaltitel der Serie, maßgeblich mitbestimmen.
Auch der Bezug zum Tagungsband bei der Ausarbeitung von Kostümhistorikerin Pamela A. Cunningham bleibt unklar, dabei stellt sie eindrücklich den Werdegang der Amerikanerin Irene Castle von einer Tänzerin zur Modeikone dar. Besonders strapaziert der – dennoch fundierte – Beitrag über Cindy Shermans Arbeiten die Begriffsauslegung, wenn Hanne Loreck primär über die Porträts der Künstlerin spricht.
Die Kuratorin Michaela Lindinger stellt die Stilikone Sissi vor. Leider wirkt der Aufsatz wie eine Aneinanderreihung von Anekdoten, denn auf Nachweise ihrer zahlreich eingestreuten Informationen verzichtet die Autorin nahezu. An anderer Stelle wird Donna Karan, die zu den wichtigsten Designerinnen Nordamerikas zählt, fälschlicherweise in »Donna Karen« umbenannt (S. 227) oder Wikipedia als Nachweis genannt (S. 64). Vor dem Hintergrund, dass die Publikation »peer-reviewed« sein soll, erscheinen solcherlei Fehler, der Mangel an Nachweisen und suspekte Angaben fragwürdig.
Eine Eingrenzung des Begriffes durch die Herausgeberinnen wäre daher lohnenswert gewesen, da der Begriff »Queen« – wie vielfach geschieht – eben nicht mit Ikone oder Diva gleichzusetzen ist. Erläuterungen, die über eine Zusammenfassung der Beiträge hinausgehen, oder eine Unterteilung der Beiträge in thematische Kapitel, hätten zu einer Konturierung der Inhalte beigetragen und die Leserin bzw. der Leser wäre weniger verloren. Leserinnen und Leser, die durch den Titel eine Erwartungshaltung an die Publikation haben, könnten aufgrund der breiten Thematik und der in der inhaltlichen wie sprachlichen Qualität schwankenden Aufsätze enttäuscht werden. Dabei ist die breite Begriffsauslegung durchaus spannend und hat viel Potenzial, jedoch gibt es geeignetere Themen zur Bearbeitung. Abhandlungen über Dragqueens oder Popsängerin Queen B, gemeint ist die Sängerin Beyoncé Knowles, hätten die Aktualität des Themas hervorgehoben. Dennoch bietet die Publikation interessante Ansätze, die zu weiteren Forschungen anregen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Marie Helbing, Rezension von/compte rendu de: Monika Seidl, Eva Flicker (ed.), Fashionable Queens. Body – Power – Gender, Bern, Berlin, Bruxelles et al. (Peter Lang) 2014, 254 p., 57 fig. (Austrian Studies in English, 103), ISBN 978-3-631-64447-8, EUR 44,00., in: Francia-Recensio 2019/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66392