Die Neue Institutionenökonomik hat in den letzten Jahrzehnten eine erstaunliche Karriere durchlaufen. Ihr Programm war bis in die 1980er Jahre im Wesentlichen die Kritik am neoklassischen »Mainstream« der Volkswirtschaftslehre, der die Kosten der Nutzung von Märkten mehr oder weniger ignorierte. Mittlerweile ist die Neue Institutionenökonomik aber selbst zu einem Teil genau dieses Mainstreams geworden und hat dabei einen starken Einfluss auf andere Disziplinen ausgeübt. So dürfte sie in der Wirtschaftsgeschichte seit gut 30 Jahren der am häufigsten verwendete theoretische Ansatz sein und auch in der Wirtschaftssoziologie spielt sie eine große Rolle. Auf der einen Seite hat die Neue Institutionenökonomik also volkswirtschaftliche Theorieangebote für die Sozialwissenschaften anschlussfähig gemacht, auf der anderen Seite ist sie dabei selbst gelegentlich zum »Festlandsdegen« der Volkswirtschaftslehre geworden, um auf andere Gebiete der Sozialwissenschaften auszugreifen.

Wenig beachtet wurde dabei allerdings, dass die Neue Institutionenökonomik selbst sich in den letzten Jahren substanziell verändert hat. Diese Veränderungen lassen sich im Wesentlichen auf folgende zwei Aspekte zuspitzen: Zum einen hat sie sich von einem mikroökonomischen Theorieansatz, der vor allem zur Analyse von Organisationen (v. a. Unternehmen) angewandt wurde, zu einem vorrangig makroökonomischen Ansatz entwickelt, der die Entwicklung von Institutionen im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in den Blick nimmt. Zum anderen hat sie sich zunehmend vom Effizienzgedanken verabschiedet. Das bedeutet, wie Birger Priddat in seinem Beitrag für den vorliegenden Sammelband schreibt, dass Institutionen (worunter die Neue Institutionenökonomik Regelsysteme im weitesten Sinne versteht) zwar Märkte effizienter machen, aber nicht unbedingt selbst effizient sein müssen. Das ist ein zentraler Unterschied zu der von dem Begründer der Neuen Institutionenökonomik, dem US-amerikanischen Ökonomen Douglass C. North, ursprünglich ausgearbeiteten Theorie des institutionellen Wandels. Bei North galt das Effizienzkriterium selbstverständlich auch für Institutionen; er selbst hat jedoch später festgestellt, dass kulturelle Einflüsse wichtig sind und dass es nicht die eine institutionelle Antwort auf die Frage gibt, wie Effizienzprobleme von Märkten behoben werden können.

Mit diesen Veränderungen beschäftigen sich die Beiträge in dem vorliegenden Sammelband. So stellt zunächst Birger Priddat in einem instruktiven Beitrag fest, dass die kulturelle Öffnung des Institutionenbegriffs nicht nur dazu geführt hat, dass dieser selbst zunehmend pluralistisch wurde. Vielmehr zieht er auch die Schlussfolgerung, dass Institutionen unterschiedliche Zeiten und temporale Logiken besitzen. Das hat insbesondere Konsequenzen für die Akteure, die sich in ganz unterschiedlichen institutionellen Kontexten bewegen müssen. Der Beitrag von Joachim Zweynert und Ivan Boldyrev zielt in eine ähnliche Richtung und stellt die Diagnose, dass sich gerade angesichts der Pluralisierung des Institutionenbegriffs und der zu beobachtenden Pluralisierung globaler Institutionen für die Volkswirtschaftslehre das Problem der historischen Spezifizität stellen müsse. Ihrer Ansicht nach müsste das zwingend zu einer Methodendebatte führen, die aber weit und breit nicht in Sicht sei.

Gerhard Wegener wiederum argumentiert in seinem interessanten wirtschaftshistorischen Aufsatz, dass der institutionelle Wandel Preußens seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht ausschließlich ein liberales Projekt, sondern durch das Interesse des Staates an einer Verbesserung seiner Einnahmen motiviert gewesen sei. Erst die sich daraus ergebenden Verquickungen seien eine Voraussetzung für den Erfolg des institutionellen Wandels gewesen.

Volker Caspari beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Unterscheidung zwischen inklusiven und extraktiven Institutionen, die Douglass C. North zusammen mit Barry Weingast und John Wallis relativ spät zur Erklärung gewalttätiger Gesellschaften entwickelt hat. Das stellte einen wichtigen Beitrag zur weiteren Theorieentwicklung dar. Dieser wurde insbesondere von Daron Acemoğlu und James A. Robertson in ihrem vielrezipierten Werk »Why Nations fail?« (2012) aufgegriffen, auch wenn die genannte Unterscheidung durchaus kritische Einwände provoziert. Alexander Ebner schließlich geht in seinem Beitrag der zunehmenden Bedeutung kultureller Faktoren für die Institutionenentwicklung nach. Das hat insbesondere bei North, aber auch bei anderen Theoretikern zu einer Distanzierung von der Annahme geführt, dass Institutionen an sich effizient sein müssten, damit sie das Funktionieren von Märkten effizienter machen können.

Insgesamt ist der vorliegende Sammelband sehr gut gelungen. Die Beiträge sind insgesamt kohärent und bieten zahlreiche neue Überlegungen und Denkanstöße. Es ist allerdings eine Eigenart der Reihe »Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie«, dass die Bände häufiger Beiträge enthalten, die mit dem jeweiligen Thema vergleichsweise wenig zu tun haben. So wird auch dieser Band von einem zwar schönen Artikel des jüngst verstorbenen Wirtschaftshistorikers Toni Pierenkemper abgeschlossen, der sich mit dem englischen Sozialstatistiker Gregory King aus dem 17. Jahrhundert beschäftigt, mit dem Thema des Sammelbandes jedoch höchstens lose zu tun hat.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Roman Köster, Rezension von/compte rendu de: Volker Caspari (Hg.), Kontinuität und Wandel in der Institutionenökonomie. Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie, Berlin (Duncker + Humblot) 2018, 177 S., 1 Abb. (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 115/XXXIII), ISBN 978-3-428-15340-4, EUR 79,90., in: Francia-Recensio 2019/3, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66578