An Büchern über Populismus herrscht kein Mangel – kein Wunder angesichts der anhaltenden, ja sogar wachsenden Unterstützung, die populistische Forderungen, Programme, Parteien, Politiker und Politikerinnen weltweit erfahren. Was hat das Buch Manows im Vergleich mit der großen Zahl einschlägiger Arbeiten an neuen Erkenntnissen zu bieten? Der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bremen war sich dieses Problems durchaus bewusst, und er macht gleich in der Einleitung deutlich, worauf es ihm ankommt. Er möchte auf zwei aus seiner Sicht gravierende Defizite der bisherigen Debatte reagieren: Zum einen darauf, dass »in ganz überwiegendem Maße über Populismus geredet wird, ohne zugleich über Kapitalismus zu sprechen« (S. 9) – genauer: über spezifische Kapitalismen, also unterschiedliche Wirtschafts- und Wohlfahrtsmodelle, die von den krisenhaften Entwicklungen seit der Jahrtausendwende »recht unterschiedlich betroffen sind« (S. 18). Zum anderen auf das »Fehlen eines systematischen Vergleichs« beziehungsweise eines »vergleichenden Analyserahmens« (S. 12).

Mit seinem politökonomischen Zugriff wendet sich Manow dezidiert gegen die verbreitete »kulturalistische Sicht auf das populistische Phänomen« und deutet Populismus im Anschluss an Dani Rodrik »im Wesentlichen als Protestartikulation gegen Globalisierung«, und zwar »gegenüber zwei ihrer hauptsächlichen Erscheinungsformen: dem internationalen Handel und der Migration« (S. 11). Im Gegensatz zu gängigen Erklärungsansätzen beharrt er darauf, dass es »sehr wohl bestimmte, spezifische und vor allem auch beschreibbare Problemkonstellationen vornehmlich ökonomischen Charakters sind, die populistischen Protest provozieren und seine diversen politischen Ausrichtungen mit jeweils unterschiedlichen Hauptträgergruppen erklären können« (S. 15; Hervorhebungen vom Autor).

Derart eingestimmt, erwartet die Leser und Leserinnen eine hochkonzentrierte, dichte und differenzierte Analyse des – rechten und linken – Populismus: der die bisherigen Debatten kennzeichnenden Definitions- und wechselseitigen Ausgrenzungsversuche und der unterschiedlichen Erscheinungsformen in Nord und Süd sowie Ost und West. Manows Befund: »der populistische Protest variiert in seiner politischen Ausrichtung, je nachdem, welcher der beiden Prozesse politisch problematisch wird, die Migration oder der Handel«, und in seiner Trägerschaft, »je nachdem, ob es sich überwiegend um Arbeits- oder um Fluchtmigration handelt« (S. 62f.). Anschließend untersucht Manow den Aufstieg der Rechtspopulisten in Deutschland. Sein – freilich nicht gänzlich neues – Fazit lautet hier, dass die Rechtspopulisten nicht in den »strukturschwachen Gebieten, sondern gerade dort, wo das traditionelle deutsche industrielle Modell noch intakt ist, […] überdurchschnittliche Erfolge« feiern konnten (S. 97).

In der Bundestagswahl vom September 2017, bei der die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) »aus dem Stand« 12,7 % der Stimmen erhielt, kamen laut Manow »mehrere Entwicklungen zusammen: zunächst und hauptsächlich der massive, als krisenhaft erlebte Anstieg der Zuwanderung in und nach 2015; dazu das Bewusstsein von der eigenen ökonomischen Verletzlichkeit, das im Osten aufgrund der aus dem Transformationsprozess resultierenden Verwerfungen« besonders ausgeprägt war, und schließlich die unter dem Label »Agenda 2010 vollzogene Abwicklung des alten Modells sozialstaatlicher Statussicherung« (S. 100f.). Den Abschluss bilden die Erprobung des politökonomischen Erklärungsschemas im europäischen Vergleich und ein kurzer Ausblick auf den Zusammenhang zwischen europäischer Integration und dem Aufstieg populistischer Strömungen.

Das Buch bietet eine Fülle präziser Daten und Beobachtungen sowie kluger Überlegungen zu einem Phänomen, das uns sicherlich noch lange beschäftigen wird. Wenn es stimmt, dass die bisherige öffentliche Debatte von einem »Theoriedefizit und Moralüberschuss« charakterisiert war – dann hat Manow dazu beigetragen, sowohl das Defizit als auch den Überschuss spürbar zu verringern. Ein unbedingt lesenswertes Buch!

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Werner Bührer, Rezension von/compte rendu de: Philip Manow, Die Politische Ökonomie des Populismus, Berlin (Suhrkamp) 2018, 177 S. (edition suhrkamp, 2728), ISBN 978-3-518-12728-5, EUR 16,50., in: Francia-Recensio 2019/3, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.3.66592