Patrick Leiskes Buch gilt einer speziellen Disziplin des historischen Schwertkampfes: Im sogenannten »Bloßfechten mit dem langen Schwert« begegneten sich die Kontrahenten ohne Rüstung, nur unter Verwendung eines ca. 100 bis 120 cm langen zweihändig geführten Schwerts. Die Waffe war mit durchschnittlich wohl zwischen 1,5 und 2 Kilogramm deutlich leichter als gemeinhin angenommen. Ein wuchtiges, viele Kilogramm schweres Schwert sei für das Fechten völlig ungeeignet gewesen und ist nach Auffassung des Autors als Mythos anzusehen.

Patrick Leiske versteht seine Studie als eine Technikgeschichte. Den meisten Platz nimmt daher die Analyse von Kampftechniken und -taktiken ein, die in sogenannten Fechtbüchern aus dem deutschsprachigen Raum ihren Niederschlag gefunden haben. Der Autor stützt seine Untersuchung fast ausschließlich auf diese Quellengruppe, die ihm aus einer breiten Handschriftenüberlieferung bekannt ist und neben dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand den Mittelpunkt der Studie bildet.

Der erste Teil enthält neben einer Einführung in das Thema, die Fragestellung und den Forschungsstand vor allem eine Vorstellung der Quellen sowie eine Reflexion über deren Aussagekraft in Bezug auf die in Text und Bild kommunizierten Techniken. Wie der Autor betont, möchte er keine anwendungsbezogene Lesart verfolgen, der es an einer praktischen Rekonstruktion historischer Kampftechniken gelegen wäre. Körpertechniken und Bewegungswissen könnten nur bedingt in Texten und Bildern übermittelt werden, eine Rekonstruktion sei daher immer auf eine tendenziell ahistorische Interpretation angewiesen.

Stattdessen fragt Patrick Leiske danach, was sich allein aus den Fechtbüchern über die Techniken des Bloßfechtens mit dem langen Schwert ableiten lässt und wie die Begrifflichkeit, Form und Entwicklung der speziellen Traktate zu verstehen und einzuordnen ist. Die Heranziehung von Erfahrungswissen aus dem Bereich des experimentellen historischen Fechtens steht für den Autor mit diesem Vorhaben einer historischen, primär textbezogenen Quellenanalyse nicht in Widerspruch.

Der zweite Teil umfasst die eigentliche Untersuchung und wählt eine morphologische Erzählstruktur (»Anfänge«, »Blütezeit« und »Niedergang«). Ausführlich behandelt wird zunächst die einflussreiche Lehre des Fechtmeisters Johannes Liechtenauer, der in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gelebt haben dürfte. Über dessen Person ist kaum etwas bekannt, auch seine Lehre ist nur durch spätere Glossierungen überliefert. Dennoch unternimmt der Autor den Versuch, einen ursprünglichen Liechtenauer-Text zu rekonstruieren, und arbeitet heraus, was Liechtenauers Lehre von früheren unterschied und sie für viele spätere Fechtmeister und Rezipienten maßgeblich machte.

Als innovativ erwiesen sich demnach vor allem die sogenannten »fünf Hiebe«. In ihnen tritt eine Technik in Erscheinung, die sich offenbar gegenüber älteren, weniger ausgefeilten Fechtlehren als überlegen erwies. Diese ältere, in Patrick Leiskes Bezeichnung »allgemeine« Fechtlehre hat sich aufgrund von Liechtenauers Dominanz in der schriftlichen Überlieferung nur bruchstückhaft erhalten. Bemerkenswert ist Liechtenauers Grundprinzip, möglichst kräfteschonend, effektiv und (für einen selbst) risikominimierend zu kämpfen; dazu habe gehört, dem Kampf ein schnelles Ende zu bereiten, idealerweise mit dem ersten Hieb. Lange, spektakuläre Klingenwechsel waren also nicht intendiert.

Liechtenauers Lehre stellt sich für den Autor als eine Art von Meisterschule dar, die nur für bereits mit den Grundlagen des Fechtens vertraute, fortgeschrittene Schüler von Gewinn hätte sein können. Die in Versen verdichtete Form des Traktats habe einerseits der Verschlüsselung und Geheimhaltung gedient, andererseits eine mnemotechnische Funktion besessen, die klare Struktur zur späteren Verbreitung beigetragen.

Die weiteren Kapitel des zweiten Teils beleuchten in erster Linie die Rezeption von Liechtenauers Lehre. Dabei thematisiert der Autor, wie die Inhalte neu geordnet oder mit Elementen früherer oder paralleler Lehren zusammengeführt wurden. Allerdings habe es auch Versuche gegeben, sich mit einer eigenen Lehre, auf der Grundlage zwar, aber in scheinbarer Abkehr von Liechtenauer zu profilieren.

Der Fall Hans Talhoffers sei dafür beispielhaft. Mit ihm oder auch Paulus Kal wird um die Mitte des 15. Jahrhunderts nicht nur die Überlieferung dichter, sondern auch die Person des Fechtmeisters besser greifbar. Beide standen im Dienst von Adligen und Fürsten und betätigen sich über die Fechtlehre hinaus als Waffenmeister. Dass gleich mehrere Handschriften aus ihrer Feder überliefert sind, erklärt sich dem Autor zufolge durch die Absicht der Selbstvermarktung und Selbstdarstellung, die vor allem Talhoffer mit großem Erfolg betrieben habe. Die Lehre vom Fechten wurde bei ihm mit gelehrten Wissensbeständen vereinigt, der Fechtmeister so zum kenntnisreichen Coach, der seinen Klienten umfassende Betreuung anbot, und die Handschrift zu seinem persönlichen Werbemedium. Die Strahlkraft der Liechtenauer-Lehre und ihre Nutzung für eigene Zwecke wird nicht zuletzt am Beispiel von Johannes Lecküchner aufgezeigt, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine ganz andersartige Waffe, das lange Messer, in Liechtenauers Fechtsystem einzupassen versuchte.

Im 16. Jahrhundert zeigten sich Tendenzen zu einem enzyklopädischen Sammeln und einer verstärkt didaktischen Aufbereitung, die sogar Übungen an die Hand gab. Jedoch hätten die Fechtbücher, wie allgemein für das Genre zu konstatieren sei, die Anleitung und Anweisung durch einen Fechtlehrer keinesfalls ersetzen, sondern allenfalls ergänzen und unterstützen können.

Am Ende des in den Blick genommenen Zeitraums steht die Beobachtung, dass Vorstellungen von einem gewalttätigen, eher plumpen Aufeinanderdreinhauen im deutschsprachigen Diskurs um das Schwertfechten erstmals im ausgehenden 16. Jahrhunderts aufkamen. In dieser Zeit wird das Schwert durch leichtere, filigranere Waffen wie den Rapier abgelöst. Aus Sicht des Autors sind allerdings weniger die Brüche als vielmehr die Kontinuitäten zu betonen, die vom Bloßfechten mit dem langen Schwert zu den frühneuzeitlichen Stoßwaffen und damit zum modernen Sportfechten führten. Entscheidend sei dafür die Haltung mit zwei Händen gewesen: Sie ermöglichte auch beim Schwert eine gute Kontrolle sowohl bei Hieben als auch beim Zustoßen.

Der dritte Teil sucht schließlich Antworten auf die Frage nach Funktion und Kontext des Bloßfechtens mit dem langen Schwert. Diese Fechtweise sei kaum mit einem Einsatz im Krieg in Verbindung zu bringen, auch der gerichtliche Zweikampf scheide als Anwendungsbereich aus. Sehr viel eindeutiger trete der Zusammenhang mit Duellen hervor, ernster, häufiger aber wohl sportlicher Natur. So hätte das Bloßfechten mit dem langen Schwert nicht zuletzt der Ausbildung und Erziehung von Adligen gedient und trete mit deren ritterlich-höfischen Wertesystem in Verbindung. Als Leibesertüchtigung, Unterhaltung und Spiel sei es selbst in klerikalen Kreisen praktiziert worden.

Ein fachsprachliches Glossar, Namens- und Sachregister sowie 17 Farbtafeln mit den Inhalt illustrierenden Abbildungen und Grafiken schließen zusammen mit der Bibliografie den Band ab.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Aaron Jochim, Rezension von/compte rendu de: Patrick Leiske, Höfisches Spiel und tödlicher Ernst. Das Bloßfechten mit dem langen Schwert in den deutschsprachigen Fechtbüchern des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Ostfildern (Jan Thorbecke Verlag) 2018, 308 S., 17 farb. Abb., ISBN 978-3-7995-1257-2, EUR 40,00., in: Francia-Recensio 2019/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68312