Für die archäologische Erforschung der französischen Zisterzienserabteien ist in den letzten drei Jahrzehnten viel geschehen. Morimond an der Grenze zum mittelalterlichen Reich, Mutterkloster einer bedeutenden Zahl von Tochterklöstern besonders auch in Deutschland und Spanien, ist archäologisch ein besonders schwieriger Fall. Die Gebäude des eigentlichen Klosterbezirks wurden schon früh Opfer von Kriegsereignissen. Im 18. Jahrhundert hat man vieles überbaut, es im frühen 19. Jahrhundert nach der Revolution aber so gründlich abgerissen wie an kaum einem anderen Standort dieses Ordens. Mehr weiß man von den landwirtschaftlichen Außenbesitzungen des Klosters, den Grangien. Dies vor allem seit der Veröffentlichung eines vorzüglichen Urkundenbuches (»recueil des chartes«) für das 12. Jahrhundert durch Hubert Flammarion 2015. Nähere Angaben über die Klostergebäude fehlen freilich dort fast ganz. So bleibt Benoît Rouzeau, der Leiter der Ausgrabungen und Hauptverfasser des vorliegenden Bandes, in vieler Hinsicht angewiesen auf die bessere Überlieferung der zeitgenössischen, vor allem französischen Ordenshäuser.

Das Charakteristische im Fall von Morimond ist die Erhaltung eines guten Teils der wassertechnischen Anlagen des Klosters. Unter dem zweiten Abt Galcherius/Gaucher (1126–1138), zuvor Prior von Clairvaux, müssen diese Anlagen im Untergrund entstanden sein, bevor das Kloster von seinem frühesten Standort weiter oberhalb (le Vieux Morimond) in den relativ engen Talabschnitt des Flambart verlegt wurde, eines Zulaufes zur oberen Maas, wo vor allem mehr Wasserkraft zur Verfügung stand. Ähnliche Verlagerungen früher Zisterzienserklöster sind bekanntlich häufig geschehen, man denke an Altenberg. Rouzeau nennt auf Seite 30 als weitere Fälle Cîteaux, Clairvaux, Montiers-en-Argonne, Reigny und La Bussière in Burgund. Im Fall von Morimond war also vor allem die Erforschung der wassertechnischen Anlagen lohnend, ihnen hat sich der Leiter der Ausgrabungen mit großer Hingabe gewidmet. Vorstudien liegen seit 1994 vor. Im ersten Teil der jetzt zusammenfassenden Arbeit ist der Abschnitt 5 (S. 29–67) der wichtigste1.

Ausgangspunkt war der Bau eines großen Wasserspeichers (grand étang) oberhalb des zweiten Klosters, die Energiereserve für die bald folgenden Mühlen und Werkstätten innerhalb wie unterhalb der Klostermauern. Weitere Teiche schlossen sich oberhalb an, dazu nah beim Kloster noch ein großer Fischteich. Da der Hauptdamm des grand étang erhalten ist, hätte man sich über seine Bauweise eine nähere Analyse gewünscht, denn er schützte sämtliche Klostergebäude ähnlich wie im Fall eines schwäbischen Tochterklosters von Morimond, Maulbronn, das offenbar von den Erfahrungen des Mutterklosters profitiert hat. Man konsultiere die Untersuchungen von Seidenspinner2. Umso genauer bei Rouzeau ist die Untersuchung der vom Brauchwasser der Teiche streng getrennten Trinkwasserversorgung und ebenso die der stark vernetzten Entwässerungskanäle. Hier hat Morimond mehr zu bieten als viele andere, im Oberbau besser erhaltene Zisterzienserklöster, an deren Substruktionen man nicht herankommt.

Im zweiten Teil des Bandes folgen eine sorgfältige Dokumentation der (wenigen) erhaltenen baulichen Reste des Klosters wie vor allem der Baumaterialien, und ein Blick auf die langsam fortschreitenden Zerstörungen seit dem 14. Jahrhundert. Näheres zum 19. Jahrhundert findet man in einem Beitrag Rouzeaus zu dem von Paul Benoit betreuten Band »L’industrie cistercienne«3, S. 367–372.

Der dritte Teil (S. 221–263) behandelt die Einzelfunde der verschiedenen Grabungskampagnen. Insgesamt besticht der Band durch seine vorzügliche Ausstattung, seine gute Lesbarkeit und reiche Illustration. Die Bibliografie erfasst die Zisterzienserstudien der letzten Jahrzehnte vor allem in Frankreich.

1 Wichtige Ergänzung betr. die wassertechnischen Anlagen der Abtei Aulne im südlichen Belgien: Dirk Roelandt, Geneviève Laurent, Le réseau hydraulique de l’abbaye d’Aulne, un réseau exceptionnel de la maîtrise de l’eau chez les Cisterciens, in: Éric Delaissé, Jean-Marie Yante (dir.), Les cisterciens et l’économie des Pays-Bas et de la principauté de Liège (XIIe–XVe siècles), Louvain-la-Neuve 2017, S. 173–182.
2 Wolfgang Seidenspinner W., Das Maulbronner Wassersystem. Relikte zisterziensischer Agrarwirtschaft und Wasserbautechnik im heutigen Landschaftsbild, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 18 (1989), S. 181‒191.
3 Paul Benoit, Arnaud Baudin, Joséphine Rouillard, Benoît Rouzeau (dir.), L’industrie cistercienne (XIIe–XXIe siècle). Actes du colloque international. Troyes – abbaye de Clairvaux – Abbaye de Fontenay, 1er–5 septembre 2015, Paris 2019.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Dietrich Lohrmann, Rezension von/compte rendu de: Benoît Rouzeau (dir.), Morimond. Archéologie d’une abbaye cistercienne, XIIe–XVIIIe siècles, Nancy (PUN – Éditions universitaires de Lorraine) 2019, 292 p., 335 fig. (Archéologie, Espaces, Patrimoines), ISBN 978-2-8143-0317-1, EUR 29,00., in: Francia-Recensio 2019/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68324