Friedensverträge zwischen Maximilian I. und den Königen von Frankreich sind der Forschungsgegenstand von Gesa Wilangowski, den Untersuchungszeitraum bilden die drei Jahrzehnte zwischen Maximilians Heirat mit Maria von Burgund 1477 und der Liga von Cambrai 1508. Bei dem Buch handelt es sich um die Druckfassung einer an der Universität Münster entstandenen Dissertation. Ein Vergleich mit Gregor Metzigs 2016 im Druck erschienener Doktorarbeit »Kommunikation und Konfrontation«1 zur maximilianeischen Diplomatie scheint daher zunächst naheliegend, tatsächlich aber unterscheiden sich beide Studien nicht nur in ihrer methodischen Ausrichtung, sondern auch im behandelten Zeitraum: Metzig konzentriert sich mit seinen Fallbeispielen auf die letzten beiden Jahrzehnte von Maximilians Herrschaft und interessiert sich mehr für die Akteure der Diplomatie und ihre Interaktionen als für die Vertragstexte.

Wilangowski beginnt mit einem Theoriekapitel, das dankenswerterweise recht überschaubar bleibt. Sie konstatiert eine Forschungslücke im Bereich der spätmittelalterlichen Vertragsdiplomatie und will mit der vorliegenden Veröffentlichung dazu beitragen, die Textsorte des Vertrags »über seine rechtliche Fundierung hinaus als facettenreiches Instrument der Diplomatie zu begreifen« (S. 5).

Die erste Hälfte der Untersuchung befasst sich mit Maximilians Zeit in Burgund und seinen Bemühungen, das Erbe Karls des Kühnen für die Habsburger zu sichern. Die Autorin konzentriert sich dabei auf den juristischen Aspekt der Auseinandersetzung. In Kapitel 2 beschreibt sie die juristische Tradition und die rechtstheoretischen Diskurse der Zeit. Auf diese konnte einerseits Ludwig XI. zurückgreifen, als er die burgundischen Lehen für die Krone einziehen wollte, andererseits aber auch Maria von Burgund, um ihren Anspruch zu untermauern. Im Detail analysiert Wilangowski einschlägige theoretische Abhandlungen – konkret einerseits jene Jean d’Auffays, der Marias weibliche Nachfolge dadurch stützte, dass er sie zur princesse naturelle erklärte; die königlich-französische Perspektive vertreten entsprechende Texte von Guillaume Cousinot und des Kanzlers Pierre Doriole.

Die Analyse solcher Quellen ist die große Stärke des Buches. Wilangowski geht ins Detail, achtet auf Feinheiten in den Formulierungen. Das führt sie auch in den folgenden Kapiteln fort. Kapitel 3 behandelt die Versuche der Jahre 1478 bis 1480, zu einem Waffenstillstand zu gelangen, Kapitel 4 die Friedensverträge von Arras (1482) und Senlis (1493). Beide werden in den institutionellen und diskursiven Kontext ihrer Entstehung gestellt, so gibt die Autorin den unterschiedlichen Auffassungen der Zeitgenossen breiten Raum, ob und inwieweit das parlement in Paris als oberste Rechtsinstanz für den burgundischen Länderkomplex zu gelten habe. Im Fall des Textes von Arras geht sie außerdem besonders ausführlich auf die ganz praktischen Auswirkungen des Vertragswerks auf das rechtliche Verhältnis der Untertanen zu den beiden beteiligten Fürsten ein. Ausführlich geschildert werden auch die Vorwürfe des Vertragsbruchs, die Maximilian und Ludwig XI. gegeneinander erhoben und die nach dem bretonischen »Brautraub« von 1490 zu einem festen Topos der maximilianeischen Propaganda gegen Frankreich werden sollten. Immer wieder kehrt Wilangowski aber zu den Vertragstexten selbst zurück.

In der zweiten Hälfte (Kap. 5–9) weitet sich die Perspektive des Buches. Maximilian ist nun Römischer König, seine Diplomatie ist nicht mehr bloß die eines Reichsfürsten, sondern die des Oberhaupts des Reiches, dessen Stände – man denke an die Bemühungen des Mainzer Erzbischofs Berthold von Henneberg in der zweiten Hälfte der 1490er-Jahre – resolut ein Mitbestimmungsrecht auch im Umgang mit äußeren Mächten einforderten. Das wurde auch von außen wahrgenommen: Der französische Hof sah zeitweise das Reichsregiment als gleichwertigen zweiten Ansprechpartner neben dem Römischen König, wie Wilangowski u. a. am Beispiel der Bemühungen zeigt, den Frieden von Trient 1501 nicht nur von Maximilian, sondern auch vom Reichstag ratifizieren zu lassen, die »von einer Außenwahrnehmung des Reiches als dualistisches Gefüge« zeugen (S. 180f.). Das Beispiel der Verhandlungen im Vorfeld der Liga von Cambrai zeigt dann nochmals das Bemühen der auf dem Reichstag versammelten Stände selbst, kollektiv als Akteur der Reichspolitik auch nach außen aufzutreten.

Bedeutende Schwächen zeigen sich leider in der Arbeit des Lektorats bzw. allgemein in der Vorbereitung der Drucklegung. So hat es eine ganze Reihe von Rechtschreib- bzw. Druckfehlern in die Endfassung des Buches geschafft: Einmal findet sich etwa die Schreibung »Stadthalter« (S. 157), und auf S. 213 steht zweimal »dass« statt »das«. Heinrich Tokes »Concilia« werden auf 1542 statt korrekt 1442 datiert (S. 144). In Fußnote 776 (S. 119) wie auch im Literaturverzeichnis (S. 270) verweist Wilangowski auf einen Aufsatz, der voraussichtlich 2014 erscheinen solle. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Dissertation war diese Angabe sicherlich korrekt - als das Buch 2017 veröffentlicht wurde, aber definitiv nicht mehr; tatsächlich ist der genannte Sammelband 2015 erschienen2. Der Tiroler Landhofmeister heißt Paul statt Michael von Wolkenstein (S. 193), was auf eine Verwechslung mit dem im selben Satz erwähnten Paul von Liechtenstein zurückgehen dürfte. Der gleiche Fehler wiederholt sich im Personenregister (S. 288), in dem sich noch einige weitere Ungereimtheiten finden.

Diese formalen Unzulänglichkeiten trüben den ansonsten positiven Gesamteindruck etwas, trotzdem bleibt das Buch lesenswert, vor allem wegen der sehr detaillierten Quellenanalysen und der durchaus innovativen Herangehensweise an juristische Texte aus einer kulturgeschichtlichen, aber zugleich auch die Verwaltungs- und Herrschaftspraxis miteinbeziehenden Perspektive. Gesa Wilangowski zeigt, wie in Verhandlungen um jede einzelne Formulierung gerungen wurde, weil man sich der Tatsache bewusst war, dass die jeweils andere Seite unklare Textstellen für ihre Zwecke ausnutzen würde, und wie ratifizierte Verträge auch einfach ignoriert wurden, wenn neue politische Erfordernisse es verlangten.

1 Gregor M. Metzig, Kommunikation und Konfrontation. Diplomatie und Gesandtschaftswesen Kaiser Maximilians I. (1486–1519), Berlin 2016 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, 130).
2 Es handelt sich um: Stéphane Péquignot, Figure et normes de comportement des ambassadeurs dans les documents de la pratique: un essai d’approche comparative (ca. 1250–ca. 1440), in: Stefano Andretta, Stéphane Péquignot, Jean-Claude Waquet (Hg.), De l’ambassadeur. Les écrits relatifs à l’ambassadeur et à l’art de négocier du Moyen Âge au début du XIXe siècle, Rom 2015 (Collection de l’École française de Rome, 504).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Markus Debertol, Rezension von/compte rendu de: Gesa Wilangowski, Frieden schreiben im Spätmittelalter. Entstehung einer Vertragsdiplomatie zwischen Maximilian I., dem römisch-deutschen Reich und Frankreich, Berlin; Boston (De Gruyter Oldenbourg) 2017, X–288 S. (Ancien Régime, Aufklärung und Revolution, 44), ISBN 978-3-11-049057-2, EUR 69,95., in: Francia-Recensio 2019/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68330