Die Hugenottenforschung hat sich in den letzten Jahrzehnten immer stärker internationalisiert. Trotzdem liefen die Interessen der Historikerinnen- und Historikerschaft am Protestantismus in Frankreich und am europäischen Refuge gelegentlich noch eher nebeneinander her, als dass sie sich gegenseitig befruchtet hätten. Umso begrüßenswerter ist es daher, dass die drei hier vorzustellenden Werke auf unterschiedliche Weise die Verbindungen zwischen der Geschichte der protestantischen Minderheit in Frankreich und der französischen Minderheit im protestantischen Europa thematisieren. Wie näher darzustellen sein wird, dominiert jedoch über weite Strecken eine innerfranzösische Perspektive.

Das Taschenbuch von Philippe Joutard erzählt die Vor- und Nachgeschichte des Edikts von Fontainebleau aus dem Jahr 1685, mit dem Ludwig XIV. die Regelungen des Edikts von Nantes außer Kraft setzte und die Episode des Protestantismus in Frankreich für beendet erklären ließ. Von Fontainebleau aus entwickelt Joutard für ein breiteres Publikum eine Geschichte der Hugenotten. Er fragt, ob man am Revokationsedikt den Beginn einer spezifischen, von Intoleranz geprägten »culture de la Révocation« (S. 24) in der Geschichte Frankreichs der Folgezeit festmachen könne. Im Einklang mit neueren Forschungen wird das Edikt nicht als völliger Bruch interpretiert, sondern eher als Kulminationspunkt monarchischer Marginalisierungsversuche gegenüber den Protestanten: Das Augenmerk des Verfassers liegt zum einen auf den engen Grenzen protestantischer Glaubensausübung in den vorangegangenen knapp hundert Jahren seit dem Edikt von Nantes. Zum anderen geht es um Folgen, Nachgeschichte und Gedächtnis des Revokationsedikts. Dabei werden das Refuge knapp (und etwas holzschnittartig) gestreift, ausführlicher dagegen die Entwicklungen in Frankreich bis in die heutige Zeit dargestellt. Joutard betont die bis in die napoleonische Ära andauernde »incapacité« (S. 362, 367) französischer Politik, Gewissensfreiheit zu akzeptieren; er diskutiert die These Edgar Quinets aus dem 19. Jahrhundert, wonach die gewaltsame Schwächung des französischen Protestantismus zu kultureller Uniformität und »pré-totalitarisme« geführt und die Entwicklung liberal-demokratischer Strukturen im Unterschied zur anglo-amerikanischen Welt verhindert habe (vgl. S. 424, 449).

Im Ergebnis hat Ludwig XIV. bekanntlich das Edikt nicht als gewünschten internationalen Erfolg verbuchen können; zudem habe es ihm an Machtmitteln zur Durchsetzung im Inneren gefehlt. In die Moderne weise Fontainebleau insofern, als es erstens die Unterordnung der Religion unter das Staatswohl festgeschrieben, zweitens für die verbliebene protestantische Minderheit die Glaubensausübung auf das Individuum übertragen und drittens anhand der Verbindungen von Désert und Refuge zur Ausprägung effizienter Kommunikationsstrukturen beigetragen habe – einschließlich der Erfindung des Guerillakriegs bei den Camisards. Etwas im Widerspruch zum unter dem Strich doch dominierenden Frankreichbezug des Buches steht die abschließende Betonung der europäischen, wenn nicht globalen Bedeutung von Fontainebleau.

Während sich Joutards Buch als gut lesbare Gesamtgeschichte des Phänomens Hugenotten verstehen lässt, behandelt Pauline Duley-Haour in ihrer eher zitatlastigen Qualifikationsschrift speziell den sogenannten désert der in Frankreich nach Fontainebleau verbliebenen Protestanten, unter besonderer Berücksichtigung von deren Kommunikationsverbindungen ins Refuge. Auch dieses Werk nimmt, trotz seines auf eine »internationale huguenote« verweisenden Untertitels, weitgehend eine auf Frankreich bezogene Perspektive ein.

Im Zentrum steht der umfangreiche Briefwechsel des Pastors Antoine Court (1695–1760), der bei der Reorganisation des Protestantismus im Frankreich des frühen 18. Jahrhunderts eine herausgehobene Rolle spielte. Grundlage der Arbeit ist das Korrespondenznetz Courts, dessen rund 7000 erhaltene, größtenteils in Genf aufbewahrte Briefe (charakteristische Beispiele im Quellenanhang) vor allem die Beziehungen in die Eidgenossenschaft, die Niederlande und nach Großbritannien dokumentieren. Die Territorien des Römisch-Deutschen Reichs bleiben eher außen vor.

Während der erste Abschnitt des Buches in diachroner Perspektive die Organisation (geheim-) protestantischen Lebens im Frankreich der Jahre nach Fontainebleau beschreibt, konzentriert sich der zweite Teil auf das Netzwerk des Pfarrers Court. Aufgewachsen in den Cevennen, verbrachte der spätere Gegner der camisardischen Inspirierten einen Teil seines Lebens damit, das theologische Seminar in Lausanne zu einem Zentrum der Ausbildung französischsprachiger reformierter Geistlicher auszubauen; unter Einsatz verschiedener Mitstreiter organisierte er finanzielle Hilfen für Gemeinden oder Kollekten zur Gefangenenbefreiung. Zudem agitierte er publizistisch für auswärtige Unterstützung der verbliebenen, »verwaisten« französischen Protestanten sowie speziell für den Wiederaufbau kirchlicher Strukturen.

So gelang es ihm, zahlreiche Personen aus dem Refuge ebenso wie aus dem europäischen Protestantismus zu mobilisieren (etwa den Erzbischof von Canterbury, William Wake), obwohl im nichtfranzösischen Ausland zunächst die Meinung vorgeherrscht hatte, man solle die restlichen Protestanten Frankreichs eher zur Emigration bewegen als sie vor Ort unterstützen. Insbesondere die Beziehungen auf die britische Insel erwiesen sich (wie so oft in jener Zeit) finanziell als lukrativ. Ohne die auswärtige Hilfe im Rahmen dieser »hugenottischen Internationale« wäre das Überleben des Protestantismus in Frankreich, so ein Fazit dieser wichtigen Untersuchung, ungleich schwieriger gewesen (S. 406, passim), selbst wenn Court und seine Korrespondenzpartner eine instrumentelle Rolle bei den erneuten Emigrationen des Jahres 1752 einnahmen (S. 345–350).

Wegweisend für die internationale, grenzüberschreitende Hugenottenforschung der letzten Jahrzehnte unter Einbeziehung Frankreichs und des Refuge waren ohne Zweifel die Arbeiten von Myriam Yardeni, die im Jahr 2015 verstorben ist. Von ihr liegt nun eine Sammlung von 20 Aufsätzen vor, die der Herausgeber Michaël Green zunächst noch gemeinsam mit der Autorin vorbereitet und nach ihrem Tod abgeschlossen und zum Druck befördert hat. Es handelt sich (mit einer Ausnahme) um bereits andernorts publizierte Texte der Jahre 1985 bis 2017 in französischer und englischer Sprache. Sie sind grob chronologisch angeordnet und behandeln in geografischer Perspektive neben dem auch hier dominierenden Frankreich das Refuge in England und Brandenburg-Preußen.

Beiträge zur Religionsgeschichte und zeitgenössischen politischen Theorie (etwa zum Denken reformierter Politiker und speziell zur Familie Duplessis-Mornay oder zu den theologischen Grundlinien bei Calvin und Beza) finden sich ebenso wie ideen-, sozial- und mentalitätsgeschichtliche Texte zu den Themen Verfolgung, Refuge und Toleranz (Utopien, Apologetik und politisches Denken rund um das Edikt von Fontainebleau, Selbstbilder und politische Einflüsse im Refuge, die Bedeutung der französischen Sprache sowie das Verhältnis von Calvinismus und Judentum). Der zwanzigste Text ist ein knappes Abstract eines Vortrags, den Yardeni kurz vor ihrem Tod auf einer Konferenz in Haifa gehalten hat und der ursprünglich in den Band aufgenommen werden sollte, allerdings verloren ging.

Über die Auswahl der einzelnen Texte kann man vermutlich geteilter Meinung sein; manche Aufsätze sind eher entlegen publiziert, andere dagegen in verbreiteten Standardwerken erschienen oder in Zeitschriften bzw. online leicht greifbar. Das Buch erleichtert gleichwohl den Zugriff auf das breite Oeuvre Myriam Yardenis. Es bietet zugleich in Gestalt eines wissenschaftlichen Vermächtnisses einen Überblick über die Zusammenhänge und vielfältigen Facetten ihres Schaffens. Ein Verzeichnis der Erstveröffentlichungen (S. 279f.) sowie eine (leider nicht ganz vollständige) Bibliografie des umfangreichen Werks der Autorin (S. 281–293) runden das Werk ab.

In der Summe lässt sich festhalten, dass alle drei hier vorgestellten Bücher die jüngst feststellbare Internationalisierung der Hugenottenforschung nur bedingt widerspiegeln. Dies ist am Wenigsten den Aufsätzen von Myriam Yardeni anzulasten, die sich bereits früh und gleichsam als Trendsetterin immer um grenzüberschreitende Bezüge zwischen Frankreich und dem europäischen Refuge bemüht hat. Wenn – was selten genug der Fall ist – in den anderen beiden Werken überhaupt nichtfranzösische Literatur herangezogen wird, dann ist diese häufig veraltet. Gerade die Ergebnisse einer europäisch oder gar global orientierten Hugenottenforschung der letzten Jahre hätten mancherlei Anlass geboten, stärker daran anzuknüpfen. An einer vergleichenden oder transfergeschichtlich arbeitenden Hugenottenforschung sollte jedenfalls – in Zeiten zunehmender globalhistorischer Themen, der Bedeutung wissenschaftlicher Austauschbeziehungen und dem allenthalben spürbaren Interesse an Minderheiten und Diasporen – kein Weg mehr vorbeiführen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Alexander Schunka, Rezension von/compte rendu de: Philippe Joutard, La révocation de l’édit de Nantes ou les faiblesses d’un État, Paris (Gallimard) 2018, 552 p. (folio histoire, 273), ISBN 978-2-07-276537-7, EUR 9,40; Pauline Duley-Haour, Désert et refuge: sociohistoire d’une internationale huguenote. Un réseau de soutien aux »Églises sous la croix« (1715–1752). Préface de Philippe Joutard, Paris (Honoré Champion) 2017, 504 p. (Vie des huguenots, 77), ISBN 978-2-7453-3178-6, EUR 80,00; Myriam Yardeni, Minorités et mentalités religieuses en Europe moderne. L’exemple des huguenots. Études recueillies par Michaël Green, Paris (Honoré Champion) 2018, 334 p. (Vie des huguenots, 80), ISBN 978-2-7453-4862-3, EUR 50,00. , in: Francia-Recensio 2019/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68453