Auf den ersten Blick scheinen Frauenaktivitäten in der Französischen Revolution ein gut beforschtes Thema zu sein, dem letztlich wenig Neues hinzugefügt werden kann und braucht. Die Debatte um die Frauen- und Bürgerinnenrechtserklärung einer Olympe de Gouges, die Genese einer Republik der »Brüder« (und weniger der Brüderlichkeit) und den Ausschluss der Französinnen vom aktiven Bürgerrecht – übrigens bis weit ins 20. Jahrhundert hinein – wurde ebenso breit geführt wie diejenige um das verblüffend moderne Scheidungsrecht der Revolutionszeit – und den Backlash unter dem Direktorium und später der Diktatur Napoleon Bonapartes, der sich dann auch im Privatrecht niederschlug.

Die Geschichte der weiblichen Beteiligung an der französischen Revolution ist somit eine Geschichte von enttäuschten Hoffnungen, von Diskriminierung des weiblichen Geschlechts durch die Gemeinschaft der Brüder – liberté, egalité, fraternité können letztlich als Begründung einer männlichen Demokratie gelten, nicht aber als Grundlage eines wahrhaft universell gültigen Bürgerbegriffs. Auch darüber sind schon viele Diskussionen geführt worden (und werden es weiterhin) – doch Katie Jarvis, Assistenzprofessorin an der Universität Notre Dame, gelingt es dennoch, mit ihrem Buch der Diskussion eine weitere Facette abzugewinnen. Sie kehrt der diskursanalytisch-depressiven Deutung der Revolutionsdebatten den Rücken und stützt sich wiederum, in der Tradition kulturwissenschaftlich-praxeologischer Arbeiten, weit mehr auf die Praktiken der historischen Akteurinnen – in diesem Fall auf die Praktiken der berühmt-berüchtigten dames des Halles, der Marktfrauen und Fischweiber –, um zu zeigen, dass die Entstehung und Gestaltung der ersten Französischen Republik und mit ihr der ersten nach-antiken Demokratie auf europäischem Boden eine von Zu- und Wechselfällen geprägte Geschichte hat.

Dass diese Geschichte stark von ökonomischen Verhältnissen und Praktiken geprägt war, ist in der Tat im diskursbesessenen Jahrzehnt vor der Jahrtausendwende etwas in Vergessenheit geraten. Die große Bedeutung, die Arbeit und Löhnen, Kreditaufnahme und Lizenzvergabe, Preisgestaltung und Kleinhandel in diesem Zusammenhang zukommen, wieder aus der Versenkung zu holen und sie geschlechtergeschichtlich zu deuten, ist das zentrale Anliegen der Verfasserin, was ihr überzeugend gelungen ist. In insgesamt sieben Kapiteln legt sie diese Zusammenhänge systematisch – und in mancher Hinsicht auch durchaus überraschend – offen. Ausgehend von der Überlegung, dass Les Halles, die Pariser Markthallen, der größte Raum öffentlichen Warenaustauschs im revolutionären Paris darstellte und (daher) alles, was über Rede- und Handelsfreiheit in der neugegründeten Nationalversammlung behandelt und beschlossen wurde, auch in den Markthallen Gültigkeit haben musste, stellt die Verfasserin die Handlungen und Äußerungen der Marktfrauen im Zeitraum von 1789 bis 1799 in den Mittelpunkt ihrer Suche nach der Vor- und Frühgeschichte der Demokratie in Frankreich und Europa, wobei die Frage der weiblichen Beteiligung am revolutionären Projekt (»female citizenship«) einen ebenso breiten Raum erhält wie diejenige des Verhältnisses von Demokratie und (Handels-)Freiheit. Als Quellengrundlage nutzt sie vielfältige und höchst unterschiedliche Überlieferungen in den verschiedenen Pariser Archiven, neben Gerichts- und Polizeiakten die Protokolle der Nationalversammlung und deren zahlreicher Kommissionen, aber auch Bildquellen und Zeitungsartikel spielen in der Studie eine wichtige Rolle.

In den ersten beiden Kapiteln präsentiert Jarvis zunächst den Hintergrund und die Vorgeschichte der politischen und ökonomischen Praktiken und Versammlungen der Dames des Halles – eine Gruppe von mindestens 150 Personen – als Vertreterinnen des Dritten Standes wie auch als wichtige Distributorinnen von Waren (v. a. Nahrungsmitteln) innerhalb der Hauptstadt des Königreichs und darüber hinaus. Des Weiteren treten uns hier auch die literarisch überformten Markweiber als Vertreterinnen des einfachen Volkes in Pamphleten und literarischen Produkten des Ancien Régime entgegen. Vor allem im genre poissard, aus dem dann die frühe revolutionäre Tagespresse im Zeitraum von 1789–1792 Inspirationen für die Darstellung der »Fischweiber« bezog, verkörperten sie die »Stimme des Volkes« in einzigartiger und eindeutiger Weise; stellvertretend für „das Volk“ erörterten sie die wichtigen tagespolitischen Fragen in teils vulgärer, aber immer gut verständlicher Sprache und trugen so wesentlich zur Politisierung und Meinungsbildung der Pariser »Massen« bei.

Im zweiten Kapitel treten die »Marktweiber« dann auch verstärkt selbst als revolutionäre Akteurinnen auf; hier findet sich der berühmte Marsch nach Versailles ebenso wie die Interventionen der Dames des Halles vor der Nationalversammlung zugunsten von Soldatenfrauen und -witwen. Im dritten und vierten Kapitel stehen dann die im engeren Sinn ökonomischen bzw. wirtschaftspolitischen Interventionen der »Marktweiber« zwischen Herbst 1789 und dem Ende der Monarchie 1792 im Vordergrund. Die finanz- und geldpolitischen Abenteuer der Revolutionsregierungen in diesem Zeitraum hatten direkte und z. T. gravierende Auswirkungen auf Preise und Marktaktivitäten – und damit auch auf die Dames des Halles, die sich in diesem Zeitraum v. a. gegen Spekulationen ebenso wie gegen Inflation und Währungsverfall engagierten.

Im fünften Kapitel diskutiert Jarvis dann die einschneidenden Maßnahmen gegen weibliche politische Aktivitäten, wie sie die Nationalversammlung im November 1793, gipfelnd im Verbot der sog. Frauenclubs, beschlossen. Die Eindämmung der Aktivitäten der »Straße«, wie man damals sagte, führte v. a. auch zu einer schärferen Kontrolle der sog. Frauenvolksbewegung, allen voran der radikalen Revolutionären Republikanerinnen, doch trafen die Maßnahmen auch die Marktfrauen, selbst wenn bzw. gerade weil diese bisweilen völlig andere politische Vorstellungen vertraten – etwa im Hinblick auf das sog. maximum, also eine Höchstpreisfestsetzung v. a. für Lebensmittel, die viele Familienmütter vehement einforderten, gegen die jedoch die Marktfrauen aus genuinem Eigeninteresse vehement ihre Stimme erhoben.

Mit dem Sturz Robespierres und dem Ende der Jakobinerherrschaft Ende 1794 eröffnete sich auch für die Marktfrauen wieder die Möglichkeit zur politischen Intervention, die v.a. in den Kapiteln sechs und sieben präsentiert wird. Doch die wirtschaftliche und politische Liberalisierung ging dennoch zu Lasten der Dames des Halles wie übrigens aller Französinnen: Die Abgeordneten der Nationalversammlung entzogen den Marktfrauen die steuerliche Unabhängigkeit und ihre Lizenzen (wieder) und das Direktorium re-etablierte per Verfassung die Idee von der politischen Mitsprache als Privileg der männlichen Haushaltsvorstände, womit auch in dieser Hinsicht die Möglichkeiten der Marktfrauen erneut eingeschränkt wurde.

Dennoch wendet sich Jarvis abschließend nochmals gegen jenes teleologisch angehauchte Narrativ von der „Männlichkeit“ von Bürgerrecht und -status vor, während und nach der Französischen Revolution. Sie sieht vielmehr in den Praktiken der Marktfrauen ein sehr weitgehend realisiertes Bürgerinnen- und Mitspracherecht dieser wirtschaftlich so aktiven und meist auch erfolgreichen Gruppe von Frauen, die indes nicht auf eine formale Zuweisung von Bürgerrechten an das weibliche Geschlecht warteten oder dieses aktiv einforderten, wie es etwa Olympe de Gouges 1791 tat, sondern es sich einfach nahmen, bzw. citizenship als »economic and social engagement« definierten – und danach handelten, so Jarvis, bis ihnen die Möglichkeiten dazu, zumindest teilweise und vor allem auf dem Rechtsweg genommen wurden.

Mit diesem allgemeinen Statement eröffnet Katie Jarvis gleichzeitig die Debatte um Bürgerrechte damals und heute neu. Sie weist darüber hinaus überzeugend nach, dass es sinnvoll sein kann, weniger die formalisierten Regeln und Gesetze, als vielmehr die Handlungen von Personen(-gruppen) in den Mittelpunkt der geschichtswissenschaftlichen Untersuchung zu stellen und damit auch neue Wege des Denkens über Rechte, Verfassungen und politische Handlungsmöglichkeiten ganz allgemein zu eröffnen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Claudia Opitz-Belakhal, Rezension von/compte rendu de: Katie Jarvis, Politics in the Marketplace. Work, Gender, and Citizenship in Revolutionary France, Oxford (Oxford University Press) 2019, XIV–334 p., ISBN 978-0-19-091711-1, GBP 29,99., in: Francia-Recensio 2019/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68454