Der als Wissenschaftsjournalist bekannte Autor porträtiert in dieser Biografie und Quellendokumentation verbindenden Publikation den Mainzer Jakobiner Friedrich Lehne, der »die fortschrittlichen Ideale einer demokratischen Republik« (S. 8) propagierte, »für die untergründige Kontinuität der freiheitlichen Ideen in Deutschland seit der Aufklärung« (S. 10) steht und dessen »politisches Leben ein wichtiges Kapitel in der großen Chronik der Freiheit« (S. 11) bildet. Am 8. September 1771 in Gernsheim als Sohn eines Justizbeamten, Zöllners und Schultheißen geboren und als baldiger Vollwaise bei einem als Professor an der Artistenfakultät der Mainzer Universität tätigen Onkel aufgewachsen, nahm der junge Friedrich nach der Gymnasialzeit 1789/1790 das Studium der Philosophie in Mainz auf, wo unter anderem der spätere Präsident des Rheinisch-Deutschen Nationalkonvents Andreas Joseph Hofmann zu seinen akademischen Lehrern zählte.

Wie viele Zeitgenossen von der Aufbruchsstimmung und den Ideen von 1789 begeistert und in politischen Zirkeln organisiert, veröffentlichte Lehne bald »Republicanische Gedichte«, darunter beispielsweise auch den »Ruf eines Deutschen an die Freiheit« nach der Kanonade von Valmy im September 1792. Einen Monat später, am 21. Oktober, besetzten französische Truppen unter General Custine Mainz, es wurde eine Gesellschaft deutscher Freunde der Freiheit und Gleichheit aus der Taufe gehoben, und Georg Forster stellte in einer programmatischen Rede am 15. November fest, »aus bedrückten, gemißhandelten, stillschweigenden Knechten eines Priesters« [gemeint ist der bisherige Kurfürst von Mainz W. M.] seien »aufgerichtete, lautredende, freie Bürger« geworden« (S. 36).

Unter dem Eindruck der Ereignisse kehrte Lehne rasch von einer Ferienreise nach Mainz zurück, trat am 29. November 1792 dem Jakobinerclub bei und erklärte: »Von heute an gehöre ich der Menschheit, von heute an trete ich in die Kette wirkender Wesen ein« (S. 38) Als Sekretär der Exekutivkommission engagierte er sich für die Mainzer Republik und die Wahlen zum Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent, dem ersten Parlament auf deutschem Boden. Es folgten die Proklamation des Rheinisch-Deutschen Freistaates und der Antrag zur Angliederung an die Französische Republik, doch zerstoben die Blütenträume infolge der preußischen Belagerung, der Kapitulation von Mainz am 23. Juli und dem Rückzug der französischen Armee.

Als Armeebeschäftigtem war Lehne der freie Abzug ermöglicht worden. Er gelangte auf abenteuerliche Weise nach Paris und erlebte dort die Hinrichtung der »berichtigten [sic!] Marie Antoinette von Oestreich« (S. 47) sowie die Schreckensherrschaft der Jakobiner. Er diente in der Nationalgarde im Bereich der Rhein- und Mosel-Armee und pflegte enge Verbindungen zu den ehemaligen Mainzer Jakobinern wie Georg Forster, Georg Wedekind und Andreas Joseph Hofmann, wobei ihm durch die Ereignisse »ein Theil des Glanzes seines Freiheits-Ideals verloren ging, da er die Dinge in der Nähe gesehen hatte, welche in der Ferne so gut zu täuschen wußten« (S. 48).

Im Zuge des Vormarsches widmete sich Lehne in der Region um die französische Festung Landau der Vermögensrequisition emigrierter Beamter und Geistlicher und arbeitete an der 1795 kurzzeitig erschienenen Hagenauer Zeitung »Der Republikanische Wächter« mit, beklagte aber in dieser Zeit die im Zuge der Ausleerungspolitik »unpopulären Aufgaben, die den ehemaligen Mainzer Jakobinern im besetzten deutschen Gebiet von der französischen Verwaltung auferlegt wurden« (S. 51).

So widersetzte er sich der Zerstörung des Schlosses Ruppertsberg und entging knapp einer standrechtlichen Erschießung. Eine Anklage vor dem Pariser Nationalkonvent wegen vermeintlicher Dienstvergehen endete dank der Fürsprache etlicher Neustadter Bürger glimpflich. Es folgten eine Tätigkeit als Sekretär der Administration der Bergwerke und der Munizipalverwaltung im südpfälzischen Billigheim, weitere Mitarbeit bei verschiedenen politischen Zeitungen im Elsass und nicht zuletzt eine die Begeisterung für die Antike weckende Bildungsreise nach Italien.

Aufgrund der politischen und territorialen Veränderungen 1797/1798 konnte Lehne mit einigen seiner Weggefährten aus der Zeit der Mainzer Republik in die nunmehrige Hauptstadt des Departements Donnersberg zurückkehren, wo er seit Februar 1798 als Dolmetscher-Sekretär der Zentralverwaltung des Departements agierte, mit »regierungskritischer Grundhaltung« (S. 65) zeitweise die Zeitung »Der Beobachter vom Donnersberg« herausgab und dann aus Protest gegen Napoleons Aufstieg zum Ersten Konsul zurücktrat. Unerachtet der Anerkennung der napoleonischen Reformen wandte sich Lehne gegen das zentralistische Präfekturalsystem, hatte Rudlers Personalpolitik kritisiert und den schwindenden Einfluss der ehemaligen Mainzer Jakobiner erkennen müssen. Beispielsweise prangerte er in seinem Gedicht »An das Ungeziefer der Republik« im Mai 1799 die »moralischen Verfehlungen der neuen französischen Repräsentanten gegenüber den Idealen der französischen Republik« an (S. 263).

Seit August 1800 als Professor für Schöne Wissenschaften an der Mainzer Zentralschule für Rechts- und Geisteswissenschaften und seit 1803 als Geschäftsführer des folgenden kaiserlichen Lyzeums tätig, arbeitete Lehre zunehmend als Altertumsforscher, engagierte sich in der Société départementale des sciences et des arts à Mayence, legte als Departementalkonservator eine Altertumssammlung an und tauschte sich mit Goethe aus. Ferner hatte er 1802 die Tochter Josepha des Arztes, Illuminaten und Jakobiners Burkard geheiratet, sich der Freimaurerloge Les amis réunis angeschlossen und 1813 die Grabinschrift für den »guten Präfekten« des Departements Donnersberg, Jeanbon Baron de St. André, entworfen.

Nach dem Rückzug der Franzosen leitete Lehne die Mainzer Stadtbibliothek, arbeitete weiter als Konservator, initiierte Ausgrabungen in der ehemaligen Hauptstadt der römischen Provinz Germania superior, wurde dafür 1821 mit dem Ehrendoktor der Universität Gießen ausgezeichnet und gilt insgesamt »als einer der Väter der Mainzer Geschichtsforschung« (S. 81). Als Redakteur und Mitinhaber der »Mainzer Zeitung« kommentierte er den Übergang der Region an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Das ehemalige Département Donnersberg wurde aber keineswegs – wie von Schweigard beschrieben – vollständig Hessen-Darmstadt zugeordnet, vielmehr wurden größere Teile im Zuge des Länderschachers nach dem Wiener Kongress Bayern zugeschlagen, woraus dann der Rheinkreis entstand und sich zu einem Zentrum des Frühliberalismus entwickelte.

Entschieden wandte sich Lehne gegen das Metternichsche System, Zensur und Restauration, gegen »übertriebenes Teutschtum« und katholische »aufklärungsfeindliche Tendenzen« (S. 87), plädierte für die Wahrung der unter französischer Herrschaft erlangten Errungenschaften, den »fortschrittlichen deutschen Einheitsstaat« (S. 90) und die »nationalstaatliche, konstitutionelle Monarchie« (S. 91). Auch wenn er mit den Ideen des Wartburgfestes sympathisierte, so kritisierte er doch vehement die dort vollzogene Bücherverbrennung: »Aber Professoren, welche die feierliche Verbrennung von Büchern zulassen, verletzen, so zu sagen, die Habeas Corpus Akte der gelehrten Republik« (S. 93). Lehne blieb auch im Zeichen der Karlsbader Beschlüsse ein unerschrockener Anwalt der Pressefreiheit – »War denn Preßfreiheit unter Cromwell, unter Robespierre, den Direktoren und Napoleon?« (S. 98), wobei dann sein Sohn Eduard Lehne als liberaler Politiker und Mitglied der zweiten Kammer des hessischen Landtages im März 1848 die Aufhebung der Pressezensur erreichen sollte.

Nach einer Glosse zum Kongress von Verona 1822 wurde die »Mainzer Zeitung« kurzzeitig verboten und Lehne ehrenvoll entlassen. In den 1820er Jahren führte er die philhellenische Bewegung in Hessen, gehörte 1823 zu den Mitbegründern des Vereins der Freunde für Kunst und Kultur und warb letztlich erfolgreich für ein Gutenbergdenkmal in Mainz. Nach zunehmenden Krankheiten verstarb er am 15. Februar 1836 in Mainz, dessen Stadtarchiv seinen Nachlass verwahrt.

Dem auf 115 Seiten komprimiert und quellennah die Biografie entfaltenden Essay Schweigards folgen auf den Seiten 135 bis 256 47, jeweils mit einer knappen Charakterisierung versehene zeitgenössische Dokumente überwiegend aus Lehnes Feder, politische Lyrik aus dem Umfeld der Mainzer Republik, Briefe aus Paris, eine Rede zum Fest des höchsten Wesens vom Juni 1794, sein Abgesang auf den letzten Kurfürsten von Mainz, seine Grabrede auf den »tugendsamen Republikaner« Felix Anton Blau oder programmatische Artikel aus der »Mainzer Zeitung«. Eine umfangreiche Zeittafel und Bibliografie runden die facettenreiche Publikation ab.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Wolfgang Müller, Rezension von/compte rendu de: Jörg Schweigard, Friedrich Lehne. Revolutionspoet, Frühdemokrat, Journalist, (Logo Verlag Eric Erfurth) 2018, 288 S., ISBN 978-3-939462-32-3, EUR 15,00., in: Francia-Recensio 2019/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68462