Gut Ding will Weile haben. Das gilt sowohl für das Gesamtwerk der von Werner Eck initiierten, auf 13 Bände angelegten Geschichte der Stadt Köln als auch für den nun von Gerd Schwerhoff vorgelegten siebten Band. Das Buch deckt den Zeitraum zwischen 1686 und 1794 ab und schließt damit die Lücke zwischen den 2010 und 2005 erschienenen Bänden von Hans-Wolfgang Bergerhausen, »Köln in einem eisernen Zeitalter, 1610–1686«, und Klaus Müller, »Köln von der französischen zur preußischen Herrschaft, 1794–1815«.

Mit Gerd Schwerhoff konnte ein Autor gewonnen werden, der sich nicht allein als Kenner der Kölner Stadt- und Kriminalitätsgeschichte einen Namen gemacht, sondern sich auf einer Vielzahl weiterer Felder der frühneuzeitlichen Stadtgeschichte profiliert hat. Öffentliche Räume, Ehrenhändel und religiöse Devianz sind nur einige der Themen, zu denen der Verfasser, seit 2000 Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der TU Dresden, in den letzten zwei Jahrzehnten wichtige und innovative Forschungsbeiträge vorgelegt hat. Dies hat das Erscheinen des hier zu besprechenden Bandes länger verzögert, als dem Herausgeber des Gesamtwerks und wohl auch dem Autor lieb gewesen sein dürfte. Dem Endprodukt aber ist dieser Umstand nicht abträglich gewesen. Der Darstellung ist anzumerken, dass der Horizont des Verfassers weit über seinen Gegenstand hinausreicht, den er aber dennoch nie aus den Augen verliert und dem Leser auf stets anregende und unprätentiöse Weise präsentiert.

Der Band ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf die wechselvollen Beziehungen der Reichsstadt Köln zum benachbarten Frankreich von Interesse. Während der zahlreichen Kriege des 18. Jahrhunderts wurde Köln verschiedentlich durch französische Armeen bedroht. 1794 wurde die Stadt von der französischen Revolutionsarmee okkupiert, was für Köln das Ende des Ancien Régime einläutete und damit auch den logischen Schlusspunkt des Bandes bildet. Am Anfang steht ein lokales Ereignis, das für die innere Entwicklung der Reichsstadt aber von ebenso großer Bedeutung war: 1686 wurde der sogenannte Gülich-Aufstand niedergeschlagen, eine jener Bürgerunruhen, wie sie auch andere Reichsstädte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erschütterten. Während das Ereignis selbst im Vorgängerband behandelt wird, setzt Schwerhoffs Darstellung nach der Beendigung des Aufstands ein, also in einer Zeit die vorderhand durch die »Restitution des Alten« (S. 6) geprägt war.

In einem ersten Kapitel über die »Stadt und ihre Menschen« nähert sich der Autor dem städtischen Raum zunächst aus der Vogelperspektive, um sich dann dessen Bewohnern und deren Alltag zuzuwenden. Es folgt ein Abriss über die inneren und äußeren Bedrohungen und Herausforderungen in der Zeit bis 1715. Ein drittes Kapitel beschäftigt sich mit dem stets schwierigen Verhältnis der freien Reichsstadt zu ihrem früheren Stadtherrn, dem Kölner Erzbischof und Kurfürsten, den Beziehungen zu Kaiser und Reich sowie der innerstädtischen Entwicklung nach dem Gülich-Aufstand. Beim Blick auf das Wirtschaftsleben, Thema des vierten Kapitels, treten die zeittypischen Gegensätze besonders plastisch hervor. Unternehmerische Erfolgsgeschichten und -produkte (Kölnisch Wasser) stehen Kräften der Beharrung (Zünfte) gegenüber. Gleichzeitig bot das Zunfthandwerk des Ancien Régime aber Frauen weit größere Handlungsspielräume als vielfach angenommen1.

Das anschließende Kapitel ist erneut den Verstrickungen Kölns in die große Politik (zwischen 1716 und 1763) gewidmet. Dabei wird abermals deutlich, in welchem Maß die Reichsstadt im 18. Jahrhundert zum Spielball auswärtiger Mächte und Interessenpolitik geworden war. Nach dem renversement des alliances im Jahr 1756 sah sich Köln plötzlich an der Seite des langjährigen Gegners Frankreich wieder, der nun mit dem Kaiserhaus verbündet war. Die Einquartierung französischer Truppen stellte für die Stadt eine enorme Belastung dar und war mit Eingriffen in die Autonomie des Rates verbunden, sodass Köln für die Dauer des Siebenjährigen Krieges faktisch »von Freunden besetzt« (S. 228) war.

Kulturell und sprachlich wiederum gab es kaum Barrieren zwischen »Besatzern« und »Besetzten«. Genau wie die benachbarten Fürstenhöfe orientierten sich die Kölner Eliten an der französischen Leitkultur der Zeit. Auch die Aufklärung hinterließ ihre Spuren in Köln. Wie Schwerhoff im sechsten Kapitel zeigt, blieb der Kreis der Protagonisten freilich überschaubar, und – anders als im kurfürstlichen Bonn mit seiner 1786 neu gegründeten Universität – kam es an der altehrwürdigen alma mater coloniensis nur zögerlich und gegen erhebliche Widerstände zu Neuerungen und Reformen. Wie gespalten die Stadt am Ausgang des Ancien Régime war, sollte sich besonders in den letzten beiden »turbulenten Jahrzehnten« (Kap. 7) der reichsstädtischen Zeit zeigen.

Hier tritt der Leserin bzw. dem Leser das Jahrhundert noch einmal in seiner ganzen Janusköpfigkeit entgegen. Rund 100 Jahre nach dem Ende des Gülich-Aufstands und 15 Jahre vor der Französischen Revolution kam es erneut zu bürgerlichen Unruhen. Der Protest verlief jedoch ganz in traditionellen Bahnen, die Bürgeropposition berief sich auf die Ideale der alten stadtkölnischen Verfassung (den Verbundbrief von 1396) und wandte sich hilfesuchend an den Reichshofrat. Revolutionäre Neuerungen, wie sie sich wenige Jahre später in Frankreich ereignen sollten, lagen ihr fern. Während die Bürgerliche Deputatschaft einerseits Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption der Ratsoligarchie anprangerte, verhinderte sie andererseits Zugeständnisse des Rats an die in der Stadt lebenden Protestanten, was sich wiederum negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkte. Schwerhoffs Bilanz (Kap. 8) fällt dementsprechend differenziert aus.

Trotz durchaus vorhandener dynamischer Elemente prägte ein nicht zu übersehender »Traditionalismus« die Stadt am Ausgang des Ancien Régime, am stärksten wohl im Bereich des religiösen Lebens. Schon manchen Zeitgenossen kam Köln deshalb wie eine abgeschottete Insel in einem Meer der Veränderung vor. Dieser verbreiteten Vorstellung setzt Schwerhoff am Ende das schöne Bild eines »Kokons« entgegen, in den sich die Stadt im 18. Jahrhundert einspann, um nach ihrer Verpuppung als »dynamische Handels- und Industriemetropole« zu neuem Leben zu erwachen (S. 463).

Man muss kein gebürtiger Kölner sein, um sich diesem Urteil anzuschließen. Insgesamt wird der Verfasser dem selbst erhobenen Anspruch voll und ganz gerecht, die »modernisierungstheoretische Fixierung« der älteren Forschung zu überwinden und die Geschichte der Stadt im Ancien Régime »in ihrem Eigenwert« zu würdigen (S. 458). Die Lektüre ist von der ersten bis zur letzten Seite ein Genuss! Abgerundet wird der positive Gesamteindruck durch die aufwändige Ausstattung des Bandes mit 163 überwiegend farbigen Abbildungen und einem herausnehmbaren großformatigen Faksimile des Reinhardtplans von 1752. Da heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr, sei auch das sorgfältige Lektorat ausdrücklich hervorgehoben. Vor diesem Hintergrund fällt es nicht ins Gewicht, dass die evangelische Gemeinde einmal als »lutheranisch« (S. 400), dann wieder (korrekt) als »lutherisch« (S. 413) bezeichnet wird. Auf fast 500 Seiten Text ist dies der einzige Fehler, der dem Rezensenten aufgefallen ist.

1 Vgl. Muriel González, Kölner Zunfthandwerkerinnen 1650–1750. Arbeit und Geschlecht, Kassel 2014. Nicht nur an dieser Stelle zeigt sich Schwerhoffs Darstellung auf dem neuesten Stand der Forschung.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Thomas Weller, Rezension von/compte rendu de: Gerd Schwerhoff, Köln im Ancien Régime. 1686–1794, Köln (Greven Verlag) 2017, 552 S., 163 Abb. (Geschichte der Stadt Köln, 7), ISBN 978-3-7743-0450-5, EUR 60,00., in: Francia-Recensio 2019/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68463