Der Weg des Hauses Nassau-Oranien in den europäischen Hochadel war maßgeblich von zwei Faktoren bestimmt: einerseits die ehelichen Verbindungen mit den englischen Stuarts und zahlreichen Reichsfürsten wie den Hohenzollern, andererseits die Herrschaft im Fürstentum Orange, die ihnen den Titel des Prinzen von Oranien eintrug. Trotz des erheblichen Forschungsinteresses an der Oranier-Dynastie im 17. Jahrhundert blieb deren Duodezfürstentum im heutigen Südfrankreich weitgehend unbeachtet in der Untersuchung der »großen Politik« der Oranier als Generalstatthalter der Niederlande oder gar Könige von England.

Eine Darstellung der Geschichte des Fürstentums im 17. Jahrhundert setzt sich daher der Autor des vorliegenden Buches zum Ziel. In der Auswertung vornehmlich regionalgeschichtlicher Quellen und oranischer Briefwechsel will er aufzeigen, wie es gelang, die Souveränität des Fürstentums angesichts seiner übermächtigen Nachbarn, allen voran Frankreich, zu bewahren.

Auf gut 150 Seiten wird die Geschichte des Fürstentums Orange seit dem nassauischen Erbfall 1530 dargestellt, wobei ein deutlicher Schwerpunkt auf dem frühen 17. Jahrhundert bis 1660 liegt, dem Herrschaftszeitraum Philipp Wilhelms, Moritz’ und Friedrich Heinrichs von Oranien – Letztere vertreten durch ihre Statthalter und Statthalterinnen aus dem Hause Dohna. Die Darstellungen für das 16. Jahrhundert und die kriegsgezeichnete Phase von 1660 bis zum endgültigen Verlust des Fürstentums an Frankreich 1713 bleiben nur sehr kursorisch und auf der Basis teils älterer Forschungsliteratur geschrieben.

Für die Zeit von etwa 1600 bis 1660 bietet der Autor eine kontextualisierte Darstellung der oranischen Herrschaft im namensgebenden Fürstentum. Für seine Leitfrage kommt er zu einer viergliedrigen Antwort: Der unter Moritz von Oranien betriebene Ausbau der Festung um die 3000-Seelen-Stadt, die schon 1607 unter Philipp Wilhelm etablierte bikonfessionelle Parität des Territoriums, das ausgewogene Wirken von Statthalterpersonen wie Christoph von Dohna und administrativ-judikative Ausgleichslösungen zwischen gouvernementalen (Statthalter) und ständischen (Parlament) Institutionen sicherten der Enklave in der päpstlichen Grafschaft Venaissin und dem Königreich Frankreich seine Unabhängigkeit in den Händen der niederländischen Generalstatthalterfamilie. Dass dazu auch die im Dreißigjährigen Krieg bestehende (Subsidien)Allianz zwischen Frankreich und den Generalstaaten beigetragen haben mag, konzediert der Autor (S. 86, 125), macht es aber nicht weiter zum Thema seiner Darstellung. Vielmehr fokussiert er sich auf die innerorangische Politik.

Neben den Details des Festungsbaus, hinter dem er den Niederländer Jan Sherwouters verantwortlich sieht (S. 58f.), konzentriert er sich auf die Politik des Statthalters Christoph von Dohna (1630–1637) und – wesentlich knapper – das Wirken seiner Frau und Witwe Ursula von Solms-Braunfels als Statthalterin (1637–1648). Die Herrschaftsweise des Ersteren findet die besondere Anerkennung des Autors: »Christoph von Dohna war eben weder ein engstirniger Administrator noch ein ultra-orthodoxer Calvinist, sondern ein weitfläufiger Diplomat und eine humanistisch gebildete Persönlichkeit« (S. 119). Folglich setzt der Autor die Hochphase orangischer Stabilität mitten in die französisch-spanischen Kriegswirren der 1630er Jahre. Diese These stützt sich insbesondere auf die eingehend beschriebene Finanz- und Wirtschaftskonsolidierung unter Dohna. Wurde Orange zu Beginn seiner Statthalterschaft noch zu weiten Teilen von niederländischem Geld getragen, hatten sich diese Subsidienzahlungen bis 1637 auf 11 000 Livres halbiert. Besonders hervorzuheben sind dabei der wirtschaftsgeschichtliche Zugang und die Auswertung archivalischer und numismatischer Quellen zu Rhônezoll, Salzsteuer und Geldpolitik.

Abseits dieser weiterführenden Darstellung der Statthalterzeit Christophs von Dohna widmet sich das Buch auch der Entwicklung im Fürstentum Orange nach dem Tod Wilhelms II. von Oranien. Bis zur Besatzung der Festung durch französische Truppen 1660 blieb die Herrschaft in Orange ein Zankapfel zwischen den Anwärterinnen auf die Vormundschaft für Wilhelm III., dessen Mutter Maria Henrietta Stuart und Großmutter Amalia von Solms-Braunfels. Während sich Amalia auf den Statthalter Friedrich von Dohna stützen konnte, nutzte Maria Henrietta ihre Beziehungen zum französischen Hof. Diesem Akteurskreis schreibt der Autor zu, das Fürstentum 1660 »ohne Not« (S. 143) der französischen Besatzung ausgesetzt zu haben; Friedrich von Dohna, der die Feste kampflos übergab, soll von Frankreich bestochen worden sein (S. 157).

Bei der vorliegenden Darstellung der orangischen Geschichte verharrt der Stil meist in der ereignisgeschichtlichen Narration, formuliert wird bisweilen teleologisch (»Frankreich trat in das Zeitalter der Religionskriege ein«, S. 24) oder in fraglichen Wertungskategorien, wenn für Christoph von Dohna eine »echte Lebensaufgabe« in einer »zweiten Heimat«, bei Friedrich von Dohna aber keine »tiefere Verbundenheit« zu Orange gefunden wird (S. 144f).

Auf formaler Ebene fällt das Fehlen der (englischsprachigen) Forschungsliteratur zur Oranier-Dynastie abseits von Orange auf, wohingegen Erkenntnisse der französischen Landesgeschichte gewinnbringend eingebunden werden. Auch die Registerführung, die bei einer Vielzahl von Akteur*innen auf eine genau Registrierung verzichtet und stattdessen nur eine statt aller Seiten angibt, bleibt unverständlich.

Sein Ziel, die Geschichte des Fürstentums vor allem unter Philipp Wilhelm von Oranien und den Dohna-Statthalter und Statthalterinnen »darzustellen«, gelingt dem Autor sehr wohl. Analytisch bleibt das Buch allerdings weniger stark. Insbesondere der Souveränitätsbegriff aus dem Titel des Buches wird nicht zeitgenössisch eingeordnet oder hinterfragt. Eine solche Hinterfragung hätte mit einer Hauptquelle des Buchs beginnen müssen: der Darstellung der Geschichte Oranges von 1640 aus der Hand Josephs de la Pise, selbst Mitglied des Bureau des domaines et finances, einem fünfköpfigen Leitungsgremium des Fürstentums unter Vorsitz des Gouverneurs (S. 100f). Über weite Strecken stützt sich der Autor unkritisch auf Pise. Dabei handelt es sich um eine Auftragsarbeit Friedrich Heinrichs von Oranien, in der der gouvernemental geneigte Autor den Status der Unabhängigkeit Oranges historiografisch bekräftigen sollte.

Dass Pise hier klare Punkte formuliert, sollte nicht überraschen, sondern dessen Darstellung sollte selbst Gegenstand der Analyse sein, anstatt unkritisch eingeflochten zu werden. Somit ergäbe sich ein Bogen zur Selbstdarstellung der Oranier in den Niederlanden, wo gegenüber den Generalstaaten die Würde des Hauses unter anderem durch den souveränen, aber nicht unbestrittenen Status des Fürstentums hervorzuheben war. Insofern kann die diskursive Rolle des Fürstentums in den Niederlanden noch weiter ausgebaut werden. Dies könnte dann auch zu einem breiteren Erklärungsansatz führen, warum der Erhalt so wichtig war und entsprechend aufwändig finanziert wurde, wie es der Autor gezeigt hat.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Jonas Bechtold, Rezension von/compte rendu de: Andreas Wilhelm, Orange und das Haus Nassau-Oranien im 17. Jahrhundert. Ein Fürstentum zwischen Souveränität und Abhängigkeit, Berlin, Bern, Wien (Peter Lang) 2018, 198 S., 19 Abb., ISBN 978-3-631-75672-0, EUR 39,95., in: Francia-Recensio 2019/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68465