Die an der Texas Christian University lehrende Historikerin Kara Dixcon Vuic schreibt in »The Girls Next Door« die Geschichte(n) US-amerikanischer Frauen, die im 20. Jahrhundert zu Kriegszeiten freiwillig Erholungsprogramme für amerikanische Soldaten in Übersee betrieben. Seit dem Ersten Weltkrieg schicken Organisationen wie das amerikanische Rote Kreuz, die YMCA, die Salvation Army, die United Service Organization (USO) und auch die Special Services der Armee junge Frauen in Krisengebiete, um die Soldaten vom Krieg abzulenken und ihnen »a home away from home« (S. 109) zu bieten. Als Symbol einer »supportive home front« und als »agents of morality and heterosexual desire« (S. 5) spielen die Frauen in der Geschichte des amerikanischen Militärs eine zentrale aber bislang wenig beachtete Rolle.
Die Anforderungen an die Frauen waren komplex: Sie hatten einen Spagat zwischen der Repräsentation von »sexual desire« und »family love« zu meistern. Die Autorin beschreibt in ihrer Monografie zum einen wie sich Geschlechtervorstellungen zu Kriegszeiten veränderten und welchen Stellenwert Frauen im amerikanischen Militär hatten. Zum anderen stellt sie anhand der Kategorien gender, sexuality und race (S. 4) die Veränderungen innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft des letzten Jahrhunderts dar. Das Buch ist chronologisch in sechs ausgewogene Kapitel gegliedert.
Im canteen program des Ersten Weltkriegs arbeiteten zahlreiche Frauen an der Westfront in Europa. Die Unterhaltungsprogramme der gemeinnützigen Organisationen YMCA und Salvation Army sollten eine attraktive Alternative zu Vergnügungsmöglichkeiten außerhalb der Militärbasen bieten. Die jungen, ungebundenen und kinderlosen Frauen sollten Normalität in den Clubs und Kantinen herstellen (S. 17). All ihre Handlungen, vom Servieren eines Donuts über Gespräche bis hin zum Knöpfe annähen und tanzen, sollten die Männer an die Unterstützung aus der Heimat erinnern und sie für ihre Aufgabe im Krieg motivieren. Die Frauen übernahmen die Rolle von »mothers, sisters, sweethearts, and wives« (S. 18). Sie sollten »strong and soft« und »wholesome and attractive« zugleich sein (S. 19). Trotz der klassischen Rollenzuschreibung, die das canteen program mit sich brachte, war die Arbeit für die Frauen Ausdruck von Unabhängigkeit und Emanzipation.
Während des Zweiten Weltkriegs (Kapitel 2) veränderten sich die Aufgaben nur marginal und auch die Anforderungen blieben weitgehend unverändert. Anders als während des Ersten Weltkriegs vertrat das Militär die Annahme, dass die Soldaten Sexualität ausleben mussten, statt abstinent zu sein. Daher sahen sich die Armee und die gemeinnützigen Organisationen in der Verantwortung, die Heterosexualität der Soldaten zu organisieren und zu kontrollieren. Die amerikanischen Frauen wurden von der Organisation als Alternative zu Prostituierten verstanden, obgleich es keineswegs zu Intimitäten zwischen ihnen und Soldaten kommen sollte (S. 68). Die Frauen hatten »beautiful but not lewd, wholesome not seductive, a sweetheart not a lover« zu sein (S. 70)1. Einige Soldaten und Offiziere missachteten die Professionalität der Frauen und sahen in ihnen stattdessen willige Sexualpartnerinnen. Vuic gelingt es, die Vielseitigkeit der Erfahrungen darzustellen. Sie beschreibt, wie sich einige Frauen mit erfunden Geschichten von Verlobten aushalfen, während andere die Aufmerksamkeit genossen.
In Kapitel 3 widmet sich die Autorin dem Soldatenalltag in »remote places«, also geografisch abgeschotteten Gebieten wie etwa Guam, eine Insel des Marianen-Archipels im westpazifischen Ozean. Die Sorge, dass die Soldaten ihre sexuellen Gelüste durch Vergewaltigungen zu befriedigen suchten, führte dazu, dass die US-amerikanischen Frauen zum Teil in Unterkünften lebten, die mit Stacheldraht eingezäunt waren.
Mit dem Beginn des Kalten Kriegs (Kapitel 4) diente die »white, middle-class nuclear family« als »ultimate safeguard against the dangers and evils of communism« und Unterhaltung sollte Familienideale zu den Soldaten in Übersee bringen. Wie im Ersten Weltkrieg waren die Frauen Symbol des Heimischen und ihre Aufgabe war es »to keep the soldiers out of trouble« (S. 145). Und noch immer hatten die Frauen den Spagat zwischen »providing wholesome entertainment and sexually charged entertainment the soldiers desired« (S. 168) zu meistern.
Auch während des Vietnamkriegs (Kapitel 5) unterstützten junge Frauen die Truppen. Ihre Motivationen und Erfahrungen waren wie auch in den vorhergegangenen Kriegen vielfältig. Doch in der Zeit von 1965 bis 1973 unterlag die amerikanische Gesellschaft drastischen Veränderungen. Die Bürgerrechtsbewegung, die Frauenrechtsbewegung sowie die sexuelle Revolution diversifizierten die amerikanische Gesellschaft und förderten die Kritik am Kriegsgeschehen. Das Rote Kreuz und die USO hielten an ihrem alten Verständnis fest, durch ihre Programme »Zivilisation« in das Kriegsgebiet zu bringen. Die Frauen sollten noch immer die Heimat symbolisieren und das typische American girl repräsentieren. Doch in einer Zeit, in der auch das Playmate Jo Collins, das eine Einheit im Jahr 1966 besuchte, als »a real, living, breathing American girl« (S. 199) galt, stieß das von den Organisationen gezeichnete Frauenbild an seine Grenze.
Im letzten Kapitel (Kapitel 6) betont Vuic, dass sich die demografische Zusammensetzung des Militärs seit dem Vietnamkrieg stark veränderte. Immer mehr Frauen wurden Teil der Armee und die Soldatinnen und Soldaten gingen vermehrt mit ihren Familien nach Übersee. Die Anforderungen an Unterhaltungsprogramme veränderten sich. Sie mussten sich fortan an beide Geschlechter und auch an die Bedürfnisse von Kindern anpassen. Sexualisierte Events wie Dating- und Fashion-Shows wurden abgeschafft. Dennoch unterhielt das amerikanische Militär auch in den 1990er-Jahren seine Truppen noch mit »hypersexualized entertainment« (S. 269) in Form von tanzenden, halbnackten Frauen. Vuic schließt mit den Worten: »To be sure, simply ending performances by scantily clad women will not solve the military’s problem with sexual harassment. Nor will it remove all barriers to women’s equality, though it is not a bad place to start« (S. 271).
Dieser Schlusssatz verdeutlicht die Intention und den Blickwinkel der Militärhistorikerin auf ihren Untersuchungsgegenstand. Vuic gelingt es, mit ihrem gut lesbaren Buch eine Forschungslücke zu schließen und den vielen Frauen, die im letzten Jahrhundert für die amerikanischen Truppen in Übersee arbeiteten, eine Stimme zu geben. Während Bilder von Marlene Dietrich oder Marilyn Monroe mit amerikanischen Soldaten um die Welt gegangen sind, wurde den unbekannten Frauen kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Bemerkenswert ist, wie Vuic die Pluralität der Motivationen und Erlebnisse dieser Frauen fasst und zusammenführt. Die Arbeit mit Tagebüchern und Briefen ermöglicht ihr einen tiefen Einblick in die Wahrnehmungen der Frauen. So werden die Leserinnen und Leser für die individuellen Erfahrungen sensibilisiert. Während es ihre Aufgabe war, mit den Emotionen der Soldaten umzugehen, mussten die Frauen auch mit ihren eigenen Emotionen – ohne Vorbereitung oder Unterstützung – einen Umgang finden.
Obgleich Vuic betonte, dass es ihr um die Wechselwirkungen zwischen dem Militär und der amerikanischen Gesellschaft geht, vermisst die Leserin – mit Ausnahme des 5. Kapitels – die Ausbuchstabierung dieser Beziehung. Fragen danach, wie die Frauen und ihre Arbeit von der amerikanischen Gesellschaft wahrgenommen wurden, welche Rolle sie in der Öffentlichkeit spielten oder welchen Status sie nach ihrem Einsatz genossen, werden nicht beantwortet. Deutlich werden hingegen die Spannungen zwischen dem Militär und der Rolle von Frauen innerhalb des Militärs sowie die sich wandelnden Geschlechtervorstellungen zu Kriegszeiten.
»The Girls Next Door« ist keinesfalls nur ein Buch für am Militär Interessierte, sondern leistet einen wichtigen Beitrag zur Geschlechtergeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Kontinuität der Unterhaltungsprogramme unter Einsatz von Frauen ist bemerkenswert. Sie verdeutlicht die immer wieder hergestellte Verknüpfung von Weiblichkeit und Heimat. Denn selbst eine Frau im Kriegsgebiet symbolisierte das vertraute Heim, für das die Soldaten kämpften und in welches sie zurückkehren wollten.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Lena Rudeck, Rezension von/compte rendu de: Kara Dixon Vuic, The Girls Next Door. Bringing the Home Front to the Front Lines, Cambridge, MA, London (Harvard University Press) 2019, X–382 p., ISBN 978-0-674-98638-1, GBP 21,95., in: Francia-Recensio 2019/4, 19./20. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2019.4.68528