Die Arbeit von Ross Balzaretti bietet einen grundlegenden Überblick über eine der wichtigsten Institutionen der mailändischen Kirche, Gesellschaft und Stadt im Mittelalter, die Abtei von S. Ambrogio, in der ersten Phase ihrer Geschichte. Obwohl die erhebliche Bedeutung dieser Einrichtung mehrmals in der italienischen Forschung – vor allem sei hier an die bis heute unabdingbaren Überlegungen von Cinzio Violante, Annamaria Ambrosioni und Gabriella Rossetti erinnert – dargestellt wurde, fehlte bislang eine größere Arbeit, welche die maßgebliche Rolle der Abtei bis zur ersten Jahrtausendwende hervorhebt. Dies wird von Balzaretti in seiner Arbeit erfolgreich umgesetzt. Die Basis seiner Studien bilden langwierige Archivuntersuchungen: In diesem Rahmen analysiert der Autor zahlreiche Verkaufsurkunden des Klosters, die eingehend diskutiert werden.
Demzufolge kann der Autor neue Impulse zu einem der Zentren der Erzdiözese und der Stadt bieten. Darüber hinaus werden von Balzaretti die neuesten Tendenzen der Geschichtsforschung sehr gut eingearbeitet, wie die Alltagsgeschichte und die Gendergeschichte (S. 22). Das Ergebnis ist eine Monografie, die das Kloster von S. Ambrogio auch unter Einbeziehung seiner Besitzungen in Stadt und Land untersucht. Dies erlaubt dem Autor, ein besseres Verständnis nicht nur der Rolle des Klosters, sondern auch der Stadt Mailand zu gewinnen.
Der zeitliche Fokus reicht von ca. 780 (als sich eine benediktinische Gemeinschaft bei S. Ambrogio etablierte), bis ca. 980, denn für diesen Zeitraum ist eine sehr hohe Anzahl an Urkunden überliefert. Die Stadt und ihre Entwicklung wird im ersten Teil der Arbeit vollständig dargestellt, auch mittels einer archäologischen Analyse. Nach einer ersten ausführlichen Behandlung der Geschichte Mailands in dem betrachteten Zeitraum (Kap. 1–3 und 5) wird die Gründung des Klosters von S. Ambrogio thematisiert (Kap. 4). Besonders interessant ist der im 3. Kapitel dargebotene Überblick über die Stadt Mailand in der Spätantike und im Frühmittelalter (5. bis 8. Jahrhundert). Wie Balzaretti eigens betont, ist es aufgrund der schwierigen Quellenlage alles andere als einfach, diese Phase der Geschichte Mailands zu rekonstruieren.
Zudem stammten mehrere historiografische Werke nicht aus der Stadt selbst, sondern aus dem Umland, und die Quellen, auf denen sie beruhen, waren nicht immer glaubwürdig (S. 118f.). Gleichwohl vermag der Autor, anhand mehrerer historiografischer Werke die Geschichte der Bischöfe und ihrer Diözese zu verfolgen. Der lange Prozess von einer römischen Stadt zu einem christlichen Zentrum, dessen Bischöfe in erster Linie gegen die neue Häresie des Arianismus kämpften, wird auch mithilfe von archäologischen und literarischen Quellen gut nachgezeichnet und beschrieben (S. 136–153). Innerhalb dieses Kapitels wird die Gründung von S. Ambrogio behandelt. Zentral ist Kapitel 4, das den Anfängen des Klosters und seinen Beziehungen zu den Karolingern, dem Papsttum und den anderen Benediktinerklöstern in Italien gewidmet ist (S. 167–218). Dort wird außerdem das Ende des 9. sowie das gesamte 10. Jahrhundert behandelt, eine Zeit, die von Äbten mit starker Persönlichkeit geprägt war (S. 218–236).
Im zweiten Teil der Arbeit wird der Güterbesitz des Klosters in der Lombardei vorgestellt. Die Besitzungen in Campione, Gnignano, Cologno, Valtellina, Limonta und Inzago (Kap. 6–9) werden untersucht. Trotz älterer Arbeiten (Philippe Castagnetti, Gabriella Rossetti, Christopher Wickham, Cristina La Rocca), die sich mit den einzelnen Orten beschäftigten, bietet diese von Balzaretti durchgeführte Studie einen neuen Ansatz, da diese Besitzungen in ihrer Beziehung zum Kloster und zur Stadt noch nicht näher untersucht wurden. Daraus ergibt sich ein vielschichtiges Bild der Umgebung Mailands.
Der dritte und letzte Teil der Arbeit (Kap. 10) ist als Schlussfolgerung der gesamten Studie konzipiert. Dank der ausführlichen Analyse der zahlreichen noch unedierten Verkaufsurkunden, auf die im Verlauf der ganzen Arbeit immer wieder zurückgegriffen wird, konnte ein neues Bild vom Verhältnis zwischen Stadt und Umland – am Beispiel von S. Ambrogio – gezeichnet werden. Die Rolle des Klosters von S. Ambrogio war in diesem Prozess entscheidend und trug dazu bei, eine neue Beziehung zwischen Stadt und Landschaft zu formen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Caterina Cappuccio, Rezension von/compte rendu de: Ross Balzaretti, The Lands of Saint Ambrose. Monks and Society in Early Medieval Milan, Turnhout (Brepols) 2018, XVIII–640 p., 17 b/w fig. (Studies in the Early Medieval Ages, 44), ISBN 978-2-503-50977-8, EUR 125,00., in: Francia-Recensio 2020/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.1.71410