Aus dem Gedenkjahr 2015 für die Gründung der Zisterzienserabtei Clairvaux im Jahre 1115 sind drei umfangreiche Tagungsbände hervorgegangen: »Le temps long de Clairvaux«, ein Überblick über die geschichtliche Entwicklung, »Les pratiques de l’écrit dans les abbayes cisterciennes (XIIe–milieu XVIe siècle)«, eine Sammlung von Beiträgen zur Schriftkultur und Archivpraxis in den westeuropäischen Klöstern des Ordens (jeweils 2016), und der hier zu besprechende Band »L’industrie cistercienne« über die gewerblichen Aktivitäten des Ordens. Paul Benoit, der Herausgeber und wissenschaftliche Leiter dieses Unternehmens, ist seit Jahrzehnten der führende Mittelalterarchäologe in Frankreich, hervorgetreten sowohl als Grabungsleiter wie als Betreuer zahlreicher Dissertationen und – nicht zuletzt – Anreger und Leiter ebenso zahlreicher Tagungen wie der entsprechenden Tagungsbände.

Das mittelalterliche Gewerbe – in Frankreich und England als »industrie«/»industry« bezeichnet – steht dabei im Mittelpunkt. Benoit beginnt mit einer Hommage an seinen Lehrer Georges Duby, der ihm die Zisterzienser nahebrachte, gefolgt von dem eigentlichen Entdecker der metallurgischen Aktivitäten ihres Ordens, Bertrand Gille, und als Gegenpol Robert Fossier, einem leidenschaftlichen Zisterzienserkritiker. Zu den weiteren Pionieren gehörten in England Louis Francis Salzman, John Blair und Nigel Ramsay, in Österreich Robert Pleiner, in der Schweiz Paul-Louis Pelet und erneut in Frankreich Philippe Braunstein und Mathieu Arnoux.

Benoit stellt einleitend die Frage: Industrie oder Handwerk? Sie ist letzthin zu entscheiden, wenn man die moderne Definition für »industrie« von Pelet (1980) akzeptiert: »mise sur le marché d’une production de masse, fabriquée en série et de qualité constante« (S. 17, Anm. 17). Die Zisterzienserforschung wird diese Kriterien schwer erfüllen können, da Rechnungen zur quantitativen Erfassung in den Klosterarchiven selten erhalten sind und zudem erst einsetzen, wenn die gewerbliche Produktion in eigenwirtschaftlicher Regie schon ausläuft, so deutlich bei der Eisenproduktion im 14. Jahrhundert. Auch der wesentliche Faktor der zisterziensischen Erfolge, der Einsatz hochqualifizierter Laienbrüder (Konversen), war zu diesem Zeitpunkt nur noch in beschränktem Maße möglich, was die Bedeutung einzelner Konversenpersönlichkeiten – wie etwa im Steinkohlenbergbau des Klosters Le Val Saint-Lambert bei Lüttich – nicht ausschließt. Benoit lässt im Übrigen keinen Zweifel daran, dass letztlich die wesentliche Grundlage der zisterziensischen Ökonomie immer die Land- und Waldwirtschaft blieb.

Der Hauptteil des Bandes bringt zunächst acht Beiträge zum Einsatz von Feuertechniken bei der Herstellung von Baumaterial (Kacheln, Ziegel, Backsteine), dann bei der Salz- und Eisengewinnung sowie schließlich (seltener in Frankreich) im Bergbau auf Nichteisenmetalle, Gold und Silber in den böhmischen Bergwerken mit Zisterzienserbeteiligung und ähnlichen Aktivitäten des Klosters Silvanès in Südfrankreich. Der Anteil der Zisterzienser an der europäischen Eisenverarbeitung im 12.–13. Jahrhundert war in der Forschung seit ca. 1990 sehr umstritten. Paul Benoit liefert hierzu einen umfassenden Überblick, ergänzt für Mittelitalien durch Maria Elena Cortesi (S. 115–126). Hinzu kommt eine Fallstudie zur energieintensiven Salzproduktion der Zisterzienser in der Freigrafschaft Burgund (Benoît Chauvin über Lons-le-Saunier). Seltener untersucht ist der Anteil der Ordenshäuser an der Herstellung ihrer Dach- und Mauerziegel sowie der oft kunstvollen Bodenfliesen. Hierzu liefern Fontenay in Burgund und vor allem Chaalis im waldreichen Norden von Paris bemerkenswertes Material (Magali Orgeur, S. 23–40; François Blary, S. 341–354). Ein aufschlussreicher Beitrag von Alexander Lehouck (S. 41–56) ergänzt aus allgemeinerer Sicht die Anfänge der Backsteinarchitektur bei den heute belgischen und niederländischen Zisterziensern, während Denis Cailleaux (S. 57–66) die Lage der Mühlen und Gewerbegebäude innerhalb der Klosterbezirke darstellt.

Der nächste Hauptabschnitt gilt der Gewinnung von Bausteinen aus Steinbrüchen. Auch hier kommt aus den Archiven von Clairvaux, Chaalis, Longpont und Preuilly viel neue Information zusammen. Für die Textilproduktion sind die ostfranzösischen Archive im Blick auf Walkmühlen durchforscht worden, in einigen Fällen auch archäologische Überreste der Mühlen (S. 207–222). Das Leder, Endprodukt der Zisterzienser als Viehzüchter in großem Stil, hat erneut das Interesse von Paul Benoit persönlich auf sich gezogen. Der Blick weitet sich anschließend aus auf England, Wales, Spanien und Portugal. Für England ist vor allem der Beitrag von James Bond hilfreich (S. 249–268), er schließt an sein Buch »Monastic Landscapes« an (2004). Sämtliche Gewerbe sind berücksichtigt: Salzproduktion, Tuchherstellung, Gerberei und Leder, Töpferei und Ziegelei, Glas, Blei, Eisen, Steinkohle, dazu jeweils schöne Verbreitungskarten; sämtliche Konzessionen auf diesen Gebieten haben die Abteien nicht genutzt. Ähnliches gilt für die Beiträge zu Spanien (Königreich León, S. 269–286) und Portugal, wo außer auf die mittelalterlichen Verhältnisse auch ein Blick auf die Produktionsstätten der Abtei Alcobaça in der Neuzeit folgt.

Der zweitletzte Hauptabschnitt behandelt die gewerblichen Aktivitäten noch aktiver Klöster (Acey in der Freigrafschaft Burgund, Lérins in der Provence). Der letzte Abschnitt schließlich beginnt mit einem kurzen Blick auf die Schiefergewinnung in den Ardennen durch die Zisterzienser von Signy, Foigny, Bonnefontaine und Orval. Aus kleinen bäuerlichen Abbaustellen entstanden ihre Großbetriebe. Entfernt liegende Klöster wie etwa Cambron und Aulne in Brabant deckten ihren Eigenbedarf in der gleichen Region (Transport des empfindlichen Materials per Schiff auf der Maas). Im gleichen Zusammenhang erscheint die schon erwähnte Studie über die gut erhaltene Ziegelei von Chaalis in Commelles (François Blary, S. 341–354).

Drei weitere Kurzbeiträge betreffen die Normandie, die Baumwolle von Auberive (Burgund) und das Schicksal des im 19. Jahrhundert völlig zerstörten Klosters Morimond an der Grenze zu Lothringen. In der Conclusio erhalten die Hauptbeiträge des Bandes Zusammenfassungen entweder auf Englisch oder Französisch. Nicht behandelt sind vor allem die gewerblichen Aktivitäten der deutschen Zisterzienserabteien. Ihre Erforschung müsste von Grund auf neu betrieben werden.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Dietrich Lohrmann, Rezension von/compte rendu de: Paul Benoit, Arnaud Baudin, Joséphine Rouillard, Benoît Rouzeau (dir.), L’industrie cistercienne (XIIe–XXIe siècle). Actes du colloque international (Troyes – abbaye de Clairvaux – abbaye de Fontenay, 1er–5 septembre 2015), Paris (Somogy Éditions d’Art) 2019, 416 p., nombr. ill. en coul., ISBN 978-2-7572-1135-9, EUR 30,00., in: Francia-Recensio 2020/1, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.1.71411