Mit einer vergleichenden Untersuchung der Hexenprozesse in zwei konfessionell unterschiedlichen Teilgrafschaften der Reichsgrafschaft Oettingen verspricht die Dissertation von Alexandra Haas wichtige Erkenntnisse zu Fragen der herrschafts- als auch konfessionspolitischen Motivation der obrigkeitlichen Verfolgungen zauberischer Praktiken und angeblicher Teufelsanhänger in einem Kerngebiet dieser Ereignisse zu liefern. So zeigt die bloße Rekonstruktion des Geschehens (insgesamt 306 Verfahren im Zeitraum 1503–1773), dass der größte Teil der Verfolgungen in der katholischen Teilgrafschaft Oettingen-Wallerstein stattfand.

Von den 218 Hinrichtungen und neun Todesfällen, die sich während der Haft zutrugen, konnte die Autorin 224 Opfer allein für Oettingen-Wallerstein nachweisen, während es in der lutherischen Teilgrafschaft Oettingen-Oettingen nach anfänglich zwei Hinrichtungen 1574 offensichtlich nicht mehr zu ähnlichen Ausgängen von Hexereiverfahren kam. Insgesamt entspricht die Verteilung der Verfahren mit ihren Schwerpunkten in den Jahren um 1590, 1611–1614 und mit mindestens 167 Opfern, davon 160 durch Hinrichtung, besonders in den Jahren 1627–1630 (S. 132) den bekannten Wellen, hinzu kam ein Nachschlag im Jahr 1673 mit mindestens vier Hinrichtungen (S. 188–197).

Als auslösende Faktoren erscheinen für die Welle im letzten Viertel des 16. Jahrhundert die als »Kleine Eiszeit« bezeichneten klimatischen Veränderungen (S. 15), während für die Verfahren der Jahre 1611–1614 und besonders die der Jahr 1627–1630 die »Vorbildwirkung« (Schormann) der bekannt exzessiven Verfolgungen in der Deutsch-Ordenskommende Ellwangen sowie in den geistlichen Herrschaften Eichstätt, Bamberg und Würzburg initiativ waren. Dem entspricht, dass den sog. Besagungen vermeintlicher Komplizen durch zwangsweise geständige Angeklagte ein extrem hoher, bisweilen ausschließlicher Beweiswert zugesprochen wurde.

Auch wenn sog. Realindizien in den hier untersuchten Verfolgungen über lange Zeiträume weniger oder gar nicht von Bedeutung waren, so ist damit die Frage nach der sozialen Motivation nicht beantwortet, denn schließlich war auch die durch Gerüchte entstandene mala fama der Verdächtigen Resultat sozialer Prozesse. Hierzu kann die Arbeit nur wenige Erkenntnisse liefern, da sich mangels Verlust sämtlicher Prozessakten der großen Wallensteiner Verfolgung der Jahre 1627–1630 keine konkreten Vorwürfe und Abläufe mehr rekonstruieren lassen (S. 133). Dass hier aber trotz einer Dominanz prozessual generierter Beweislast auch ein soziales Ursachenpotential vorhanden war, zeigt der Befund, demzufolge ab 1650 über Jahrzehnte hinweg aus den Gemeinden Anklagen bzw. Prozesswünsche artikuliert wurden, die sich »meist aus Streitigkeiten zwischen Familienmitgliedern oder Nachbarn entwickelten« (S. 186f., 216).

Das wesentliche Resultat der Arbeit ergibt sich aus der Rekonstruktion der »Hexenpolitik« (Gudrun Gersmann, Rita Voltmer) der jeweiligen Dynasten, ihrer Berater und Amtsleute. Hier zeigt sich erneut, dass eine auf religiösen, religionspolitischen und rechtlichen Prinzipien basierende und offen bekundete Abneigung gegen Hexenprozesse im Lenkungskreis der lutherischen Teilgrafschaft Oettingen-Oettingen koexistieren konnte mit der klassischen Verfolgungswut der Herrschafts- und Amtsträger in der verwandten und benachbarten katholischen Grafschaft Oettingen-Wallerstein und damit verwandten Linien. Machtpolitische Interessen überlagerten zwar die lutherische Fundamentalopposition, als es während der Epoche der katholischen Dominanz in den 1620 Jahre geboten schien, die politische und konfessionelle Selbstbehauptung durch die Allianz mit dem katholischen Vettern in den Vordergrund zu stellen, freilich ohne damit im eigenen Gebiet die Verfolgungspolitik des Nachbarn zu übernehmen (S. 171ff.).

Mit diesen Erkenntnissen trägt die Arbeit zweifellos zur weiteren Diskussion der Frage bei, welche Alternativen für die politisch und juristisch Verantwortlichen jenseits des weit überholten Bildes vom »Hexenwahn«, der alle und jeden ergriffen habe (Friedrich Merzbacher), bestanden. Allerdings fällt die Autorin sehr deutlich hinter die seit längerem gepflogene Diskussion über das Verhältnis von Überzeugung und Interesse zurück, wenn sie die selbst gestellte Frage nach der Rolle machtpolitischer Interessen bei intensiver Verfolgungspolitik (S. 20) mit der Argumentation verneint, diese These sei »zu einseitig« und berücksichtige zu wenig die religiösen Überzeugungen der jeweiligen Herrscher (S. 216 ff.). Warum aber Inhaber kleinerer Herrschaften einerseits dem Vorbild »rücksichtsloser Machtpolitik« der größeren Fürsten gefolgt sind (S. 220), andererseits aber bei der Verfolgung der Hexen nur religiöse Eiferer ohne jegliche machtpolitische Interessen gewesen sein sollen, ist nicht ersichtlich (S. 218–220).

Zudem zeigt gerade der hier für die lutherische Teilgrafschaft erbrachte Nachweis der Abneigung gegen die Verfolgungen, dass es so nicht stimmen kann, wenn die Autorin undifferenziert zu dem Schluss kommt: »Die heftigen Hexenverfolgungen des Alten Reiches sehen sich in ihrer territorialen Kleinstaatlichkeit begründet« (S. 222). Auch wenn die Autorin betont, die Prozessbefürworter seien »von ihrem Handeln ideell überzeugt« gewesen (S. 218), so muss dennoch die Frage nach den machtpolitischen Interessen – übrigens auch für Verfolgungsgegner (S. 123) – gestellt werden. Gleiches gilt für die beteiligten juristischen Kommissare und Amtleute, für die die Autorin ein solches Ausmaß an Selbstherrlichkeit in ihrem Verfolgungsgebaren nachweist, dass die Annahme einer rein ideologischen Motivation ebenso wirklichkeitsfremd erscheint wie die Behauptung, dass die herrschaftliche Verwaltung »kein rechtsfreier Raum« gewesen sei (S. 99f., 133ff., 148f., 177f., 197ff., 219).

Wirklichkeitsfremd erscheint auch das Argument, dass die »gute juristische Ausbildung« des juristischen Personals den Überzeugungscharakter ihres Handelns begründen würde. Denn erstens schließt intellektuelle Kompetenz keineswegs soziale und persönliche Motive aus und zweitens waren die Gegner der Hexenprozesse in keiner Weise juristisch weniger versiert (S. 218f.).

Es trägt ferner nicht zum Verständnis herrschaftlicher Verfolgungspolitik bei, wenn die Autorin sich bemüht, ihre Vertreter gegen den Verdacht »niedrige[r] Beweggründe« (S. 20) in Schutz zu nehmen und argumentiert, Verfolgungsbereitschaft habe »nichts mit einem Makel zu tun« und es gelte, diesen Fürsten »nicht vorzuwerfen, warum sie versuchten, ihr kaiserlichen Rechte durchzusetzen«, womit die salvatorische Klausel der »Carolina« gemeint ist (S. 218). Zudem liegt ein Missverständnis vor, wenn die Autorin Jürgen Michael Schmidts These von der »Systemkonformität« der kurpfälzischen Fundamentalopposition gegen Hexenprozesse so interpretiert, als repräsentiere diese Haltung eine reichsweit herrschende Meinung, der gegenüber das Bekenntnis zum Verfolgungsparadigma angesichts der den »Hexen« nachgesagten monströsen Taten geradezu ein Ausdruck wahrhaftiger Überzeugung sei (S. 21, 218–221). Mit der Einführung moralischer Kategorien zu Erklärung von Verfolgungsbereitschaft betritt die Autorin einen längst überholten Irrweg, der die Komplexität historischer Prozesse ignoriert und wenig zum Verständnis von politischen Entscheidungen beiträgt.

Auf paläografische Fehler in den Quellenzitaten ist bereits die Rezension von Rainer Walz (ZfH 46, 2019, H. 2, S. 371) ausführlich eingegangen. Leider weist auch der Autorentext Fehler und Nachlässigkeiten auf, die bei einer sorgfältigen redaktionellen Durchsicht hätten auffallen müssen, wie z. B. argumentative Wiederholungen (S. 73f., 215f.), die Angabe von drei Hinrichtungen für das Jahr 1574 (richtig: zwei; vgl. S. 70 mit der Prozessliste S. 230), die Einführung der »Kleinen Eiszeit« ohne jegliche Erläuterung (S. 15), die Verwendung des Begriffs »Restitution« von Klostergut als Ziel der Kirchenpolitik des lutherischen Grafen von Oettingen-Oettingen (S. 35, 157), die Umwandlung der Quellengattung der Memoriales in »Memoiren« (S. 91, S. 157) und die Schreibweise des englischen middle man als »middel-man« (S. 8, 197, 220).

Auch der häufige Verzicht auf indirekte Rede und Anführungszeichen, so z. B. wenn das Verhalten der Untertanen aus Sicht der Visitationen als vermeintlich »zuchtloses Leben« und als »rohe Sitten« etikettiert wurde (S. 75), widerspricht den Gepflogenheiten. Dass es notwendig ist, auch zukünftig »unerforschte Territorien der Hexenverfolgungslandkarte zu untersuchen, um an neue Erkenntnisse zu gelangen« (S. 20), dürfte selbstverständlich sein, muss dann aber auch eingelöst werden.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Walter Rummel, Rezension von/compte rendu de: Alexandra Haas: Hexen und Herrschaftspolitik. Die Reichsgrafen von Oettingen und ihr Umgang mit den Hexenprozessen im Vergleich, Bielefeld (Verlag für Regionalgeschichte) 2018, 319 S., 6 Abb., Personen- und Ortsregister (Hexenforschung; 17), ISBN 978-3-7395-1107-8, Euro 29,00., in: Francia-Recensio 2020/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.1.71742