Eine alte bayerische Küchenregel besagt, aufgewärmte Speisen schmeckten in der Regel besser und kräftiger als frisch gekochte. Ohne Wert und Richtigkeit dieser Aussage für den gastronomischen Bereich infrage stellen zu wollen, zieht der Rezensent dies für den Transfer auf die akademisch-literarische Sphäre doch stark in Zweifel – und steht damit vor dem Dilemma, ein Buch der Leser- und Leserinnenschaft anzeigen zu müssen und dürfen, welches in seiner deutschen Originalfassung aus dem Jahre 2013 bereits ein erhebliches, ja ungewöhnliches1 und die Grenzen der fachwissenschaftlichen Kritik übersteigendes2 Echo gefunden hatte.

Eine Beschränkung auf das unbedingt Notwendige weil Neue liegt daher nahe, ohne bereits Gesagtes überflüssigerweise in extenso zu wiederholen.

Die Kernaussage des vorliegenden Buches über die Korrelation von Politik und Konfession erregte viel Aufsehen, kann aber in ihrer Essenz von keinem klar denkenden Beobachter geleugnet werden. Ihre Evidenz ist umso größer, als sie sich ihrerseits auf ein Beziehungsgeflecht stützen kann, welches Gilbert Dagron schon 1995 für den ost-, beziehungsweise spätrömischen Bereich wie folgt beschrieben hatte: »Quelques banalités sont bonnes à rappeler. Le couple ›Église et État‹ ne peut opposer ou faire dialoguer qu’un pouvoir temporel plus ou moins laïcisé et limité à une nation, et une Église s’identifiant à ses clercs. Il trahit ce qui fait l’originalité d’un Empire chrétien: son universalité au moins théorique, sa place – comme structure politique, comme société et comme histoire – dans une économie de salut«3.

Dieses Einssein von gesellschaftlich-politischer und religiös-konfessioneller Sphäre ist eines der Hauptkennzeichen der alten, in vielen Formen tradierten Sicht einer οἰκουμένη, also einer symphonischen Einheit vermeintlich heterogener oder gar gegensätzlicher Paare. In der Tradition der Chlodwig-Verheißung hat diese sich in Frankreich bis ins 19. Jahrhundert gehalten, in Russland gar bis ins 20.; in dem von Querelen wie dem sogenannten Investiturstreit erschütterten und daher im Ergebnis von Rom bewusst de-sakralisierten Reich hingegen war sie nur mehr in Nachahmung der spanischen Idee des Fürstentums als champion de l’Église durchführbar, was Kurfürst Maximilian in Bayern – in Anlehnung an iberische Vorbilder unter Felipe II. – exemplarisch demonstrierte4.

Zu diesen bekannten geistlich-politischen Räumen gesellt unser Autor unerwartet, aber illustrativ jenen des polnisch-litauischen Reiches, was vor allem in Hinsicht auf die zentrale marianische Fokussierung zu interessanten Ergebnissen führt. All diese Meriten konnten die besagten Erstrezensenten schon deutlich herausstellen; die dabei mitunter geäußerten Kritikpunkte bleiben dem Verfasser dieser Zeilen schleierhaft, respektive schwer nachvollziehbar.

Vielmehr gelang es Damien Tricoire, ein überzeugendes, in weiten Teilen aber für einen themen-sensiblen Betrachter oftmals selbstverständliches Bild zu zeichnen, welches offenbar etliche Geisteshaltungen vorgeblich moderner Mainstream-Forschung und Geschichtsbetrachtung der zurückliegenden Dekaden ordentlich durcheinanderrüttelt. Von daher soll das vorstehende Etikett »selbstverständlich« keineswegs als Negativum verstanden werden – im Gegenteil. Gerade die französische Übersetzung des Werkes mit seiner schon im Titel aufscheinenden stärkeren Konzentrierung auf die Gottesmutter und den Monarchen leistet einen wichtigen Beitrag zur geistigen Orientierung, deren Grundgedanken gerade auch Studierende und neu mit der Materie Befassten als Leitfaden dienen und Verwirrungen vorbeugen könnte.

Neben einer hinreichenden Verbreitung sei dem Buch daher auch eine Ausweitung auf andere Territorien gewünscht, welche etwa für den Habsburgischen Raum das Besondere einer durchaus fürstlich motivierten marianischen, aber auch erneuerungskatholisch trinitarischen Frömmigkeitswelle ohne entsprechende Auswirkungen auf eine neu als sakral begriffene Monarchie präsentierte. Eher analog aber zu Frankreich lohnte ebenso einer eingehendere Betrachtung des russischen Kaiserreichs, dessen geistig-sakramentale Grundlagen sich kaum in der immer wieder bemühten Verwestlichung ab c. 1700 erschöpfen dürften.

Nicht zuletzt diese notwendige Perspektivenerweiterung belegt Wert und Bedeutung der nunmehr zweisprachig vorliegenden Studie von Damien Tricoire.

1 Zu den maßgeblichen Rezensionen zählen jene von: Claude Michaud in: Revue d’histoire moderne & contemporaine 2014/3 (no 61/3), S. 159–161 [online unter https://www.cairn.info/revue-d-histoire-moderne-et-contemporaine-2014-3-page-159.htm]; Cornel Zwierlein, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 6 [15.06.2013, online: http://www.sehepunkte.de/2013/06/22444.html] und Matthias Pohlig, in: H-Soz-Kult, 18.02.2014 [online: www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-19287].
3 Gilbert Dagron, Empereur et prêtre. Étude sur le »césaropapisme« byzantin, Paris 1995, S. 303. Dagron führt, zwar für den byzantinischen Kontext, aber auch für die frz. Gegebenheiten absolut treffend, weiter aus: »Loger dans ces deux mots [Église et État] tous les rapports mutuels ou les difficiles chevauchements qui peuvent mettre aux prises l’empereur byzantin avec la hiérarchie ecclésiastique est évidemment une faute de méthode«.
4 Vgl. hierzu schon: Hans Schmidt, Kurfürst Maximilian I. von Bayern, in: ders. Persönlichkeit, Politik und Konfession im Europa des Ancien Régime, Hamburg 1995 (Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte, 13), S. 211–230, v. a. S. 215.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Josef Johannes Schmid, Rezension von/compte rendu de: Damien Tricoire, La Vierge et le Roi. Politique princière et imaginaire catholique dans l’Europe du XVIIIe siècle, Paris (Sorbonne Université Presses) 2017, 454 p., ISBN 978-2-84050-969-1, EUR 26,00., in: Francia-Recensio 2020/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.1.71810