Der vorliegende Band ist hervorgegangen aus einem Forschungsprojekt »Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik«, das von 2008 bis 2014 am Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien durchgeführt wurde. Als Leiter dieses Projekts hat nun der Historiker Thomas Wallnig seine Studie »Critical Monks. The German Benedictines, 1680–1740« vorgelegt, die in die Schriftenreihe »Scientific and Learned Cultures and Their Institutions« aufgenommen wurde. Kulturwissenschaftlichen Neuorientierungen in den vergangenen 20 Jahren ist es zu verdanken, dass die Geschichte der geistlichen Orden, des Mönchtums und Klosterwesens der Frühen Neuzeit aus der traditionellen und selbstreferentiellen Ordensgeschichte heraus ins Blickfeld einer thematisch breiter aufgestellten, methodisch aufgeschlossenen sowie interdisziplinär ausgerichteten geschichtswissenschaftlichen Forschung gerückt wurde.

Dies spiegelt sich auch im vorliegenden Band wider, in dem Wallnig das Denken, Meinen, Glauben, Handeln und Wissen gelehrter Benediktiner im frühneuzeitlichen deutschen Reich zwischen 1680 und 1740 über einen wissensgeschichtlichen Zugriff rekonstruiert und analysiert sowie dafür neuere ideen-, politik- und kirchengeschichtliche Forschungsansätze befragt. Dabei erhebt Wallnig den Anspruch, die von ihm ausgewählten Benediktinermönche und die von ihnen betriebene historisch-kritische Methode nicht unhinterfragt in den Dienst einer Aufklärung zu stellen oder gar in Gefahr zu laufen, sich in Darstellung und Analyse von bestehenden Forschungsnarrativen vereinnahmen zu lassen. Manchem gelehrten Benediktiner wurde schon zu Unrecht ein Beitrag am Projekt der Aufklärung zugesprochen, woran die Wortführer und Meinungsmacher der Aufklärung selbst in nicht unerheblicher Weise Anteil hatten, indem sie der Aufklärung durch sinnstiftendes Erzählen1 zu Struktur und Geltung verhalfen.

Doch das Licht der Aufklärung ist trügerisch und vermag bisweilen noch bis in die Gegenwart den klaren und unvoreingenommenen Blick auf die komplexen und ambivalenten Entscheidungs- und Bedingungsfelder beeinträchtigen, die für das 18. Jahrhundert – und gerade auch für die Zeit der deutschen Frühaufklärung – so kennzeichnend waren. Darüber hinaus wäre es zu kurz gegriffen, diese äußert dicht verfasste und klar strukturierte Forschungsarbeit lediglich als Ergänzung zu der relativ gering beachteten Studie von Ulrich L. Lehner über aufgeklärte deutsche Benediktinermönche nach 1740 zu verstehen2. Nicht erst durch die Arbeit von Lehner, sondern auch durch weitere Forschungen zur katholischen Aufklärung der vergangenen Jahre steht außer Frage, dass das Selbstverständnis und das monastische Leben der Benediktiner in vielerlei Hinsicht von aufklärerischen Ideen beeinflusst wurde. Hier macht Wallnig deutlich, dass dies eher unfreiwillig geschah, indem die Sicherung und Pflege des historisch vermittelten Selbstverständnisses des Benediktinerordens wie auch die Herausforderungen ihrer Zeit nicht mehr nur auf den erkenntnistheoretischen Wegen frühneuzeitlicher scholastischer Gelehrsamkeit angemessen und zukunftsfähig bewältigt werden konnten.

Vor diesem Hintergrund setzt sich Wallnig kritisch mit dem vorherrschenden Aufklärungsnarrativ auseinander, in dem den Benediktinern zwischen 1680 und 1740 gewöhnlich ein fester Platz und eine bestimmte Bedeutung zugemessen wurde. Bereits im Vorwort des Bandes weist Wallnig darauf hin, dass jeder, der hinter dem Buchtitel eine grundständige Einführung in die Geschichte des Benediktinerordens vermuten mag, vielleicht enttäuscht wird; dass aber auch die Kenntnis bestimmter Forschungskontexte und -diskussionen vorausgesetzt wird, etwa der gängigen Forschungsnarrative, die Wallnig zum Anlass seiner Studie nimmt.

Schon ein derartiger Forschungsansatz lässt aufhorchen. Die Ergebnisse der Studie sind ebenfalls erstaunlich und haben das Potential, nicht nur die Erforschung monastischer Wissenskulturen der Frühen Neuzeit nachhaltig zu beeinflussen. Die Erschließung der frühneuzeitlichen Erfahrungs- und Wissenshorizonte deutscher Benediktiner zielt dabei auf die Beurteilung der komplexen Wandlungsvorgänge, Spannungs- und Konfliktfelder ab, die sich zwischen der herkömmlichen Scholastik und einer neueren innovativen (sowie nur vermeintlich aufklärerischen) historisch-kritischen Methode auftaten. Erst in späteren Jahrzehnten, die außerhalb des von Wallnig gewählten Untersuchungszeitraums liegen, wird eine deutlichere Akzentverschiebung greifbar, während sich um 1700 noch der offene Wettbewerb beobachten lässt.

So präzise und klar wie Wallnig diese komplexen Entwicklungen nachzeichnet und ausleuchtet, scheint sein Vorgehen an manchen Stellen ein wenig kleinteilig geraten zu sein. Der aufmerksame Lesende verliert sich dennoch nicht im Geflecht der Diskurse, die Wallnig ergründet, sondern wird in jedem Fall anschließend in den Mittelpunkt der Argumentation zurückgeführt. Dies ist Ergebnis einer sorgfältigen Sichtung des zugrunde gelegten Materials, einer konsequenten systematischen Strukturierung der Thesen und Beispiele wie auch insgesamt einer ausgezeichneten Analyse und differenzierten Beurteilung. Dem Band ist es daher zu wünschen, dass er nicht nur die Geschichte des Benediktinerordens, sondern auch den breiteren interdisziplinären Austausch zur Wissens- und Wissenschaftsgeschichte bereichert.

1 Vgl. Frauke Berndt, Daniel Fulda, Die Erzählung der Aufklärung. Einleitung, in: dies. (Hg.), Die Erzählung der Aufklärung. Beiträge der DGEJ-Jahrestagung in Halle a. d. Saale, Hamburg 2018 (Studien zum achtzehnten Jahrhundert, 38), S. XIII–XXVIII.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Andreas Oberdorf, Rezension von/compte rendu de: Thomas Wallnig, Critical Monks. The German Benedictines, 1680–1740, Leiden, Boston (Brill Academic Publishers) 2019, XIV–364 p., 8 col. ill. (Scientific and Learned Cultures and Their Institutions, 25), ISBN 978-90-04-35546-0, EUR 122,00., in: Francia-Recensio 2020/1, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.1.71812