Nach Band 18, der Le Mans behandelt, greifen die »Fasti« mit der Erzdiözese Narbonne in den Süden Frankreichs aus. Das umfangreiche Werk gliedert sich, gemäß den Vorgaben der Reihe, in einen historischen und einen prosopografischen Teil. Nachdem der Bearbeiter, Benoît Brouns, vor Abschluss des Bands im Jahr 2015 verstarb, führten Jean-Michel Matz als Herausgeber der Reihe und Laurent Vallière als Verantwortlicher der Datenbank, unterstützt von einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen, das Projekt zu einem guten Ende. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass auch Jean-Michel Matz im März dieses Jahres einer schweren Krankheit erlag.

Der historische Teil (»Diocèse de Narbonne«, S. 1–132) umfasst Abschnitte zur Kirchenprovinz und der Erzdiözese, dem Stadtviertel der Domkanoniker in Narbonne, dem Bau der gotischen Kathedrale, der Stiftskirche Saint-Paul sowie zu den Residenzen und Burgen der Erzbischöfe. Beschlossen wird dieser Teil von einem Überblick über die Quellen und die einschlägige Literatur.

118/117 v. Chr. als römische Kolonie gegründet und verkehrsgünstig an der Via Domitia, die Italien mit Spanien verband, gelegen, wurde Narbonne als Hauptstadt der Provinz Gallia Narbonnensis prima auch deren kirchliche Metropole, nachdem sich im 3. Jahrhundert das Christentum in der Region hatte durchsetzen können. Als erster Bischof gilt der hl. Paul, der nach dem Zeugnis Gregors von Tours Mitte des 3. Jahrhunderts ausgesandt wurde, um das Land zu evangelisieren1.

Die Bistümer jenseits der Pyrenäen, in Katalonien, die der Provinz im Zuge der Eroberungen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen angegliedert wurden, verlor sie, als Urban II. 1091 die Provinz Tarragona wiederherstellte. Zum Ausgleich verlieh der Papst 1097 der Kirche von Narbonne den primatialen Vorrang über die Narbonnensis secunda, deren Metropole Aix-en-Provence war (JL 5688). Obwohl Papst Johannes XXII. 1317 das Suffraganbistum Toulouse aus der Provinz löste und zum Erzbistum erhob, zählte die Narbonnensis immerhin noch elf Suffragane. Die Diözese war seit dieser kirchlichen Neuordnung in sechs Archipresbyterate und drei Archidiakonate gegliedert; sie umfasste 203 Pfarreien, davon acht in Narbonne, und 14 Annexe. Unter den Klöstern und Stiften der Diözese finden sich so bekannte Häuser wie die Zisterzienserabtei Fontfroide und das Kanonikerstift Saint-Paul de Narbonne.

Die Kathedrale befand sich stets im Westen der alten Römerstadt, nahe der Stadtmauer. Das ursprüngliche Marienpatrozinium wurde seit dem 8. Jahrhundert von dem der spanischen Heiligen Justus und Pastor, saint Just und saint Pasteur, verdrängt. 1272 wurde der Grundstein zum Bau einer Kathedrale im gotischen Stil gelegt, in die aber erst 1335 die Reliquien der beiden Patrone überführt werden konnten. Zu jenem Zeitpunkt war der Chor fertiggestellt. Er gilt als architektonisch innovativ und beeindruckt durch ein Gewölbe, das die Höhe von 40 m erreicht. Zur Errichtung des Kirchenschiffs sollte es allerdings nicht mehr kommen. Dies lag nicht an Geldmangel, sondern am Ausbruch des Hundertjährigen Kriegs. Denn zum Weiterbau hätte man einen Teil der Stadtmauer niederlegen müssen. Und dies ließ sich aus Angst vor den Engländern nicht durchsetzen: Sowohl die städtischen Konsuln als auch der König verweigerten die Zustimmung. Zwar unternahm man in den folgenden Jahrhunderten mehrere Anläufe, das Kirchenschiff doch noch zu bauen, aber keiner führte zum Erfolg. Selbst Viollet-le-Duc konnte 1839/1840 seine Pläne nicht umsetzen.

Finanziert wurde der Bau der Kathedrale vom Domkapitel und dem Erzbischof, der, gemessen an seinen Einkünften, nach den Amtsbrüdern in Rouen und Auch den dritten Rang unter den französischen Bischöfen einnahm. Die Herrschaft über die Stadt, die am Vorabend der Großen Pest immerhin 30 000 Einwohner zählte, teilte er sich mit dem Herzog von Narbonne. Diesen Titel trug bis zum Albigenserkreuzzug der Graf von Toulouse und seit 1229 der französische König. Der hohe Rang des Erzbischofs drückte sich auch darin aus, dass er neben seinem Palast in Narbonne noch 19 Burgen, verstreut über das Diözesangebiet, besaß.

Nach der Kathedrale war das Kanonikerstift Saint-Paul die wichtigste Kirche der Bischofsstadt, denn sie barg das Grab des hl. Paul, des ersten Bischofs von Narbonne, der Mitte des 3. Jahrhunderts gewirkt haben soll. Seit der Karolingerzeit identifizierte man ihn mit dem römischen Prokonsul Sergius Paulus, den der hl. Paulus bekehrte (Apostelgeschichte 13, 6–12). Die Parallelen zum hl. Dionysius, den man für den Paulusschüler Dionysios Areopagites hielt, liegen auf der Hand (Apostelgeschichte 17, 34). Der Bedeutung von Saint-Paul entsprach, dass die Erzbischöfe in dieser Kirche ihre Weihe empfingen. Anschließend begaben sie sich in feierlicher Prozession zur Kathedrale. Bis ins 12. Jahrhundert diente Saint-Paul zudem einer Reihe von Erzbischöfen als letzte Ruhestätte. Manche von ihnen trugen auch den Titel eines Abts von Saint-Paul.

Auf den ersten, historischen Teil, der mit einem detaillierten Überblick über die Residenzen und Burgen der Erzbischöfe sowie einem Verzeichnis der Quellen und der Literatur schließt, folgt der zweite, prosopografische mit Angaben zu den Erzbischöfen von Berengar (1191–1212) bis zu Pierre d’Abzac de La Douze (1494–1502) sowie zu den Domkanonikern und weiteren Amtsträgern der Diözese (»Notices biographiques«, S. 133–431). Von den Kurzbiografien der Prälaten seien besonders hervorgehoben die der Erzbischöfe Gui Foucois (1259–1261), des späteren Papstes Clemens IV. (S. 148–151), und Pierre de La Jugie (1347–1375), der nach der Verkleinerung der Provinz, die mit der Erhebung von Toulouse zum Erzbistum verbunden war, die Primatswürde seiner Kirche betonte, um ihr Prestige zu stärken (S. 171–176). Umfangreiche Indices erschließen den Band, der einen ausgezeichneten Einblick in die reiche Geschichte der Kirche von Narbonne bietet.

1 Gregor von Tours, Decem libri historiarum, ed. Bruno Krusch, Wilhelm Levison, Bd. 1, 2. Aufl., Hannover 1951 (MGH SS rer. Merov. I/1), I 30, S. 23.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Rolf Große, Rezension von/compte rendu de: Benoît Brouns (†), Jean-Michel Matz, Laurent Vallière, avec la collaboration de Monique Bourin, Yves Esquieu, Michelle Fournié, Christian Freigang, Hélène Millet, Thierry Pécout, Vincent Tabbagh, Fasti Ecclesiae Gallicanae. Répertoire prosopographique des évêques, dignitaires et chanoines de France de 1200 à 1500. T. 19: Diocèse de Narbonne, Turnhout (Brepols), 2019, X–503 p., ill. en n/b, ISBN 978-2-503-58602-1, 75,00 EUR., in: Francia-Recensio 2020/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.2.73214