Nach fast einem halben Jahrhundert – und die Geschichte der Publikation wird gleich zu Anfang des Buches in ungewöhnlicher Weise und etwas entschuldigend mit allen Fehlschlägen erläutert (S. 13) – werden hiermit die für die Kirchenarchäologie bedeutenden Ausgrabungen unter dem Basler Münster, deren Befunde teils vor Ort zugänglich geblieben sind, umfangreich vorgelegt. Nach den ausschnitthaften Grabungen der ersten Jahrhunderthälfte sind es vor allem die großen Flächenuntersuchungen von 1966 und 1973/74, die das gesamte Kircheninnere erfasst hatten. Die archäologisch relevanten Schichten reichten dabei bis knapp unter die geöffneten Fußböden. Alle Bestandteile der Auswertung, die nur Befunde umfasst, sind in einen Band gepackt. Dem kleinteilig gegliederten Text der Besprechung von Bauphasen und Baubestandteilen folgen ein kurzgefasster Befundkatalog der Positionsnummern, erschlossen über Listen, Zeichnungen und Fototafeln mit Rekonstruktionen und Vergleichen sowie, mit eingebunden, die Beilagenpläne.

Nicht alle Positionsnummern, wie etwa die Nr. 180, lassen sich auch auffinden. Einige Rekonstruktionen – nach Auffassung des Rezensenten sind dies immer nur »Versuche«, was deshalb sprachlich nicht extra betont zu werden braucht – sind sinnvollerweise mit mehreren möglichen Varianten zeichnerisch umgesetzt (eigener Beitrag von Eckhart Kühne S. 385–388). Die Auflösung der Farbsignaturen zu den Plänen findet sich auf Seite 337f. Vielleicht ähneln sich manche der für die kleinteilig referenzierte Befunddarstellung ausgewählten Farben ein wenig zu stark. Die digitale Version der Publikation unter www.fsma.ch wäre natürlich nützlich, war aber unter dem im Buch angegebenen Link im Februar 2020 nicht abrufbar. Vielleicht werden dort auch (später) die in der vorliegenden Publikation fehlenden Funde1 und bzw. darunter auch die Bauplastik oder andere wünschenswerte Nachträge aufzufinden sein. Ins gedruckte Buch eingestreut sind verkleinerte Übersichtspläne zu den jeweiligen Befunden. Will man aber mit den Positionsnummern arbeiten, empfiehlt sich die Nutzung der Beilage A.1, da hier die Nummern in lesbarer Größe erscheinen. Hinzu kommen die übersichtlichen Periodenpläne S. 355–362.

Das Buch startet mit einer ausführlichen Erläuterung von Dokumentation und Vermessung. Als grundlegendes Kriterium, um die Zusammengehörigkeit von teils weit auseinanderliegenden Mauerfragmenten zu bestimmen, werden vier als römisch, karolingisch, ottonisch und spätromanisch benannte in der Zusammensetzung und im nassen Zustand in unterschiedlicher Farbigkeit definierte Mörtelgruppen herangezogen. Wohl wegen der deutlich vom Bearbeiter gesehenen Unterschiede wurde auf eine fotografische Darstellung oder weitere Analysen verzichtet. Gleichwohl wäre eine solche, auch hinsichtlich denkbarer Abweichungen innerhalb der Gruppen, die ja zum Teil beträchtlich auseinanderliegende Mauerfragmente einschließen, wünschenswert und notwendig gewesen, vor allem, da daraus so weitreichende Schlüsse auf Phasenzugehörigkeiten abgeleitet werden.

Im folgenden Kapitel werden kurz der römische Keller 167 erläutert, die Nord-Süd verlaufende Straße und ein spätantiker als Repräsentationsbau bezeichneter Rechteckbau mit Annexen, dessen Baufluchten nicht zu einer in allen Teilen orthogonalen Rekonstruktion zusammengezogen werden2 (S. 30, Abb. 2.6). Sprachlich ist das eine oder andere Gewöhnungsbedürftige zu konstatieren, z. B. die wiederholte Anwendung von Suggestivfragen (»Und wo sind die Fundamente der Zwischenpfeiler?«) in der Kommentierung einer älteren Befundrekonstruktion von Furger (S. 28f.) oder später Fragesätze ohne Antworten, wie auf Seite 60: »Handelt es sich um die Reste einer Empore oder einer hölzernen Schranke, welche die Westpartie als Endonarthex vom Hauptschiff trennte, oder sind diese Löcher vielleicht vorkarolingisch?«

Sodann wendet sich Sennhauser den frühmittelalterlichen Resten zu. Im Zusammenhang mit einem Grubenhaus zählt er die Probleme bei fundgestützten Datierungsversuchen in der Vergangenheit auf (z. B. Tabelle S. 37). Hinsichtlich der Glasfragmente wäre eine naturwissenschaftliche Bestimmung von etwaigem Holzasche-Glas hilfreich gewesen, um antikes von karolingerzeitlichem oder späterem Glas zu unterscheiden. Wenige weitere Mauerfragmente könnten am ehesten zu An- oder Nebenbauten der im Folgenden zu besprechenden karolingerzeitlichen Kirchenanlage gehören. Zum Bistum Basel/Augst bzw. Kaiseraugst gibt es eine kurze Zusammenfassung, nach der die »Kirche« von Kaiseraugst schon im 4. Jahrhundert als Kirche archäologisch nachgewiesen sei, wenn auch nicht als Bischofskirche (S. 46). Dabei besitzt der Apsidensaal Phase IIIa nach Faccani aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts keine funktionalen Bestandteile einer Kirche. Das ist erst im Frühmittelalter der Fall. Ein Grund mehr, die sedes des Bischofs schon seit der Spätantike oder mit Sennhauser seit dem 5. oder dem 7. Jahrhundert in Basel anzunehmen. Sie muss jedenfalls nicht zwingend in Kaiseraugst verortet werden, zumal dort auch kein Bischof des 4. Jahrhunderts aus den Quellen abzuleiten ist (S. 46 mit Anm. 49)3.

Der Hauptteil der vorliegenden Publikation ist der karolingerzeitlichen Kirche, dem sogenannten Haito-Münster gewidmet und seinem ottonenzeitlichen Nachfolgeausbau. Haito war ab 805 Bischof von Basel. Er starb 836. Die von ihm errichtete Kathedrale liegt vollflächig unter dem heutigen Münster und war im Lichten 37 m lang bei 11,30 m Breite. Im Norden und Süden liegen Längsannexe oder Seitenschiffe vor (dazu S. 61–63). Zu einer zeitlich gestaffelten Erklärung im Zusammenspiel mit den Kryptenzugängen und der Ostkirche kommt die Rekonstruktion S. 70, Abb. 5.32. Im Westen enden die Längsannexe in der charakteristischen Front mit den beiden Fundamenten 158 und 159 zweier im Norden und Süden gerundeter Türme. Im Osten war eine Krypta angelegt (505, 506 mit den Eingängen 509, 510). In der Mitte sind Stützen einer Schranke festgestellt (180, 186), die zu einer zweiten Ausstattungsphase gerechnet werden (S. 59, 71–73).

Auch im Westen dürfte eine Abtrennung oder eine Empore auf den Stützen mit den 171er Nummern gestanden haben. Interessant ist es, dass die ottonenzeitlichen Bodenhöhen des Mörtelstrichs 17 um 14 cm variieren. Es zeigt einmal mehr, dass bei mittelalterlichen Kirchen nicht mit einheitlichen Bodenniveaus gerechnet werden muss, oft ein Problem von Interpretationen in der Kirchenarchäologie. Breiten Raum nimmt die Besprechung der Doppelturmfassade ein, ausgestattet mit zahlreichen Vergleichen und Bedeutungserklärungen (S. 63–67, 134–138).

Die außerhalb der Kathedrale erhaltenen Reste werden als Außenkrypta mit Dreiapsidenschluss aus dem späten 9. oder dem frühen 10. Jahrhundert bestimmt und ausführlich besprochen (S. 79–99). Hervorragender Zweck dürfte die Positionierung von Bestattungen ad sanctos außerhalb der eigentlichen Kirche gewesen sein. Hypothesen zu einer weiterreichenden Kultkontinuität, wie seinerzeit von Furger vorgetragen, werden als nicht belegbar zurückgewiesen.

Das ottonenzeitliche Heinrichs-Münster aus dem frühen 11. Jahrhundert erhielt in zwei Bauphasen einen durch eine Krypta unterfangenen neuen Ostchor und eine ausgeprägte Vierung, unter der der andere Bereich der zweiteiligen Krypta entstand. Wenige Mauerspuren gehören vielleicht zu einem Westatrium. Allen architektonischen Details sind ausführliche Kapitel aus kunst- bzw. bauhistorischer Sicht gewidmet, aber auch zur Weihe von 1019 gibt es historisch umfassende Ausführungen. Zu den Krypten und Kirchengrundrissen siehe auch die Vergleichstafeln S. 437–441. Nach einem Brand von 1185 kam es zu umfassenden Erneuerungen, in deren Form das Münster noch heute im Wesentlichen besteht. Hier ist den Altären und den schon bearbeiteten Gräbern eine Erörterung gewidmet4. Die 14C-Daten für die älteren Gräber beginnen zwar von der Datenstreuung her schon im 8. Jahrhundert, reichen aber möglicherweise bis in die Zeit der Bischofskirche des Haito. Eine Mittelung der Daten in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, wie von Schwarz vorgeschlagen (S. 203, Anm. 624), ist natürlich, wie von Sennhauser richtig kritisiert, nicht sinnvoll. Ein Friedhof und damit verbunden auch eine mögliche Kirche vor dem Haito-Bau lassen sich daraus jedenfalls keinesfalls ableiten. Das ergibt auch die Zusammenschau von Sennhauser (S. 217).

Mit dem Band liegt jetzt der lange erwartete bedeutende Befund der früh- und hochmittelalterlichen Kirchenarchäologie vor. Er ist ein nützliches Kompendium, das mit zahlreichen Vergleichen zur Architektur ausgestattet ist. Wenn Funde und Baudekor folgen werden, muss die Chronologie der Bauphasen wahrscheinlich kaum anders dargestellt werden. Gleichwohl bleibt dieser Verpflichtung nachzukommen.

1 Zur Frühzeit mit Funden siehe: Andres Furger, Die Ausgrabungen im Basler Münster II. Die römische und frühmittelalterliche Zeit. 1.–8. Jahrhundert, 2011: https://www.academia.edu/5676125/Die_Ausgrabungen_im_Basler_M%C3%BCnster_II (12.05.2020).
2 Ausführlich ist dieser Befund vorgestellt bei Furger, Ausgrabungen (wie Anm. 1).
3 Dazu vgl. Guido Faccani, Die Dorfkirche St. Gallus in Kaiseraugst/AG. Die bauliche Entwicklung vom römischen Profangebäude zur heutigen christkatholischen Gemeindekirche, Augst 2012 (Forschungen in Augst, 42), besonders S. 173.
4 Zu den Gräbern siehe Hans-Rudolf Meier, Peter-Andrew Schwarz (Hg.), Die Grabfunde des 12. bis 19. Jahrhunderts aus dem Basler Münster. Repräsentation im Tod und kultureller Wandel im Spiegel der materiellen Kultur, Basel 2013 (Materialhefte zur Archäologie in Basel, 23).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Sebastian Ristow, Rezension von/compte rendu de: Hans Rudolf Sennhauser, Hans Rudolf Courvoisier (†), in Zusammenarbeit mit Alfred Hidber, Eckart Kühne und Werner Peter, Das Basler Münster. Die frühen Kathedralen und der Heinrichsdom. Ausgrabungen 1966, 1973/74, Ostfildern (Jan Thorbecke Verlag) 2018, 454 S., zahlr. s/w u. farb. Abb. (Veröffentlichungen der Stiftung für Forschung in Spätantike und Mittelalter – HR. Sennhauser), ISBN 978-3-7995-1265-7, EUR 80,00., in: Francia-Recensio 2020/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.2.73228