Das 15. Jahrhundert war eine Phase medialer Experimente: Die handschriftliche Produktion stieg an, der Buchdruck wurde erfunden und neue Medien wie Einblattdrucke entstanden. In diese Phase fallen auch Blockbücher, worunter mit Holzstöcken – also nicht mit beweglichen Lettern – hergestellte Bücher zu verstehen sind. Sie repräsentieren einen ersten Versuch, Texte auf einem neuen, technischen Weg herzustellen. Hierbei unterscheidet man verschiedene Herstellungsarten: xylografisch, chiroxylografisch und typoxylografisch. Blockbücher stehen somit an der Schwelle zwischen dem Zeitalter der Handschriften und dem Zeitalter des Drucks.

Obwohl gerade in den vergangenen Jahren mehrere Publikationen zu diesem Thema erschienen sind und sich bedeutende Forscher wie der Oxforder Mediävist Nigel Palmer um die Erforschung dieses Mediums verdient gemacht haben, legt Angelika Merk mit ihrer Untersuchung »Blockbücher des 15. Jahrhunderts« nun eine umfassend angelegte monografische Analyse dieser besonderen Form gedruckter Bücher vor.

Merks zentrale These ist, dass Blockbücher nicht als Vorläufer der Inkunabeln zu verstehen sind, auch wenn sie nach vorherrschender Meinung zeitlich kurz vor dem Buchdruck entstanden sind. Sie plädiert vielmehr dafür, Blockbücher und gedruckte Bücher als eigenständige und voneinander getrennte Medien zu sehen, auch da sich etwa der Herstellungsprozess dieser beiden Medien erheblich voneinander unterscheidet.

Blockbücher besaßen freilich den Nachteil, dass, wenn der Text bzw. Text und Bild einmal in den Holzstock geschnitten und somit fixiert waren, Eingriffe und Änderungen nicht mehr möglich waren. Allerdings konnte mit ihnen flexibler auf die Nachfrage nach einem Text reagiert werden und – vorausgesetzt der Holzstock war nicht beschädigt – diese Technik bot die Möglichkeit, auch nach einer »Erstauflage« viele neue Abzüge zu erstellen und dadurch eine variable Auflagenhöhe zu erreichen. Anzunehmen ist nach Merk außerdem, dass ohnehin nur Titel ausgewählt worden sind, die einen gewissen Absatz versprachen – möglicherweise eine Erklärung, weshalb nur so wenige Titel als Blockbücher überliefert sind. Insgesamt haben sich heute circa 40 Titel von Blockbüchern in über 600 Exemplaren erhalten, von denen einige Titel mehrere Auflagen erlebten. Die meisten Blockbücher widmen sich religiös-theologischen Themen.

Obgleich vereinzelt Blockbücher aus dem 16. Jahrhundert überliefert sind, erlebten sie ihre Blütezeit im 15. Jahrhundert. Allein schon wegen der im Vergleich zu gedruckten Büchern des 15. Jahrhunderts geringen Anzahl der überlieferten Exemplare und wegen ihres zeitlich begrenzten Auftretens stellen Blockbücher ein Phänomen von kurzer Präsenz in der Mediengeschichte dar. Wesentliche Charakteristika der Blockbücher sind laut Merk ein vergleichsweise schmaler Umfang, der einseitige Druck, die mehrheitliche Verwendung des Folioformates sowie die große Präsenz von Bildern.

Merk gliedert ihre Arbeit in sechs Kapitel: Nach einer Einleitung und einem Kapitel zum Themenspektrum der Blockbücher folgt mit dem dritten Kapitel der Hauptteil, der zwei Fallbeispiele detailliert untersucht und deren Bildprogramm ausführlich beschreibt: zum einen die Ars-moriendi-Blockbücher, zum anderen die sogenannten »Planetenkinderbücher«. Diese Fallbeispiele sind gut gewählt, denn die Ars moriendi repräsentiert durch den religiösen Bezug einen typischen Gegenstand der Blockbücher. Sie sind zudem nicht nur auf Latein, sondern ebenso auf Deutsch und Französisch sowie in mehreren Auflagen überliefert. Der große Erfolg dieses Textes beruhte dabei auch auf der Veranschaulichung der im Text beschriebenen Inhalte mittels plakativer Bilder. Das deutsche Ars-moriendi-Blockbuch des Meisters Ludwig von Ulm aus der Zeit um 1470 findet sich sogar als kompletter Abdruck im Anhang.

Die »Planetenkinderbücher« sind der auflagenstärkste nichtreligiöse Titel, der zudem ebenfalls neben der lateinischen Sprache auch in der deutschen Volkssprache erschien. Sie vermitteln einen Einblick in die spätmittelalterliche Laienastrologie, nach der die einzelnen Planeten und ihre »Kinder« Einfluss auf den menschlichen Körper üben.

Kapitel vier widmet sich der räumlichen Lokalisierung, der Produktion und der Nachfrage an Blockbüchern. Auffällig ist bei Blockbüchern die starke geografische Konzentration, da sie lediglich in den heutigen Beneluxländern, im süddeutschen Raum bzw. am Oberrhein sowie im Rheinland zu verorten sind. Während das vorletzte Kapitel allgemein Blockbücher als Artefakte des spätmittelalterlichen Medienwandels untersucht und sie in das mediale Ensemble in die Zeit des 15. Jahrhunderts einordnet, schließt das Buch mit einem Kapitel zur »MedienrEvolution (?) im 15. Jahrhundert«, in der Merk die These einer »Medienrevolution« unter Zuhilfenahme von Niklas Luhmanns Systemtheorie diskutiert.

Merk stellt im Verlauf ihrer Untersuchung heraus, dass Blockbücher verschiedene Funktionen erfüllten: Sie dienten zur Andacht, zur Kontemplation, zur visuellen Vergegenwärtigung, zur Unterhaltung, zur Unterweisung oder zum Unterricht. Ebenso breit stellt sich der Rezipientenkreis dar: Er reichte von vor allem Geistlichen, die Blockbücher etwa für ihren Beruf benötigten, über Laien, die sich mit religiösen Glaubensinhalten vertraut machen wollten, bis zu Adeligen und Bürgern. Dies ergibt sich nicht nur aus dem thematischen Schwerpunkt, sondern auch aus der Präsenz der Bilder sowie aus der Volkssprache, die förderlich auf die Rezeption wirkten. Dennoch, so betont Merk, waren Blockbücher kein Alltagsgegenstand, sondern blieben ein Luxusgut, denn dazu hatten sie durch die bildliche Ausstattung und ihr Format einen zu hohen Preis.

Merk ergänzt ihre Ausführung mit einem umfangreichen und hilfreichen Anhang, etwa zu deutschsprachigen Blockbüchern, zur bibliografischen Materialsammlung einzelner Blockbuchtitel oder zu umfangreichen Abbildungsserien einzelner Blockbücher, wodurch ihre Arbeit auch unabhängig vom Text für weitere Forschungen nützlich sein kann.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Charlotte Kempf, Rezension von/compte rendu de: Angelika Merk, Blockbücher des 15. Jahrhunderts. Artefakte des frühen Buchdrucks, Berlin, Boston (De Gruyter Saur) 2018, VII–275 S., zahlr. Abb. u. Tab., ISBN 978-3-11-055919-4, EUR 99,95., in: Francia-Recensio 2020/2, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.2.73232