Der von Maria-Elisabeth Brunert, András Forgó und Arno Strohmeyer herausgegebene Sammelband präsentiert die Ergebnisse einer internationalen Tagung, welche 2012 in Piliscsaba bei Budapest stattfand, zum Thema Kirche und Kulturtransfer im mittleren und östlichen Europa.

Der Sammelband nimmt Bezug auf das ursprünglich aus den Kulturwissenschaften stammende Konzept des Kulturtransfers, das sich mittlerweile auch in der Geschichtswissenschaft etabliert hat: In 15 Einzelstudien wird der Frage nachgegangen, welche Funktion Religion und Kirchen beim Transfer materieller oder immaterieller Kulturgüter zwischen Ungarn und Zentraleuropa einnahmen. Im Gegensatz zur Tagung liegt der geografische Schwerpunkt im Sammelband also auf dem Königreich Ungarn, das in der Frühen Neuzeit in hohem Maße durch sprachliche, ethnische und religiöse Pluralität geprägt war. Im Fokus der Beiträge stehen nicht nur die Auswahl- und Aneignungsprozesse, in denen kulturelle Güter innerhalb religiöser Kontexte transferiert wurden, sondern vor allem die daran beteiligten Akteure und Medien.

Als Medium des Kulturtransfers zwischen Ungarn und den verschiedenen Regionen Zentraleuropas kann maßgeblich Sprache ausgemacht werden. So zeigt Barnabás Guitman gleich zu Beginn des Bandes, inwiefern deutschsprachige Minderheiten zur Ausbreitung der Reformation im Königreich Ungarn beitrugen. András Vizkelety macht in seinem Beitrag darauf aufmerksam, dass die mündliche Seelsorgepraxis im Königreich Ungarn durch Einwanderungsschübe aus diversen Regionen Zentraleuropas geprägt wurde. Den Beiträgen Péter Lőkös’ und András Szilágyis ist zu entnehmen, dass ebenfalls gedruckte Medien (historiografische Arbeiten, theologische Werke sowie Bibelübersetzungen) zu Kulturtransfers zwischen Ungarn und Zentraleuropa führten.

Die Mehrheit der Fallstudien im Sammelband beschäftigt sich allerdings mit den Akteuren, welche für den Transfer materieller und immaterieller Kulturgüter verantwortlich waren: Als Akteure von Kulturtransfers lassen sich insbesondere Geistliche ausmachen. Dies demonstriert zunächst der Beitrag von István Fazekas, in dem erörtert wird, inwiefern der ungarische Erzbischof Nikolaus Oláh durch seine Kontakte zu humanistischen Kreisen in den Niederlanden zu einem Mittler des Transfers von Wissen und Normen aus Westeuropa in den ungarischen Raum wurde. András Forgós Studie des Kardinal-Erzbischofs Christian August von Sachsen-Zeitz legt dar, welche Rolle ausländischen Geistlichen beim Transfer von Kulturgütern von Zentraleuropa nach Ungarn zukam.

Aber auch religiöse Orden konnten laut den Beiträgen Maria-Elisabeth Brunerts, Gábor Sarbaks und Klára Berzeviczys als Akteure des Kulturtransfers zwischen Ungarn und Zentraleuropa wirken. Besondere Bedeutung kam hierbei dem Zisterzienser- sowie dem Paulinerorden zu, der im 13. Jahrhundert in Ungarn aus einer Eremitenbewegung heraus entstand und von dort aus nach Nord- und Westeuropa expandierte.

Judith Bogár und Ludolf Pelizaeus zeigen in ihren Beiträgen auf, wie Familien und Adelige zu Mittlern des Kulturtransfers zwischen den ungarischen Territorien und Zentraleuropa wurden. Judith Bogár nimmt sich dem Beispiel der aus Schlesien stammenden Familie Buchholtz an, die sich im 18. Jahrhundert im nördlichen Ungarn niederließ und traditionell enge Verbindungen zum Heiligen Römischen Reich pflegte. Ludolf Pelizaeus thematisiert anhand der Familien Eltz und Stadion, Angehörigen des Mainzer Stiftsadels, inwiefern aus Italien und den Niederlanden stammende Kunstartefakte über das Rheinland unter anderem nach Kroatien transferiert wurden. Aus Pelizaeus‘ Beitrag wird insofern ersichtlich, dass Kulturtransfers nicht nur bilateral von einem Raum in den anderen, sondern multilateral erfolgten. Dies ist auch der Fallstudie Xénia Golubs zu entnehmen, die sich der Frage widmet, inwiefern serbische Migranten, welche sich an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert im Königreich Ungarn niederließen, zur Verbreitung postbyzantinischer Ikonen im ungarischen Raum beitrugen. Xénia Golub legt dar, dass an diesem Transferprozess längst nicht nur die Migranten beteiligt waren, sondern auch die habsburgische Zentralregierung in Wien.

Die Gruppe der im Sammelband behandelten Akteure ist also äußerst heterogen: Neben Geistlichen und religiösen Orden wirkten zum Beispiel auch Adelige, Familienverbände, Migranten und die Habsburger als Mittler von Kulturtransfers zwischen Ungarn und Zentraleuropa.

Insgesamt ist zu sagen, dass die 15 Fallstudien des Sammelbandes interessante Einblicke in die kulturellen Transferprozesse eröffnen, welche sich im östlichen und mittleren Europa vor allem in religiösen Kontexten vollzogen. Den Beiträgen gelingt es aber oftmals nicht, die Komplexität und Differenziertheit dieser Prozesse aufzuzeigen, obwohl Arno Strohmeyer dies in der Einleitung als Ziel des Sammelbandes benennt.

Bis auf wenige Ausnahmen zeigen die Studien stets nur bilaterale Transferprozesse auf, wobei das Königreich Ungarn meist als »Empfänger« fungiert. Bei manchen Beiträgen ist zudem fraglich, ob sich in den jeweiligen Kontexten wirklich von Kulturtransfer sprechen lässt. So argumentiert etwa Péter Tusór, dass die Ad-limina-Berichte, welche ungarische Bischöfe regelmäßig an den Papst richteten, um Rom über die Lage in ihren Diözesen zu unterrichten, eine Form des Kulturtransfers dargestellt hätten. Zweifellos eröffneten die Berichte dem Heiligen Stuhl die Möglichkeit, regulierend in die ungarischen Diözesen einzugreifen; dennoch ist aufgrund dieser Tatsache nicht automatisch von möglichen kulturellen Transfers zwischen Rom und dem ungarischen Raum auszugehen.

Zu kritisieren ist außerdem, dass Leserinnen und Leser, die über wenig Hintergrundwissen zur Geschichte Ungarns und Ostmitteleuropas in der Frühen Neuzeit verfügt, es schwer haben könnten, den genauen Kontext sowie die Hintergründe der im Sammelband dargestellten Kulturtransfers zu erfassen. Die religiösen und politischen Ereignisse, welche mitunter für die sprachliche, konfessionelle und ethnische Vielfalt des ungarischen Königreichs verantwortlich waren und kulturelle Transfers dementsprechend erst möglich machten, werden leider nur am Rande thematisiert.

Dies spiegelt sich bereits in der Einleitung wider, die die hinter diesen Austauschprozessen stehenden Ereignisse – Reformation, Gegenreformation, Dreiteilung des ungarischen Königreichs, osmanische Besatzung etc. – sehr vereinfacht darstellt. In der Einleitung wird der katholischen Kirche darüber hinaus pauschal eine bedeutende Funktion in Kulturtransfers zugerechnet, wobei diese vor dem Hintergrund der Komplexität der einzelnen Transfers und vor allem deren jeweiligen sozialen und politischen Kontexten zu relativieren ist.

Lässt man diese Schwächen außer Acht, so bieten die Beiträge des Sammelbandes durchaus neue Perspektiven auf die sich durch sprachliche, religiöse und ethnische Vielfalt auszeichnenden Territorien Mittel- und Osteuropas in der Frühen Neuzeit sowie deren Austausch untereinander. Der Sammelband beweist insofern das Potential der Kulturtransferforschung für den ostmitteleuropäischen Raum, in dessen nationalen Historiografien dieses Forschungskonzept bisher nur vereinzelt zum Einsatz kam.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Sabrina Rospert, Rezension von/compte rendu de: Maria-Elisabeth Brunert, András Forgó, Arno Strohmeyer (Hg.), Kirche und Kulturtransfer. Ungarn und Zentraleuropa in der Frühen Neuzeit, Münster (Aschendorff) 2019, VI–258 S., zahlr. s/w Abb. (Schriftenreihe zur Neueren Geschichte, 40. Neue Folge, 3), ISBN 978-3-402-14770-2, EUR 43,00., in: Francia-Recensio 2020/2, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.2.73284