Anfang des 17. Jahrhunderts begann mit Karl von Liechtenstein der entscheidende Aufstieg des Hauses Liechtenstein in der politischen Nähe der Habsburger. Die Niederschlagung des böhmischen Aufstandes und die folgenden Gütertransaktionen ermöglichten der Familie eine umfangreiche territoriale Expansion. 1620 wurde Karl, der 1608 die Fürstenwürde erhalten hatte, vom Kaiser in den Reichsfürstenstand erhoben. Die Liechtensteiner strebten alsbald auch die Reichsstandschaft an. Ihrem Weg zu Sitz und Stimme auf dem Immerwährenden Reichstag widmet sich Katharina Arnegger. Er gestaltete sich wider Erwarten ausgesprochen langwierig. Erst mehr als 100 Jahre später gelang es, Session und Votum im Reichsfürstenrat zu erlangen.

Die Probleme waren vielschichtiger Art. Gerade angesichts der Vielzahl von Standeserhöhungen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts suchten die altadeligen Häuser die vom Kaiser geschaffene Konkurrenz zurück zu halten. Aus Sicht der evangelischen Familien kam hinzu, dass es sich bei den Neuadligen durchweg um altgläubige Sympathisanten der Kaiser handelte. Für diese war die Aufnahme in den Reichsfürstenrat umgekehrt die einzige Chance, von den altfürstlichen Häusern als ebenbürtig anerkannt zu werden.

Die Liechtensteiner verfolgten in der Folge wechselnde Strategien, die Arnegger ausführlich und präzise darstellt, stets mit Blick auch auf alternative Entwicklungsmöglichkeiten und unterschiedliche innerfamiliäre Positionen. Versuche, die Reichsstandschaft zu erlangen, indem man den Kaiser und den Erzbischof von Mainz als Reichserzkanzler für das Anliegen gewann, scheiterten beim Reichstag von 1640/41 ebenso wie auf dem Reichstag von 1654. Wie auch später wurden andere Familien vorgezogen, darunter die Piccolomini, Dietrichstein und Portia. Den Liechtensteinern stand ihr im Vergleich minderer Rang nicht nur in zeremoniellen und Rangfragen deutlich vor Augen – er begrenzte ihre politischen Handlungsmöglichkeiten und Karrierechancen.

Benötigt wurde nun ein fürstliches Territorium, das reichsunmittelbar war und als ausreichend groß galt, wenngleich diese Faktoren keine Garantie bedeuteten. Die liechtensteinischen Gebiete in Böhmen, Mähren und Österreich erfüllten die Kriterien nicht, und das Angebot war knapp. Die Liechtensteiner zogen diverse Territorien in Betracht, beispielsweise Cilli, eine Grafschaft im heutigen Slowenien, und nutzten die Beratung und Informationen von Juristen, einflussreichen Diplomaten und Standesgenossen. Johann Adam I. von Liechtenstein erwarb schließlich 1699 Schellenberg und 1712 Vaduz, beide zwischen der Schweiz und Vorarlberg gelegen und zuvor Teile der Grafschaft Hohenems. Finanziell waren sie wenig attraktiv, der Fürst verfügte damit jedoch über Gebiete im Schwäbischen Reichskreis. Die Zugehörigkeit zur Fürstenbank des Kreises sollte jetzt zur Zwischenstation auf dem Weg zum Reichstag werden. Dabei half ihm ein umfangreiches Darlehen, das er dem Kreis gab.

Ein weiterer wesentlicher Schritt ergab sich mit Anton Florian von Liechtenstein. Sein besonderes Näheverhältnis zum Kaiser aufgrund seines Amtes als kaiserlicher Obersthofmeister eröffnete ihm – ein geradezu klassisches Karrieremuster – 1713 die Aufnahme in den Reichsfürstenrat, wenngleich nur als Personalist. Ein interner Tausch von Vaduz und Schellenberg mit der Herrschaft Rumburg in Böhmen in der Fürstenfamilie brachte ihm 1718 dann das benötigte reichsunmittelbare Territorium. Im Folgejahr wurden Schellenberg und Vaduz zum reichsunmittelbaren Fürstentum »Liechtenstein« zusammengeschlossen, vier Jahre später erlangte das Haus insgesamt die Reichsstandschaft. Dass Liechtenstein von seiner Größe her »fürstenmäßig« sei, fand unter den Zeitgenossen jedoch nicht unbedingt Zustimmung.

In der Forschung sind die liechtensteinischen Bemühungen um die Reichsstandschaft verschiedentlich angesprochen worden1. Arnegger geht aber detaillierter vor und fragt immer wieder nach den finanziellen Kosten für die Liechtensteiner. Zu dem Kaufpreis für Schellenberg und Vaduz und dem Darlehen an den Schwäbischen Kreis kamen Steuern an die Reichshofkanzlei, Matrikularbeiträge sowie eine umfangreiche Geschenkpolitik und Zahlungen an beauftragte Interessenvertreter. Im umfangreichen Quellenanhang bietet die Autorin eine Kostenaufstellung für die mehrtätigen Regensburger Feierlichkeiten zur Aufnahme Anton Florians in den Reichsfürstenrat, auf die sie ausführlich eingeht. Vor allem sind hier zentrale juristische Dokumente abgedruckt.

Die angerissene übergreifende Frage nach der Rolle der Liechtensteiner in der Reichspolitik behandelt Arnegger aber nur am Rande. Ihre Geschichte endet mit den frühen 1720er Jahren – das Agieren des Hauses auf dem Reichstag spielt daher keine Rolle. Interessant wäre es gleichwohl gewesen, deutlicher herauszustellen, was die angestrebte Mitgliedschaft im Reichsfürstenrat für die Liechtensteiner bedeutete. Er war attraktiv aufgrund seines »elitäre[n] Charakter[s]« (S. 145) und der politischen Einflussmöglichkeiten, die er eröffnete, wie Arnegger betont, und zudem für seine Mitglieder in ihren Beziehungen zu Habsburg relevant. Für die Liechtensteiner, die im Reichsfürstenrat letztlich wohl wenig Einfluss hatten, sollte er auch weitere Heiratskreise erschließen. Wenngleich sie wiederholt hohe Ämter im Umkreis des Kaiserhofs innehatten, in Wien residierten und große Besitzungen im habsburgischen Bereich hatten, setzten sie keineswegs nur auf Habsburg, sondern griffen mit dem Mainzer Gesandten und anderen auf hochrangige nicht-habsburgische Politiker zur Vertretung ihrer Belange zurück.

Manche einordnende Beobachtung im kurzen Fazit hätte an früherer Stelle der Studie bereits mehr Klarheit schaffen können, so jene, dass sich vom 17. zum 18. Jahrhundert »immer mehr ein festgelegtes Prozedere« zur Erlangung der Reichsstandschaft entwickelte (S. 146). An wenigen Stellen ergeben sich kleinere Redundanzen. Jedoch liefert Arnegger, die ihre komplizierte Materie sicher handhabt, in ihrer auf einer breiten Quellenbasis erarbeiteten Darstellung eine umfassende Perspektive auf die Bemühungen des Hauses um die Reichsstandschaft und die juristischen Verhandlungen. Dabei lässt sie die Vielzahl der beteiligten Akteure sichtbar werden.

Nicht zuletzt zeigen sich grundlegende Funktionsweisen der Politik im Reich und der Reichsverfassung. Die Studie macht deutlich, wie die politischen Möglichkeiten des Kaisers und der Korporationen ineinandergriffen – so war ja für die Neuaufnahme in den Reichsfürstenrat ein Zusammenspiel von Kaiser, Kurfürsten- und Fürstenrat erforderlich – und das Verfassungssystem auf »checks and balances« beruhte. Die Schwierigkeiten der Liechtensteiner resultierten auch daraus, dass die Reichsverfassung durchaus flexibel interpretierbar war und Aushandlungsprozessen unterlag.

1 Beispielsweise Volker Press, Dietmar Willoweit (Hg.), Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung. Geschichtliche Grundlagen und moderne Perspektiven, Vaduz, München, Wien 21988; jetzt auch Georg Schmidt, Aus Vaduz und Schellenberg wird Liechtenstein. Fürsten und Untertanen im Mehrebenengefüge des Alten Reiches, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 119 (2020), S. 143-162.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Astrid Ackermann, Rezension von/compte rendu de: Katharina Arnegger, Das Fürstentum Liechtenstein. Session und Votum im Reichsfürstenrat, Münster (Aschendorff) 2019, 256 S., ISBN 978-3-402-24650-4, EUR 24,80., in: Francia-Recensio 2020/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.3.75505