Et in arcadia ego. Mit diesem Hinweis beginnt und endet John Hardmans Werk über Marie Antoinette. Doch anders als diese Einrahmung vermuten ließe, geht es nicht um das Moment des Todes im Leben der französischen Königin, als vielmehr um eine Darstellung ihrer Biografie mit besonderem Schwerpunkt auf ihre Zusammenarbeit mit dem Revolutionspolitiker Antoine Barnave.
Dies ist auch der Teil, der als einziger mit neuen Erkenntnissen aufwartet. Die Kapitel vor und nach dem Abschnitt zur Korrespondenz mit Barnave beschreiben das Leben Marie Antoinettes in bekannter Weise, handeln Jugend und Zeit als Dauphine auf rund zwanzig Seiten ab, um dann der vorrevolutionären Königinnen-Zeit etwa 150 Seiten zu widmen. Die zweite Hälfte des ca. 320 Seiten umfassenden Werkes (Achtung: Das Kapitel zum Forschungsstand verbirgt sich noch hinter den Endnoten), behandelt die Ereignisse der Revolution. Hardman legt dabei den Schwerpunkt auf die »politische Rolle« Marie Antoinettes, versäumt aber zu definieren, was er darunter versteht.
Hardman beschreibt den Verlauf der Revolution ausführlich und behandelt insbesondere herausragende Ereignisse, wie den 14. Juli oder den 5. Oktober 1789. Er führt den Revolutions-Politiker Barnave ein, der als Mitglied der Feuillants eine konstitutionelle Monarchie befürwortet. Barnave lernt die Königin nach der gescheiterten Flucht nach Varennes kennen. Marie Antoinette und er wollen ähnliches erreichen und tun sich zusammen. Bis Januar 1792 bestimmen sie gemeinsam die französische Politik, was sich anhand von 44 gewechselten Briefen belegen lässt – so Hardmans These. Dem »Duumvirat« gelingt es jedoch nicht, gemeinsame Ziele wie die Änderung der Verfassung, einen neuen Bündnisvertrag mit Habsburg-Österreich oder die Rückkehr der Emigranten zu erreichen. Um den Jahreswechsel 1791/1792 verlässt Barnave Paris. Die Gründe sind unklar. Ohne Barnave kann Marie Antoinette ihren Einfluss auf die französische Politik nicht weiter ausüben, so Hardman.
John Hardman gelingt in »Marie Antoinette. The Making of a French Queen« nachzuweisen, dass Marie Antoinette mitnichten mit Barnave ein doppeltes Spiel spielte, sondern rasch erkannte, dass eine Rückkehr zum Absolutismus unmöglich und eine konstitutionelle Monarchie der einzig gangbare Weg war. Details wie Diskussionen um Farben von Uniformen führt Hardman als Beweis dafür an, dass es der Königin mit ihrem Vorhaben ernst war (S. 249f.).
Als Einstieg in die Biografie Marie Antoinettes ist das Werk Hardmans weniger geeignet, muss man doch ausreichend Vorwissen mitbringen, um dem Text folgen zu können: Die Studie ist reich an, teils auch unwichtigen, Details. So geht es auf Seite 43 beispielsweise um eine Uhr, die Ludwig XVI. angeblich für Marie Antoinette in Auftrag gegeben habe und die erst Jahre nach ihrer beider Tod fertiggestellt worden sei. Die Mutmaßungen, ob Marie Antoinette mit Fersen eine körperliche Beziehung hatte, nehmen, berücksichtigt man die erklärte Ausrichtung der Biografie, zu viel Raum ein.
Eine ärgerliche Schwäche des Textes ist, dass er ständig von Punkt zu Punkt springt und viele Aspekte nur anreißt, aber nicht zu Ende bringt (z .B. wird auf Seite 14 die Frage gestellt aber nicht beantwortet, wo Marie Antoinette nach dem Sturz Choiseuls steht. Auf Seite 313f. werden Gründe für die Unbeliebtheit Marie Antoinettes aufgezählt und gleichzeitig angeführt, dass es ihr leichtgefallen sei, Menschen für sich einzunehmen. Eine Schlussfolgerung bleibt aus). Manches erscheint auch widersprüchlich. So schreibt Hardman auf Seite 193 Marie Antoinette verhandle mit politischen Entscheidungsträgern und auf Seite 199 im selben Kontext, dass sie sich bemühe, in Vergessenheit zu geraten.
An einigen Stellen hält sich Hardman nicht mit persönlich wirkenden Urteilen zurück. Beispielsweise heißt es auf den Seiten 3f. und 70, Maria Theresia habe Marie Antoinette in herzloser und zynischer Weise manipuliert und die Gefühle Marie Antoinettes während der Revolution werden auf S. 199 geschildert ohne Belege anzuführen. Es finden sich auch ein paar Flüchtigkeitsfehler und Ungenauigkeiten. Beispielsweise wurde das Amateurtheater nicht erst unter Polignac bei Hof eingeführt (S. 37) und Franz I. Stephan ist in den Augen von Zeitgenossen mit 56 Jahren sicherlich nicht »jung gestorben« (S. 39). Auch die Aussage auf derselben Seite, Ludwig XVI. habe Paläste erworben als gäbe es kein Morgen, ist übertrieben. Auf den Seiten XX, 7 und 311 finden sich zudem Ungenauigkeiten in Bezug auf die Korrespondenz Maria Theresias und Marie Antoinettes.
So erwähnt Maria Theresia die Notwendigkeit ein Korsett zu tragen im Verlauf ihres zehnjährigen Briefwechsels mit ihrer Tochter nicht »constantly« und auch von einer »prurient obsession« für Marie Antoinettes Intimleben und ihre Entbindungen – im Zeitraum bis zum Tod der Kaiserin ohnehin nur eine, deren Ablauf Botschafter Mercy detailliert aber in keiner Weise »prurient« beschreibt – kann nicht die Rede sein.
Auch die auf den ersten Blick spannende Trennung zwischen (nicht näher definierten) sozialen und politischen Zirkeln Marie Antoinettes wird bei der Lektüre als zunehmend problematisch erkennbar. Beispielsweise stellt sich die Frage, warum Alexandre de Calonne als Gegenspieler Marie Antoinettes (z. B. S. 133) trotzdem zu ihrem sozialen Kreis hinzugezählt wird. Falls dies Aufgrund seiner Mitgliedschaft in der société Polignacs geschieht, muss man sich fragen, was der soziale Zirkel Marie Antoinettes ist (ausschließlich der Kreis Polignacs?) und was eine Zugehörigkeit bedeutet. Leider bleibt Hardman die Antwort schuldig.
Nach etwa 120 Seiten rein biografischer Erzählung folgt das Kapitel »The Ascendancy of Marie-Antoinette«, das nicht wie erhofft endlich die »politische Rolle« und den Einfluss Marie Antoinettes auf allgemein verbindliche Entscheidungen analysiert, sondern lediglich die Ereignisse der Jahre 1787/88 nacherzählt. Marie Antoinettes »politische« Handlungen sind darin eingeflochten und werden chronologisch beschrieben.
Der Korrespondenz Marie Antoinettes mit Barnave ist dann ab S. 242 ein ganzes Kapitel gewidmet. Hardman argumentiert, dass es an Marie Antoinette gewesen sei, den depressiven Ludwig XVI. zu vertreten (S. 242). Warum dies so sein musste wird nicht herausgearbeitet. Barnave und die Königin handeln Entscheidungen per Brief aus, diese gelangen dann über Vertraute in den Rat, wo sie der König absegnet. Leider verliert sich Hardman auch hier in der Ereignisgeschichte und versäumt es zu analysieren, wie es der Königin gelingen kann, anhand des Briefwechsels mit Barnave Einfluss auf allgemeingültige Entscheidungen zu nehmen.
Dies macht auch die größte Schwachstelle des Werkes aus: Die Korrespondenz Marie Antoinettes mit Barnave ist ohne Frage spannend und wirft vielfältige Fragen auf. Da Hardman allerdings die Biografie als Rahmen gewählt hat, wird er an vielen Stellen durch notwendiges Erzählen ausgebremst und muss die Analyse hintenanstellen. Der Untersuchung der höchst interessanten Korrespondenz wäre man sicherlich mit einer fokussierten Studie gerechter geworden.
Nichtsdestotrotz lässt sich festhalten, dass es sich bei Hardmans Werk um eine detailreiche und kurzweilige Biografie handelt, die zumindest für die vorgebildeten Leserinnen und Leser unterhaltsam ist und dank ihres Schwerpunkts auf der Zusammenarbeit und gemeinsamen Entscheidungsfindung der Königin mit Barnave manchen Impuls zu weiterer Forschung setzen kann.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Johanna Hellmann, Rezension von/compte rendu de: John Hardman, Marie-Antoinette. The Making of a French Queen, New Haven, London (Yale University Press) 2019, XX–363 p., 26 ill., ISBN 978-0-300-24308-6, EUR 27,32., in: Francia-Recensio 2020/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.3.75513