Mit zahlreichen anderen Forschungsrichtungen teilt die Erforschung der Germania Sacra, näherhin also das als einmalig angesehene Phänomen der Reichskirche von der ottonisch-salischen Zeit bis hin zu den grundlegenden Erschütterungen und Umbrüchen um 1800, Geschick und Etikett des Newcomers. Noch vor einer Generation eher stiefmütterlich behandelt, hat sich mittlerweile vor allem dank herausragender Arbeiten zur Exemplifizierung anhand von Fallbeispielen einerseits, wie auch einiger unternommener Vergleichsanalysen innerhalb des Wissenschafts-, kaum jedoch des akademischen Lehrbetriebs andererseits etabliert. Die ersten galten vorrangig dynastischen Ansätzen, etwa (für die hier interessierende Zeit nach 1648) zu den Häusern Schönborn, Bayern, Pfalz-Neuburg oder Lothringen, die zweiten Fragen nach Wesen und Amt des Fürstbischofs, der geistlichen Wahl, der Position der Domkapitel oder aber auch der Ämterlaufbahn und -kumulation.
Für den deutschen Sprachraum maßgeblich an diesem Ertrag beteiligt waren und blieben die seit den frühen 1960er Jahren erscheinenden »Studien zur Germania Sacra« mit ihren Unterreihen. Diese legen nun heute einen Sammelband zum Gesamtkomplex des geistlichen Regiments in der Frühneuzeit vor, welcher allen Charakteristiken dieses Publikationstypus’ entspricht. Zum einen gelang es, hochrangige Forscher zu Artikeln über ihre zentralen Forschungsfelder zu gewinnen (so findet man an themenimmanent »altgewohnten« Namen unter anderen etwa Bettina Braun, Gerhard Immler, Dieter J. Weiß und Wolfgang Wüst in der Autorenliste), deren wie zu erwarten solide und fundierte Beiträge aber auch durch neuere Thematiken und (noch) weniger bekannte Verfasserinnen und Verfasser ergänzt werden. Es stehen im Rahmen dieser Anzeige weder Umfang noch Sinnhaftigkeit dafür, die insgesamt 18 Aufsätze hier einzeln vorzustellen, oder gar vertieft analytisch zu diskutieren1.
Beschränken wir uns auf den Hinweis, es hier mit einem durchaus wichtigen Ergänzungswerk zu tun zu haben, dessen Artikel, wiewohl sicher von unterschiedlicher Relevanz und Gewichtigkeit, das thematisch zugrunde legende Themenfeld illustrieren, erweitern und mitunter auch bisher Geleistetes überblicksartig darbieten.
Erfreulicherweise scheinen auch einige innovative Fragestellungen, etwa nach konfessionell übergreifenden Parametern wie Institutionen, etwa anhand lutherischer (Frauen-)Abteien/Stifte sowie Bistumsadministrationen, oder nach der Korrelation von wirtschaftlicher Fundierung und kulturellem Ertrag, auf. Anderes, vielleicht Grundlegendes, etwa die Frage danach, was geistliche Herrschaft im Kontext der Vormoderne – also ausgehend von der altkirchlichen Oikumene-Idee über das christliche Kaiser- und Königsideal bis hinein in die themenspezifisch exakte Definition des Labels «Herrschaft» – überhaupt vorstellt, findet jedoch keine vertiefte Erörterung.
In summa überschreitet also, wie oben schon angeführt, der vorliegende Band seine gattungsimmanenten Beschränkungen nicht; innerhalb derselben aber bietet er viel Lesens- und Bedenkenswertes, dem man auch weite Verbreitung gern wünscht – ein Wunsch, dessen Erfüllung allerdings angesichts des horrenden Ladenpreises illusorisch zu bleiben droht.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Josef J. Schmid, Rezension von/compte rendu de: Dietmar Schiersner, Hedwig Röckelein (Hg.), Weltliche Herrschaft in geistlicher Hand. Die Germania Sacra im 17. und 18. Jahrhundert, Berlin (De Gruyter Akademie Forschung) 2018, XIII–510 S., 18 farb. u. s/w Abb. (Studien zur Germania Sacra. Neue Folge, 6), ISBN 978-3-11-055414-4, EUR 139,95., in: Francia-Recensio 2020/3, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.3.75519