Schon seit Langem gilt den Finanzen des Papsttums und der römischen Kurie mit den entsprechenden Implikationen großes mediales Interesse. Die wissenschaftliche Erforschung (mit der Erschließung und Edition relevanter Quellen), vorangetrieben auch durch die zahlreichen, nach der Öffnung des Vatikanischen Geheimarchivs 1880/1881 entstandenen Institute in Rom (die École française de Rome wurde bekanntlich schon 1875 gegründet), schritt allmählich voran und führte zu ertragreichen Resultaten – je nach Epoche und Untersuchungsaspekt unterschiedlich in Dichte und Tiefendimension. Hier seien die vorgelegten Forschungsergebnisse besonders hinsichtlich des späten Mittelalters hervorgehoben; es genügt, auf die einschlägigen Publikationen von Jean Favier und Arnold Esch für die französische und deutsche Mediävistik exemplarisch zu verweisen.

Dass die Zeit vor dem avignonesischen Exil des Papsttums im Blick auf dessen Finanzlage bislang unterbelichtet blieb, ist der Fachwelt bekannt, doch eher kaum der gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Umso verdienstvoller ist es, dass der österreichische Mediävist Werner Maleczek als Herausgeber einen gewichtigen Band von mehr als 600 Seiten vorlegt, der aus einer Tagung des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte hervorgegangen ist.

Gewidmet ist die Veröffentlichung dem am 27. Dezember 2016 verstorbenen Mediävisten Stefan Weiß, geboren 1960 in Düsseldorf, dessen Augsburger Habilitationsschrift mit dem Titel »Die Versorgung des päpstlichen Hofes in Avignon mit Lebensmitteln (1316–1378). Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte eines mittelalterlichen Hofes« im Jahre 2002 erschien. Sein Weg führte ihn auch an das Deutsche Historische Institut Paris. Sein letzter wissenschaftlicher Beitrag wird im Tagungsband publiziert: »Die Aufzeichnungen der päpstlichen Finanzverwaltung. Vom Liber Censuum des Cencius bis zur entwickelten Buchhaltung des Avignoneser Papsttums« (S. 65–86).

Werner Maleczek führt konzise in die Thematik des Bandes ein und benennt die zentrale, zu diskutierende These, die in den Mittelpunkt der Vorträge beziehungsweise der Beiträge (neben dem seinigen weitere 13 in Deutsch, Französisch und Englisch) gerückt werden sollte: »Die Entfaltung der Geldwirtschaft besonders im 13. Jahrhundert erhielt durch die weitgespannte Finanzierung der römischen Kurie einen bisher wenig beachteten, aber kräftigen Impuls, und das italienische Bankwesen, einer der Motoren des frühen Kapitalismus, verdankt ihr zu erheblichem Teil seinen Aufstieg, ungeachtet des kanonischen Zinsverbotes« (S. 24).

Die italienische Numismatikerin Lucia Travaini beleuchtet das römische Münzwesen von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum Beginn des Pontifikats Clemens’ V. im Jahre 1305 (S. 27–64), näherhin die in der Ewigen Stadt hergestellten und benutzten Münzen. Der Wuppertaler Mediävist Jochen Johrendt stellt die fragmentarische, heterogene Quellenlage bis zum frühen 13. Jahrhundert heraus, die keine genauen quantitativen Aufschlüsse über die päpstlichen Einkünfte zulässt, sondern nur Einblicke qualitativer Art erlaubt (S. 87–129). Die Einnahmen resultierten aus Pilgerspenden, Urkundentaxen, Geschenken, Immobilien und Verpachtungen sowie Lehnszinsen. Die päpstliche Kapelle beziehungsweise die päpstlichen Kapläne bezüglich der Finanzbeschaffung und des Transfers der Gelder nach Rom eingehender zu untersuchen, wie der Verfasser anregt (vgl. S. 123–126), könnte sich als lohnend erweisen.

Der Leipziger Wirtschaftshistoriker Markus A. Denzel fordert »einen Perspektivwechsel« im Blick auf die päpstliche beziehungsweise kuriale Finanzgeschichte und geht in seinen Ausführungen von der zeitlichen Koinzidenz mit der »Kommerziellen Revolution des Hochmittelalters in Italien« (S. 132) aus – als Stichworte seien Seeversicherung, Einführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs dank des Wechsels, doppelte Buchführung genannt. Sein Beitrag (S. 131–166) mündet in die These, »dass gerade die Entwicklungen in der päpstlichen Finanzverwaltung im ›langen‹ 13. Jahrhundert die entscheidende Grundlage für den dann im 14. Jahrhundert folgenden Auf- und Ausbau der päpstlichen Kammer bildeten, mithin das ›lange‹ 13. Jahrhundert die zentrale Epoche der danach über Jahrhunderte geltenden Weichenstellungen in der kurialen Finanzverwaltung darstellte« (S. 164).

Die beigegebenen Tabellen und Abbildungen beziehen sich indes auf die Zeit von 1295 bis 1314 (und später). Um das Thesengeflecht wurzeln zu lassen, bedürfte es daher noch der diesbezüglichen Quellendichte. Was Denzels Bemerkungen zur »Wucherdebatte« anbelangt, »die die Herausbildung des Wechsels als Umgehungsstrategie zumindest beschleunigte« (S. 164), sind die Ausführungen des Historikers Hans-Jörg Gilomen (S. 405–449), betitelt mit »Das kanonische Zinsverbot und seine theoretische und praktische Überwindung?«, vergleichend heranzuziehen.

Weitere mediävistische Beiträge zeigen die Vielfalt der behandelten Aspekte. Armand Jamme beleuchtet die Kaufleute und Banken, die für Papsttum und Kurie in Finanzgeschäften und -dienstleistungen tätig waren (S. 167–205): zunächst die römischen, die jedoch allmählich von den sienesischen und dann immer stärker von den florentinischen abgelöst wurden. Diesen Beitrag ergänzt Marco Vendittelli, welcher den Aufstieg und den Niedergang der römischen mercatores im 12. und 13. Jahrhundert darlegt (S. 495–558). Mit Finanzen und Stellung des Kardinalskollegiums befasst sich Andreas Fischer (S. 207–262).

Pascal Montaubin wendet sich den procurationes der päpstlichen Legaten besonders im französischen Königreich des 13. Jahrhunderts zu (S. 263–336). Satiren zur Finanzgier des Papstes untersucht Thomas Wetzstein (S. 337–372). Matthias Thumser beschäftigt sich mit der Kreditfinanzierung des negotium regni Sicilie, womit Karl I. von Anjou der Triumph über die Staufer in Süditalien und Sizilien und damit die Königsherrschaft ermöglicht werden sollten (S. 373–403), und fragt hierbei nach der Rolle von Papst Clemens IV. (1265–1268). Beobachtungen zur Bedeutung des Geldes in den Auseinandersetzungen zwischen dem staufischen Kaiser Friedrich II. († 1250) und dem Papsttum trägt Andreas Büttner zusammen (S. 451–493).

Der Mediävist Jürgen Dendorfer zieht eine wohlabgewogene Bilanz der Tagung beziehungsweise der jeweils mit einem englischen Resümee versehenen Beiträge des Bandes (S. 559–573). Ihm ist sicherlich zuzustimmen, wenn er feststellt, »dass die Suche nach zeitgenössischen, belastbaren Berechnungen von Gesamtbudgets der Kurie für das 12. und 13. Jahrhundert ins Leere greift« (S. 564). Den Band beschließt ein Register der Orts- und Personennamen.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Andreas Sohn, Rezension von/compte rendu de: Werner Maleczek (Hg.), Die römische Kurie und das Geld. Von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum frühen 14. Jahrhundert, Ostfildern (Jan Thorbecke Verlag) 2018, 623 S., 24 Abb. (Vorträge und Foschungen, 85), ISBN 978-3-7995-6885-2, EUR 64,00., in: Francia-Recensio 2020/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.3.75563