Das anzuzeigende Buch ist die Druckfassung einer theologischen Dissertationsschrift, die im Sommersemester 2016 an der Universität Mainz eingereicht wurde. In dem Bewusstsein, dass die Formierung des ordo clericorum und die Ausdifferenzierung der geistlichen Ämter keine statischen Größen sind, sondern Ergebnis einer historischen Entwicklung, möchte die Verfasserin diesen Prozess anhand des vielfältigen kanonistischen Quellenmaterials nachzeichnen. Es geht ihr darum, die »Entwicklung der theologischen Positionen und rechtlichen Ausformulierungen des Verständnisses der Kleriker im lateinischen Ritus der katholischen Kirche« (S. 17) in den Blick zu nehmen.
Wie die Quellenauswahl zeigt, interessiert sich Sabrina Meckel-Pfannkuche für eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte: So geht sie etwa auf Weihevoraussetzungen ein, auf Ordinationsriten, die Sakramentalität der Priesterweihe, die Abgrenzung des Klerikerstandes von den Laien oder auf (Vor-)Rechte und Pflichten der Kleriker; andere Gesichtspunkte wie Wahlprozedere oder Degradation erwähnt sie nur am Rande.
Die Verfasserin hat sich ein anspruchsvolles Programm vorgenommen: Angefangen mit den »Statuta Ecclesiae antiqua«, einer viel rezipierten Kirchenrechtssammlung aus dem spätantiken Gallien, untersucht sie kirchenrechtliche Bestimmungen zu Klerikern aus über 1500 Jahren – die neueste von Meckel-Pfannkuche rezipierte Rechtsnorm ist ein päpstliches Motu Proprio aus dem Jahr 2015.
Trotz dieser breiten Anlage liegt der Schwerpunkt klar auf aktuellen Rechtsquellen: Fast zwei Drittel des Buches beschäftigen sich mit Rechtstexten aus den letzten einhundert Jahren. Diese einseitige Schwerpunktsetzung kann man, wie der Rezensent, bedauern – weil die Verfasserin in den Texten aber Antworten auf aktuelle Fragen sucht (sie nennt den Priestermangel und die notgedrungene Umstrukturierung römisch-katholischer Diözesen), wäre es ungerecht, ihr diese Gewichtung zum Vorwurf zu machen. Für die Frage nach den derzeitigen Voraussetzungen für Weiheämter oder nach den Möglichkeiten für Laien, sich an der Gemeindeleitung zu beteiligen, sind die Festlegungen des Zweiten Vatikanums oder des »Codex Iuris Canonici« (CIC) sicherlich maßgeblicher als Pseudo-Isidor oder die Lateransynoden. Unabhängig vom Interessenschwerpunkt der Verfasserin wäre von der Behandlung der mittelalterlichen Quellen allerdings mehr zu erwarten gewesen: Während sie bei den Ausführungen zu den neueren Rechtstexten zu plausiblen Ergebnissen kommt, begnügt sich Sabrina Meckel-Pfannkuche bei den mittelalterlichen Texten größtenteils mit dem Paraphrasieren der Quellen und der einschlägigen Forschung.
Dessen ungeachtet hat die Verfasserin gute Gründe, ihren rechtsgeschichtlichen Überblick mit den »Statuta Ecclesiae antiqua« zu beginnen (S. 23–71). Hier wird erstmals der Weihe- bzw. Einsetzungsritus aller kirchlichen Ämter überliefert, die bis zu den Reformen Pauls VI. in der lateinischen Kirche in Gebrauch waren. Die Verfasserin widmet sich darüber hinaus der Rezeption der »Statuta« in anderen Kirchenrechtssammlungen; besonders hilfreich ist der tabellarische Vergleich im Anhang, der textuelle Abweichungen zu anderen mittelalterlichen Sammlungen (bis zum »Dekret« des Ivo von Chartres) aufführt. Es sei angemerkt, dass die von ihr verwendete Ausgabe der »Statuta« nicht, wie die Autorin glaubt, die neueste ist; anstelle von Charles Munier, Les Statuta Ecclesiae antiqua, Paris 1960, S. 74–100, wäre dessen überarbeitete Edition heranzuziehen gewesen (Corpus Christianorum. Series Latina, 148, Turnhout 1963, S. 166–185).
In den beiden darauffolgenden Kapiteln wendet sich die Verfasserin der »Concordia discordantium canonum« und dem sogenannten »Liber Extra« zu (S. 73–121). Gerade an dieser Quelle, die 1234 von Gregor IX. promulgiert wurde, wird das Bemühen sichtbar, den Laien den Eintritt in den Klerus – und die Übernahme kirchlicher Pfründen – nicht allzu leicht zu machen. Wie die Autorin annimmt, dürften die im »Liber« gerügten Tricksereien, den cursus ordinum abzukürzen, während der Abfassungszeit gängige Praxis gewesen sein. Beim Konzil von Trient, das anschließend behandelt wird (S. 123–166), betont die Autorin, dass es nicht das Ziel der Synodalen war, eine einheitliche Ekklesiologie zu formulieren, zumal unter den Konzilsteilnehmern in zentralen Punkten keine Einigkeit herrschte. Es ging vielmehr um klare Abgrenzung vom Protestantismus. Die Dekrete zum Klerus sind demnach, zugespitzt formuliert, eher als anti-protestantischer Minimalkonsens zu sehen.
Sabrina Meckel-Pfannkuche gelingt es sodann (S. 167–212), überzeugend aufzuzeigen, dass auch im CIC von 1917 durchaus nicht alle Widersprüchlichkeiten hinsichtlich des Klerikerstandes ausgeräumt sind (das wird etwa anhand der Unterscheidung von potestas ordinis und potestas iurisdictionis illustriert). Bemerkenswert ist auch, dass der Zölibat (CIC/1917, can. 132) in den Kommentaren keineswegs nur mit praktischen Erwägungen – so kann sich der unverheiratete Kleriker etwa voll und ganz um seine Amtsaufgaben kümmern – begründet wird, sondern auch mit der für die Verwaltung der Sakramente erforderlichen kultischen Reinheit. Im CIC/1983 finden sich diese – für das Klerikerbild der Gregorianischen Reform so wichtigen – Vorstellungen hingegen nicht mehr (S. 375).
Auch sonst zeigt sich anhand der untersuchten Dokumente klar die Abkehr von traditionellen kirchlichen Vorstellungen seit dem Zweiten Vatikanum (S. 213–290). Stand der CIC/1917 noch ganz im Zeichen der Abgrenzung zwischen Klerikern und Laien, wird in den zentralen Verlautbarungen des Konzils – Sabrina Meckel-Pfannkuche analysiert unter anderem die dogmatische Konstitution »Lumen gentium« – vor allem das Gemeinsame aller Glieder des Populus Dei betont. Gleichwohl werden die klerikalen ordines nicht aus dem »gemeinsamen Priestertum« aller Gläubigen abgeleitet, der Weiheakt konstituiert stattdessen, wie die Autorin betont, keinen graduellen, sondern einen wesensmäßigen Unterschied zwischen Klerikern und Laien.
Im Anschluss geht die Verfasserin auf die Reformdekrete Pauls VI. ein, die mit der (Wieder-)Einführung des Ständigen Diakonats und der Aussetzung der niederen Weihen tiefgreifende Veränderungen mit sich brachten (S. 291–331). Sie sieht einen Widerspruch darin, dass Akolythat und Lektorat einerseits als Dienste verstanden werden, die aus dem gemeinsamen Priestertum abgeleitet sind und die daher auch von Laien ausgeübt werden dürfen. Andererseits bleiben diese Dienste aber – mit Verweis auf die kirchliche Tradition – ausschließlich Männern vorbehalten.
Die Würdigung der aktuellen Gesetzeslage laut CIC/1983 (S. 333–409) schließt mit einem interessanten Einblick in die liturgischen Sonderrechte, die traditionell gesinnten Kommunitäten durch die Instruktion »Universae Ecclesiae« (1988) gewährt worden sind. Die Verfasserin konstatiert zu Recht eine gewisse Spannung, wenn mit der Durchführung von Weihen nach dem Missale von 1962 einerseits am vorkonziliaren Klerikerbegriff festgehalten wird, während auf der rechtlichen Ebene andererseits der Status von 1983 – und nur dieser – gilt.
Das Buch bietet einen hilfreichen, teilweise auch anregend zu lesenden Überblick über die rechtsgeschichtliche Genese des Klerikerstandes in der lateinischen Kirche. Positiv hervorzuheben ist, dass es Sabrina Meckel-Pfannkuche gelingt, Widersprüchlichkeiten in den geltenden Rechtsnormen aufzuspüren und zu diskutieren. Gleichwohl bleibt ein Wermutstropfen: Aus den vormodernen Rechtsquellen wäre sicherlich mehr herauszuholen gewesen.
Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:
Till Stüber, Rezension von/compte rendu de: Sabrina Meckel-Pfannkuche, Die Rechtsstellung der Kleriker in der Rechtsordnung der lateinischen Kirche. Rechtsgeschichtliche Entwicklung, theologische Begründung und rechtliche Kontur, Paderborn, München, Wien, Zürich (Ferdinand Schöningh) 2018, 474–LIII S. Anhang (Kirchen- und Staatskirchenrecht, 24), ISBN 978-3-506-78627-2, EUR 99,00., in: Francia-Recensio 2020/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.3.75565