Die »Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris« (CHAP) wurde im Wesentlichen in den Jahren 2013–2017 von den beiden federführenden, einschlägig ausgewiesenen Herausgebern1 und zwölf weiteren Beiträgerinnen und Beiträgern kompiliert. Sie erfasst unter 733 mit den Siglen der Beiträger versehenen Nummern mehr oder minder eindeutig als historiografisch zu klassifizierende Werke von 300 bis 800, unter denen lateinische, griechische, syrische, armenische und persische überwiegen; deutlich seltener sind koptische (zum Beispiel S. 183, Nr. 180), arabische (S. 235, Nr. 232), hebräische oder georgische vertreten (S. 277, Nr. 269; vgl. auch die Übersicht S. 756). In gewisser Weise ist das Verzeichnis hybrid konzipiert:

Die gedruckte Version basiert auf einer im Internet frei zugänglichen Datenbank gleichen Namens (https://www.late-antique-historiography.ugent.be/database/[30.08.2020]), die auch mit Hilfe des Verlages implementiert wurde. Während sich die zuletzt 2018 aktualisierte Datenbank durch interne und (maßvolle) externe Verlinkung2 und einfache Suchparameter auszeichnet, wurde der vorliegende Band wohl auch aus verlegerischen Motiven mit einer Einleitung, einer Bibliografie (S. LXXXIII–CXV), Handschriftenlisten und umfangreichen Indices (S. 750–1076) angereichert.

Schwerpunkte der Einleitung sind Erläuterungen zur getroffenen Auswahl, Ausschlusskriterien (etwa Verzicht auf hagiografische Texte), Ausnahmen und ausführlicher zu den Textsorten (S. XVI–LXXVII)3, die bald allgemein, bald spezifischer gefasst werden. Trotz des weiten Spektrums der CHAP ist dieser Teil sehr stark auf die im engeren Sinne spätantike, griechische und lateinische Tradition konzentriert.

Von vielen hier erfassten Autoren weiß man nicht viel mehr als den Namen, und bei manchen Werken gewinnt man nur eine ungefähre Vorstellung von ihrem Zuschnitt; die Existenz wieder anderer ist nur erschlossen. Besonders unbekannt ist beispielsweise der Historiker Menas (S. 314, Nr. 306), dessen Opus zwar nicht erhalten ist, trotzdem als »fragmentary« ausgewiesen wird. Unter den 733 Nummern haben anonyme Werke einen erheblichen Anteil (Nr. 503–733, S. 514–745). Hier finden sich einige naturgemäß nur vage einzuordnende Fragmente in Papyri (Nr. 613–620), frühmittelalterliche Annalen (Nr. 508–513), zahlreiche Bischofs- und Herrscherlisten, Chroniken und ihre diversen Fortsetzungen: man gewinnt en passant Ehrfurcht vor den editorischen Leistungen eines Theodor Mommsen, dessen »Chronica minora« (MGH. Auct. ant. 9, 11, 13) vielfach zitiert werden müssen4.

Eingang fanden auch Werke wie Dares, Dictys, der Alexanderroman des Julius Valerius, Arators Versifikation der Apostelgeschichte (Nr. 41), die metrische Vergilvita des Phocas und ein ungeschriebenes Geschichtswerk des Sidonius Apollinaris (S. 437f., Nr. 429). Panegyriken wie die verlorenen eines Latinus Alcimus Alethius, die in vier Versen bei Ausonius nur angedeutet werden (S. 14f., Nr. 10f.), wurden bisweilen berücksichtigt, nicht jedoch der Anastasius-Panegyrikus des Priscian (Clavis patrum Latinorum 1553). Historische Dichtungen genügen an sich den Kriterien, das ein oder andere Stück Alkuins aus dem späten 8. Jahrhundert sucht man jedoch vergeblich. Chronologisch am äußeren Rand steht Eulogius von Cordoba als Zeuge einer Mohammed-Vita (S. 635, Nr. 622).

Dem Inventar liegt ein einheitliches Erschließungsschema zugrunde: Bei Autoren werden Name (zusätzlich in Originalsprache und transliteriert), Lebenszeit, Religionszugehörigkeit und sozialer Status angegeben, wobei letztere drei Punkte nicht selten unbestimmt bleiben müssen. Das jeweilige Werk wird mit Titel (gegebenenfalls historische oder originale Varianten in Originalsprache, transliteriert5 und übersetzt), Textsorte, Sprache, Erhaltungszustand (vollständig, fragmentarisch, indirekt bezeugt), Entstehungszeit und -ort, Umfang und Gliederung, behandeltem Zeitraum, Quellen und (antiken und frühmittelalterlichen) Nutzern umrissen.

Es folgen die wichtige, mehr oder minder ausführlich gefüllte Rubrik »remarks«, chronologisch sortierte Listen von Textzeugen und bibliografische Angaben, die bei Editionen und Übersetzungen relativ vollständiger, bei den Angaben zur Sekundärliteratur zwangsläufig selektiver sind. Nur in Ausnahmefällen reichen die Angaben über 2017 hinaus. Dafür wird mehr oder minder regelmäßig auf digitale Editionsvorhaben wie »Brill’s New Jacoby« und dynamische Repertorien wie die »Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters« (https://www.geschichtsquellen.de[30.08.2020], in der Datenbank auch verlinkt), aber auch auf die »Clavis patrum Latinorum«, die »Clavis patrum Graecorum« und die von Paolo Chiesa und Lucia Castaldi initiierte Reihe »La trasmissione dei testi latini del medioevo. Mediaeval Latin Texts and their Transmission« (Te.Tra., bis 2019 sechs Bände erschienen) verwiesen.

Bemerkenswert ist in jedem Fall der weite Zuschnitt und die in vielen Fällen hilfreiche Einschätzung von Quellen, die jenseits des vertrauteren Lateinischen und vielleicht noch des Griechischen für viele Mediävisten eine terra incognita sein dürften. Die »remarks« geben gerade hier konzise Auskunft über Zuschreibungen, Redaktionen und den auf unsicherem Terrain oft uneinheitlichen Forschungsstand.

Bei der Musterung des lateinischen Anteils, die der Rezensent hier nur leisten kann, fallen freilich auch einige Nachlässigkeiten auf, die den Wert der CHAP gerade für Mediävisten mindern. Sie begegnen häufig gerade in einem Zusatzbereich der Druckfassung, den Angaben zur handschriftlichen Überlieferung.

Bei Ampelius’ »Liber memorialis« (S. 21, Nr. 16) vermisst man Ingemar König (Hg., Übers.), Lucius Ampelius, Liber memorialis. Was ein junger Römer wissen soll, Darmstadt 22011 (Texte zur Forschung, 94). Der Monacensis des »Liber« trägt korrekt die Signatur Clm 10383 a (nicht Latinus 10383); der Hinweis »This is a copy of the lost original« bezieht sich vermutlich darauf, dass es sich um die Abschrift eines verlorenen Exemplars handelt, die Claude Salmasius († 1658) als Druckvorlage für seine Ausgabe von 1638 anfertigte.

Die berühmte computistische Sammelhandschrift der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek in Köln, die bei Beda (S. 72) und Isidor (S. 228) angeführt wird, ist Cod. 83 (II)6, während der hier genannte, jüngere Cod. 83 Texte zur Grammatik, Arithmetik und Metrik vereinigt.

Im Abschnitt zu (Pseudo-) Fredegar (S. 174–176, Nr. 173) fehlt dem Reginensis wie regelmäßig das notwendige »lat.« (vgl. auch das Handschriftenverzeichnis S. 1063–1065); man hätte einen Hinweis auf den Status der Metzer Handschrift erwartet: sie ist wie viele andere 1944 verbrannt.

In den Einträgen zu »Historia Romana«, »Liber de episcopis Mettensibus« und »Historia Langobardorum« des Paulus Diaconus (S. 358–362, Nr. 348–350) wird auf das Repertorium »Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters« unter der Jahreszahl 2012 verwiesen. Das Repertorium hält in der Tat die aktuelleren bibliografischen Angaben bereit, etwa die Ausgabe des »Liber« von Chiara Santarossa7. Das gilt auch für die Angaben zur handschriftlichen Überlieferung, wo das Repertorium teils ausführlicher berichtet und auf die Handschriftenlisten von Mirabile verweist (http://www.mirabileweb.it/ [30.08.2020]).

Die CHAP gibt in diesen und weiteren Fällen eine nicht näher bestimmte Auswahl (im Falle des »Liber« stimmt sie mit dem Repertorium überein), verzichtet auf Folio-Angaben und lässt die ein oder andere Ungenauigkeit zu: So wird Vat. lat. 1479 als Textzeuge aus dem 11. Jahrhundert für die »Historia Romana« genannt (S. 359), er enthält jedoch Grammatisches und glossierte antike und mittelalterliche Dichtungen (Ovid; Walter von Châtillon) und gehört in das 14. Jahrhundert; die Signaturen eines Mailänder und eines Brüsseler Textzeugen der »Historia Langobardorum« (S. 361) sind unvollständig.

Nur indirekt bezeugt ist ein Roterius aus dem visigotischen Spanien (S. 413f., Nr. 405), der in »Anonymous, Life of Benedict 7« erwähnt werde. Es handelt sich indes um eine Vita des Severus abbas Agathensis (BHL 7670), immerhin im Kapitel 7 des Drucks in Mabillons »Acta sanctorum ordinis s. Benedicti […] Saeculum primum« (1733, S. 548, nicht S. 563–568).

Rufins Übersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius soll in einem »Palatinus Gr(aecus)« (822) tradiert werden (S. 417, Nr. 409): gemeint ist natürlich der »Palatinus latinus 822« (DOI: 10.11588/diglit.4516 [30.08.2020]), den Bernhard Bischoff auf ca. 800 datierte.

Bei Secundus von Trient (S. 428f., Nr. 420) findet man als Testimonium folgende Angabe: »Scholion in Württembergische Bibliothek H.B. VI 113, f. 92r.« Man sollte eher von einem Exzerpt oder einer Notiz in der Handschrift Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB VI 113 sprechen (Ende 8. Jahrhundert, mit Canones-Sammlungen und einem Bußbuch; vgl. http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz343517760 [30.08.2020]) ‒ entsprechend wurde der Codex auch nicht im Index erfasst.

Zur »Chronik« des Sulpicius Severus (S. 436f., Nr. 428) wird mit Recht Pal. lat. 825 notiert, den Bischoff und Hoffmann auf das 10. Jahrhundert datieren: Erwähnung verdient hätten auch die älteren Fragmente im Staatsarchiv Luzern (9. Jahrhundert), die der zitierte Hartmut Hoffmann bekannt gemacht hat.

Ob Theophilus von Alexandria, welches Werk und auf welchem Wege im Pentateuch-Kommentar aus der Schule Theodors und Hadrians in Canterbury benutzt wurde, beantworten die Editoren Bischoff und Lapidge deutlich vorsichtiger, als es im Eintrag 465 (»Theophilus the chronicler of Alexandria«, S. 474f.) erscheint.

Der Schreiber Winithar des Cod. Sang. 907 (S. 504, Nr. 495) wird auch als Kompilator der chronologischen Notizen pag. 19f. angesprochen: diese reichen freilich nicht bis in »author’s time«, jüngstes Ereignis ist vielmehr der Einfall der Langobarden in Italien tempore Iustiniano [sic] imperatoris.

Bei den Lorscher Annalen (S. 520f., Nr. 510) ist der Hinweis auf das Repertorium unterblieben (und damit auf einen Beitrag von Rudolf Pokorny zur Überlieferung und zur Bewertung der hier gar nicht erwähnten »Annales Mosellani«8) und nur ein knapper (älterer) Aufsatz von Rosamond McKitterick als Sekundärliteratur angegeben.

In der ohnehin knappen Bibliografie zum älteren »Liber pontificalis« (S. 531–533, Nr. 520) gehen Angaben zu Übersetzungen und Sekundärliteratur durcheinander: Davis' in drei Teilen erschienene englische Übersetzung der Viten bis 891 wird unter dem (falschen) gemeinsamen Obertitel »The lives of the eighth-century popes« mal da, mal dort verbucht. Das Repertorium ist ein weiteres Mal deutlich aktueller und präziser.

Der »abrégé cononien« (Duchesne) des »Liber pontificalis« ist natürlich in Paris, Bibl. nat. de France, ms. Latin 2123 (ark:/12148/btv1b8528771t [30.08.2020]) erhalten, nicht im »Graecus 2123« (S. 568, Nr. 553).

Ein umfangreicher Anhang von Indices (S. 750–1008) bietet Autoren und Werke in verschiedenen Sortierungen, generiert aus den Rubriken der Einträge: nach Namen (hier: eine Synopse transliterierter und etablierter Namensformen), Sprachen (ihrer Werke), Jahrhundert (recht grob, vereinzelt bis in das 15. Jahrhundert ausgreifend), Religionszugehörigkeit, sozialem Status. Das Register der genannten Handschriften (S. 1009–1076), das einen in Bern mit der »Bürgerbibliothek«, in Nürnberg mit der »Staatsbibliothek« (S. 626, 1043), in der Londoner British Library mit dem Bestand »Arund« (S. 539,1030) und in Wolfenbüttel mit dem Fonds »Wissenbergensis« (S. 1073, statt »Weissenburgenses«) überrascht, unter Cambrai auch noch die Phillipps-Codices der University Library in Cambridge verbucht (S. 1016) und irrtümlich eine »Public Library« von der »University Library« daselbst unterscheidet (S. 188, Nr. 184, S. 1017), ist üppig dimensioniert.

Die CHAP hat zweifellos ihre Meriten. Sie liegen in der Zusammenstellung und knappen Bewertung von Basisdaten für ein vielsprachiges, sehr heterogenes Quellenmaterial. Das altertumskundliche Ausgreifen auf das lateinische Frühmittelalter und überlieferungsgeschichtliche Grundlagen ist dagegen nur mäßig gelungen. Man gewinnt den Eindruck, als seien mitunter rohe Forschungsdaten publiziert worden, die für andere Zwecke kompiliert wurden.

1 Parallel erschienen ist etwa Lieve Van Hoof, Peter Van Nuffelen (Hg., Übers.), The Fragmentary Latin Histories of Late Antiquity (A. D. 300–620). Edition, Translation and Commentary, Cambridge u. a. 2020, zugleich der jüngste in CHAP zitierte Titel. Beide bereiten eine ähnliche Sammlung der fragmentarischen griechischen Chroniken nach Eusebius vor ‒ die entsprechenden Einträge sind häufiger die umfangreicheren, vgl. etwa S. 36f., Nr. 30 zur Chronik eines Annianus ‒ und sind dabei, eine Iordanes-Übersetzung zu publizieren.
2 Die punktuell geprüften Links zur derzeit verfügbaren Version der dMGH (dMGH Beta, https://www.dmgh.de/[30.08.2020]) funktionieren daher wohl allesamt nicht mehr.
3 Mit Bezug u. a. auf Richard W. Burgess, Michael Kulikowski, Mosaics of Time. The Latin Chronicle Traditions from the First Century B. C. to the Sixth Century A. D., vol. 1: A Historical Introduction to the Chronicle Genre from Its Origins to the High Middle Ages, Turnhout 2013 (Studies in the Early Middle Ages, 33).
4 An ihre Seite tritt die seit 2016 unter der Ägide von Bruno Bleckmann und Markus Stein in rascher Folge erscheinende Reihe »Kleine und Fragmentarische Historiker der Spätantike« (KFHist).
5 Gewöhnungsbedürftig ist die hier gewählte, in der Datenbank dokumentierte Transliterierung des vokalischen »υ« mit »u«: So wird etwa ὑπομνήματα zu »hupomnēmata« (S. 3) und συνοδίας zu »sunodias« (S. 9).
6 Unter Victorius Aquitanus (S. 503, Nr. 494) findet sich zusätzlich noch die falsche Datierung »ca. 980«.
7 Chiara Santarossa (ed.), Paolo Diacono, Liber de episcopis Mettensibus, Florenz 2015 (Edizione Nazionale dei Testi Mediolatini d’Italia, 38).
8 Rudolf Pokorny, Die Annales Laureshamenses in einer neu aufgefundenen Teilüberlieferung, in: Deutsches Archiv 69 (2013), S. 1–43.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Peter Orth, Rezension von/compte rendu de: Peter Van Nuffelen, Lieve Van Hoof (ed.), Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris. An Inventory of Late Antique Historiography (A. D. 300–800), Turnhout (Brepols) 2020, CXVI–1079 p. (Corpus Christianorum. Claves – Subsidia, 5), ISBN 978-2-503-55295-8, EUR 295,00., in: Francia-Recensio 2020/3, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.3.75575