Neben Clairvaux und Longuay gehörte Auberive (Albaripa, Diöz. Langres) zu den Zisterzienserabteien, die auf dem waldreichen Plateau von Langres zwischen Burgund und Champagne lagen. Dessen Einsamkeit bot den Mönchen des jungen Ordens die ideale Umgebung. 1135 vom hl. Bernhard gegründet, wurde Auberive zwar in der Revolution aufgelöst, doch blieb das Archiv weitgehend verschont und wird heute in den Archives départementales de la Haute-Marne in Chamarandes-Choignes (bei Chaumont) aufbewahrt. Auf zehn Regalmetern umfasst es Hunderte mittelalterlicher Dokumente, darunter drei Chartulare und drei Inventare. Ein Teil von ihnen wurde digitalisiert und ist im Open Access zugänglich1. Für das 12. Jahrhundert sind insgesamt 252 Urkunden überliefert, davon immerhin drei Viertel im Original. Zum Vergleich: Für Vaucelles sind 173 Stücke auf uns gekommen, für Morimond 273 und für Clairvaux 434. Damit verfügt die Forschung für Auberive über einen der reichsten Fonds französischer Zisterzienserklöster. Er wird mit dieser Edition für die Jahre 1125 bis 1200 vorbildlich erschlossen2.

Betrachtet man die zeitliche Verteilung der Urkunden, so zeigt sich, dass nur 24 Stücke aus den Jahrzehnten vor 1160 stammen. Dieser Befund gilt auch für andere Zisterzienserabteien und erklärt sich aus einer gewollten Abschirmung gegenüber der Außenwelt. Erst ab 1180 lässt sich für Auberive eine deutliche Öffnung feststellen.

Unter den Ausstellern der Urkunden ragen die Bischöfe von Langres hervor, von denen zwei, Godefroid de la Roche-Vanneau (1138/39–1162) und Garnier de Rochefort (1193–1198), selbst dem Zisterzienserorden angehörten. Garnier war sogar Abt von Auberive gewesen (1175–1180). Eigens hingewiesen sei auf 53 Pancarten, die von den Bischöfen ausgestellt wurden. Demgegenüber ist nur eine Urkunde des zuständigen Metropoliten, des Erzbischofs von Lyon, überliefert (Nr. 212). Wenn Laien als Aussteller kaum eine Rolle spielten, so belegt dies den geringen Einfluss des weltlichen Adels auf die Abtei. 1190 urkundet erstmals ein Herzog von Burgund, Hugo III. (Nr. 146). Anlass war sein Aufbruch ins Heilige Land. Dies gilt auch für Graf Philipp I. von Flandern, der sich ein Jahr später, ebenfalls auf dem Weg nach Jerusalem, in Auberive aufhielt und bei dieser Gelegenheit eine Urkunde ausstellte (Nr. 148).

Zahlreich sind hingegen die Papsturkunden, die für Auberive bis zum Ausgang des Mittelalters auf uns gekommen sind. Benoît Chauvin behandelte sie jüngst in einem eigenen Beitrag für die »Francia«3. Im 12. Jahrhundert erhielten die Mönche neun Papsturkunden, darunter vier große Privilegien, von Innocenz II. (JL 7882: Nr. 6, Abb. S. 152), Alexander III. (JL 10 785: Nr. 29), Lucius III. (JL 14 840, Böhmer, Regesta Imperii IV/4/4/1 Nr. 488: Nr. 93; JL –, Böhmer Nr. 511: Nr. 94), Urban III. (JL 15 572, Böhmer, Regesta Imperii IV/4/4/3 Nr. 98: Nr. 113, Abb. S. 177; JL –, Böhmer Nr. 666: Nr. 113bis) und Innocenz III. (Potthast –: Nr. 201, 213, 214, Abb. S. 153).

Erwähnt seien zudem zwölf im Original erhaltene Chirographe.

Dem Editionsteil vorausgeschickt ist eine ausführliche Einleitung (S. 13–210). Sie gewährt zunächst einen detaillierten Überblick über den heutigen Archivbestand und übernimmt somit die Funktion eines modernen Inventars. Neben den zahlreichen Originalen gibt es drei Chartulare, die 1234/35, 1278/79 und 1745 angelegt wurden. Von ihnen umfassen die beiden mittelalterlichen Manuskripte ca. 1350 vollständige Abschriften und stellen damit, neben den Originalen, die wichtigste Grundlage der Edition dar. Hinzu kommen drei Inventare von 1528/29, 1745 und 1781/82. Letzteres wurde angefertigt, um die jeweiligen Rechte der Mönche und des Kommendatarabts zu klären, und spiegelt die Struktur des Archivs wenige Jahre vor der Aufhebung des Klosters. Der heutige Aufbau des Fonds entspricht noch weitgehend dem des 18. Jahrhunderts. Jedes Chartular, jedes Inventar wird eingehend beschrieben und analysiert. In langen Tabellen wird von Benoît Chauvin für die einzelnen Dokumente auf die Edition verwiesen. Abbildungen gewähren einen ersten Eindruck von Schrift und Layout.

Ausführliche Namen- und Sachregister erschließen das Werk, das Studien nicht nur zur Abtei Auberive, sondern auch zu den Zisterziensern im 12. Jahrhundert als sichere Quellenbasis dienen wird.

1 http://archives.haute-marne.fr/viewer/series/FRAD052_1H001 (22.11.2020). Vgl. dazu die Erläuterungen bei Chauvin S. 16.
2 Die Edition erschien im Selbstverlag. Man kann sie online bestellen: https://www.benoit-chauvin-citeaux.com/recueil-des-chartes-et-documents-de-labbaye-cistercienne-dauberive-au-xiie-siecle/ (22.11.2020).
3 Benoît Chauvin, Documents pontificaux du chartrier d’Auberive. Présentation et regeste (1138–1405), in: Francia 47 (2020), S. 373–400.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Rolf Große, Rezension von/compte rendu de: Benoît Chauvin (éd.), Recueil des chartes et documents de l’abbaye cistercienne d’Auberive au XIIe siècle, vol. 1: Introduction, (1125–1179); vol. 2: (1180–1200), index, Devecey (L’Hermitage) 2020, 613 p., nombr. tabl. et ill., ISBN 978-2-904690-160, EUR 85,00., in: Francia-Recensio 2020/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.4.77178