Kristina Rzehak legt mit ihrer Dissertation einen spannenden Vergleich zweier unterschiedlicher Kulturräume vor, der eindrücklich zeigt, wie ähnlich sich zwei Herrscher in ihren literarischen Werken selbst darstellen. Durch ihre Analysen gelingt es ihr, Wunschvorstellungen, Ansprüche und Herrschaftsideale Maximilians I. (1459–1519) sowie Baburs (1483–1530) herauszuarbeiten, und stellt beachtliche Parallelen in ihren jeweiligen Selbstzeugnissen fest. Der Habsburger und der Timuride waren zwar Zeitgenossen, kannten sich jedoch augenscheinlich nicht.

Die politische Ausgangssituation war trotz räumlicher Entfernung ähnlich. Obwohl die Ausarbeitung des entsprechenden Kapitels aus historischer Perspektive etwas stärker in die Tiefe gehen könnte, erklärt die Autorin in der Folge dennoch schlüssig, weshalb beide Protagonisten durch ihre Selbstzeugnisse auf eine Stärkung ihres kulturellen Kapitals nach Pierre Bourdieu (sie kombiniert die Kapitalsorten des Soziologen mit dem Charismabegriff Max Webers) bauten. Babur und Maximilian I. versuchten fehlende politische Macht auszugleichen, deren Ursache jeweils zum Teil im mangelnden ökonomischen Kapital zu suchen ist. Etwas kurz greift meines Erachtens die Einordnung der untersuchten Werke des »Theuerdanks«, »Weißkunigs« und »Freydals«, welche sinnvoll als maximilianischer Großtext zusammengefasst werden, auf der einen sowie des Baburnama auf der anderen Seite in die theoretische Selbstzeugnisforschung.

Kernstück der Arbeit ist die minutiöse Gegenüberstellung der beiden Texte in den Kategorien »Dynastie«, »Religion«, »Kriegsführung« und »höfische Repräsentation« sowie abschließend »Kunst und Wissenschaft«. Die gewählte Methode, sich in jedem Themenbereich zunächst mit den Werken Maximilians, dann mit dem Baburs auseinanderzusetzen, um schließlich beide zusammenzubringen, erlaubt den detailreichen Vergleich, dessen Lesefluss zwar manchmal durch wiederkehrende Wiederholungen auch innerhalb desselben Unterkapitels beeinträchtigt ist, aber keineswegs die Ergebnisse schmälert.

Im Kapitel zur Dynastie wird deutlich, dass sowohl Maximilian als auch Babur Kritik an einzelnen Familienmitgliedern (Vater bzw. Sohn) übten und Frauen, obwohl sie unterschiedliche Rollen in der jeweiligen Gesellschaft einnahmen, Ausgangspunkte für neue Lebenssituationen darstellten. Beide wollten sich selbst, wie die Autorin in der Vergleichskategorie »Religion« mehrfach unterstreicht, als fromme Machthaber präsentieren, die sich auf dem Heilsweg befänden, unabhängig davon, ob es sich um die christliche Wegelehre oder den islamischen Sufipfad handelte. Ein Heiliger Krieg war jeweils das erklärte Ziel, einer setzte es nicht in die Tat um, der andere gezwungenermaßen. Die Beschreibung Andersgläubiger sollte in jedem Fall – durch die damit forcierte Abgrenzung – die eigene Gemeinschaft stärken.

Die Autorin fasst im dritten Punkt das Kriegswesen sowie die höfische Repräsentation zusammen, die in jedem Fall zu essenziellen Erfordernissen für den Ausdruck der eigenen Macht zählten. Sie stellt in diesem Zusammenhang fest, inwieweit vor allem der Krieg in den jeweiligen Selbstzeugnissen eine wesentliche Rolle spielte und das Bild des Kriegsherrn im Vergleich zu anderen politischen Mitteln gar überrepräsentiert erscheint. Auf unterschiedliche Weise wurde lediglich die Niederlage beschrieben. Während Maximilian eine solche nicht anerkannte und vielmehr Rache schwor, schilderte Babur Leid und Niedergeschlagenheit nach einem Scheitern. Sein letztendlicher Erfolg sowie die Etablierung seiner Machtstellung nach dem sogenannten Qazaqliq, einem fast schon geforderten, entbehrungsreichen Weg bis zur Erlangung der eigentlichen Herrschaft, erlaubten ihm diesen Standpunkt.

Bezüglich Wissenschaft und Kunst, um zur letzten Vergleichskategorie zu kommen, können beide Alter Egos als Förderer bezeichnet werden, doch agierte der Protagonist Maximilian mehr auf derselben Stufe mit seinen Gelehrten. Mit ihren Werken versuchten der Habsburger ebenso wie der Timuride, sich an unterschiedliche Adressatenkreise zu wenden. Für das gebildete Publikum verschlüsselten sie einige Handlungsstränge und Personen, für breitere Schichten boten sie gleichzeitig Rezeptionserleichterungen an (Neuhochdeutsch statt Latein, Bilder, Überschriften bzw. Tschagataisch statt Persisch und Einsatz von Prosa).

Die aus den Analysen gezogenen Schlussfolgerungen der umfassenden Monografie werden in eigenen Abschnitten noch einmal klar strukturiert und stringent zusammengefasst, worin auch die Ergebnisse der einzelnen Analysekapitel neu gruppiert werden. Sowohl Maximilian als auch Babur nutzten demnach die Literatur, um Macht zu generieren sowie Kontingenzen zu bewältigen, indem etwa Zufälle erklärt wurden und man in bestimmter Form auf Schwierigkeiten und Scheitern reagierte, wenn auch nicht immer auf dieselbe Art und Weise.

Eine weitere Gemeinsamkeit liegt in der Nutzung des Ambiguitätspotenzials der Literatur, die es erlaubt, Gegensätzliches zusammenzubringen. Das gilt nicht nur in den Spannungsfeldern Innovation und Tradition oder Fakten und Fiktionen, sondern auch im Ambiguitätsmanagement in Bezug auf die Rezeption der Selbstzeugnisse. Beide Herrscher hatten jeweils mehrere Zielgruppen, für die gleichzeitig unterschiedliche Ideale angeboten werden mussten, sei es Demut in Kombination mit Armut im Gegensatz zur ebenfalls geforderten prunkvollen Herrscherrepräsentation. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal sieht die Autorin darin, dass Maximilian durch seine Texte versucht, eine Vereindeutigung der Herrschaftsbeziehungen, wie sie es nennt, zu erreichen, während Babur als Ambiguitätsmanager gegenüber seinen Gefolgsleuten auftritt. Letzterer präsentiert sich als Teil im Netzwerk seiner Gefolgsleute und macht diesen Geschenke. Der Habsburger hingegen stellt einen absoluten Herrschaftsanspruch, ohne dafür auf Gegenleistungen zurückgreifen zu müssen.

Die Autorin wünscht sich aufgrund der zahlreichen entdeckten Ähnlichkeiten zwischen der christlichen und islamischen Welt in der Zeit um 1500 bzw., nach islamischer Zeitrechnung, 900 resümierend, diese auch in anderen Forschungsfeldern und Bereichen zu suchen und nicht a priori von einer Unterschiedlichkeit auszugehen. Vorzeichen für eine Auseinanderentwicklung dieser zwei Kulturräume zeigen sich aber bereits in dieser Epoche, deren Ansätze sich auch in den Selbstzeugnissen Maximilians und Baburs wiederfinden.

Die besprochene Monografie signalisiert in sehr bemerkenswerter Art und Weise, welche weitreichenden Möglichkeiten der Vergleich als Methode in der Erkenntnis zu historischen Themen bietet und wie ähnlich sich zwei Herrscher, die vermutlich nichts vom jeweils anderen wussten, in ihren Selbstzeugnissen beschrieben. Eine umfassende Verständlichkeit dieser außerordentlichen Gegenüberstellung wird aber nur erreicht, wenn die Leserinnen und Leser neben der maximilianeischen auch mit der im deutschen Sprachraum weniger bekannten timuridischen (Literatur-)Geschichte vertraut sind.

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Nadja Krajicek, Rezension von/compte rendu de: Kristina Rzehak, Macht und Literatur bei Timuriden und Habsburgern. Politischer Übergang und kulturelle Blüte in den Selbstzeugnissen Baburs und Maximilians I., Baden-Baden (Ergon) 2019, 378 S. (Religion und Politik, 19), ISBN 978-3-95650-499-0, EUR 58,00., in: Francia-Recensio 2020/4, Mittelalter – Moyen Âge (500–1500), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.4.77216