Die als Dissertation an der Humboldt-Universität Berlin entstandene Studie wurde 2016 mit dem Forschungspreis Auswärtige Kulturpolitik des Instituts für Auslandsbeziehungen (IFA) ausgezeichnet. In drei Teilen befasst sie sich mit Fragen der Schwerpunktsetzung in der Auswärtigen Kulturpolitik (AKP) in Hinsicht auf das Spannungsverhältnis zwischen Konfliktprävention und nationaler Selbstdarstellung. Da die AKP noch in nationalen Verortungen verharre, so eine zentrale These der Studie, verpasse sie die Gelegenheit, auf Augenhöhe wirklich präventiv zu wirken und neue »Wissens- und Handlungsräume entstehen zu lassen, in denen Konflikte, Brüche und Ungleichheiten einer geteilten Welt als integrative Probleme wahrgenommen werden« (S. 29).

Dass die »Vermittlung von Deutschlandbildern« weiterhin überwiegt und damit letztendlich Differenz betont, weist der Autor durch eine Analyse zahlreicher Reden, Texten, Verlautbarungen nach, die durch seine umfängliche Feldforschung ergänzt wird. Teil 1 rahmt theoretisch (die umfangreiche Bibliografie rekurriert auf eine Vielzahl von Standardwerken der Philosophie, Ethnografie und Soziologie); Teil 2 forscht nach Übersetzungsketten von Begrifflichkeiten in Papieren offizieller Stellen (z. B. Auswärtiges Amt) und analysiert Begründungsfiguren der AKP; Teil 3 begibt sich in lokale Kontexte, da der Autor in verschiedenen Goethe-Instituten (Ramallah, Sarajevo) bei deren konkreter Arbeit Forschungen angestellt hat, und spiegelt die theoretischen Einlassungen überzeugend mit der Praxis vor Ort.

Ließ sich lange Zeit ein verhältnismäßig geringes Forschungsinteresse für internationale und auswärtige Kulturpolitik konstatieren, da sich die Politikwissenschaft zumeist mit den high politics und selten mit den low politics beschäftigt, welche die Mittel der Soft Power, also »weiche« Faktoren wie Kunst oder Bildung, einsetzen, ist in den letzten Jahren die Anzahl der Studien in diesem Bereich erfreulich gestiegen. Hinsichtlich dieser Arbeiten besteht allerdings oft das grundsätzliche Problem, dass die mangelnde Einsicht in die Praxis durch eine theoretische Hyperstasierung ausgeglichen wird.

Jens Adam umgeht diese Schwierigkeit (weitgehend), indem er die konzeptionellen Texte der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in erster Linie als Diskurse und Aufforderungen versteht und auslegt, deren konkreter Realitätsgehalt letztlich von der jeweiligen, oft sehr unterschiedlichen Bedingungen unterworfenen Kulturarbeit vor Ort abhängt. In diesem Sinne sind die Konzepte der Auswärtigen Kulturpolitik stets Teil eines unabweisbaren Spannungsverhältnisses: Jede noch so ausgeklügelte thematische Ausrichtung stößt und reibt sich notwendigerweise an mehreren ineinander greifenden Faktoren, die sie abschwächen und modifizieren, ja konterkarieren können. Dazu gehören zunächst das Beharrungsvermögen etablierter nationaler Kulturtechniken und die Verfasstheit bzw. die politisch-gesellschaftlichen Ansprüche des kulturell-gesellschaftlichen Kontextes, in dem zudem unterschiedlich geprägte Individuen interagieren, sowie das mangelnde Durchsetzungsvermögen der zentralen Instanzen wie das Auswärtige Amt oder die Zentrale des Goethe-Instituts aufgrund der räumlich-kulturellen Entfernung.

Die sehr kohärenten, teils anspruchsvollen theoretischen Ausführungen werden durch praxisbezogene Betrachtungen ergänzt, deren Grundlagen »Feldtagebücher« im Anhang der Studie über Aufenthalte an Goethe-Instituten in Rammallah (2008) und Sarajevo (2009, 2012) bilden, hinzu kommen zahlreiche Interviews mit kulturellen Akteuren. Nicht gut gewählt scheint mir der Titel der Arbeit: Zu bedauern ist einerseits, dass der Untertitel einzig auf die Praxis Auswärtiger Kulturpolitik bzw. Konfliktprävention verengt ist. Wie schon in der interessanten Studie von Sigrid Weigel1 geht es eigentlich im Kern darum, welches kulturelle Selbstverständnis Deutschland in einer post-nationalen, post-kolonialen Perspektive und globalisierten Welt entwickeln könnte und welche Mittel, Akteure und Zwecke zur Darstellung und internationalen kulturellen Kooperation eingesetzt werden. Diese Frage stellt sich gleichermaßen hinsichtlich außen und innen, denn es kann nicht ohne essentielle Widersprüche nach außen getragen werden, was im Innern nicht wirklich gelebt und getätigt wird.

Und umgekehrt, so die Forderung Sigrid Weigels, müssten für so einen Dialog viel mehr ausländische kulturelle Erzeugnisse und Positionen nach Deutschland zurückgespielt werden. Dass die AKP als mögliche Konfliktprävention dabei seit der Jahrtausendwende zunehmend in den Fokus gerückt ist, ist mit dem Hinweis auf die Vielzahl der terroristischen Anschläge und kriegerischen Konflikte zu erklären, deren Folgen und Ursachen nicht nur mit politisch-militärischen Mitteln bekämpft werden können. Ob Versuche der Kulturmittler in diese Richtung tätig zu werden, tatsächlich fruchten, wird man allerdings – wenn überhaupt – erst in der Rückschau, in einigen Jahrzehnten beurteilen können und glücklicherweise unternimmt Adam erst gar nicht den Versuch hier zu werten. Stattdessen fokussiert er auf offensichtliche oder scheinbare Widersprüche bzw. Konkurrenzen zwischen Schlüsselbegriffen der AKP wie »Deutschlandbilder vermitteln« und »Dialog«.

Die AKP entstand in Folge der Nationenbildung und war ursächlich identitär mit ihr verbunden. Wie kann es nun gelingen diese genuin nationale Verortung mit den »Potenzialen der Kosmopolitisierung« (S. 283) in Einklang zu bringen? Leidenschaftlich plädiert Adam dafür, (nationale) Institutionen so zu gestalten, dass sie die Welt als eine geteilte begreifen – jenseits der Nation und des nationalen Zugehörigkeitsgefühls, das es uns erlaube, die Ungleichheiten und Brüche dieser Welt leichter und klaglos hinzunehmen und uns nicht solidarisch zu fühlen. Leider erschließt sich der Leserin bzw. dem Leser im Titel der Studie diese Bedeutung der in Rückgriff auf Achille Mbembe2 geteilten Welt, nämlich als »Zugehörigkeit zu ein und derselben Welt«, erst einmal nicht, und man muss sich bis ans Ende der Einleitung begeben, um diese Auslegung in Ergänzung zur gängigen (im Sinne von: aufgeteilt, getrennt) zu verstehen.

Nun ist der von Adam eingeforderte Prozess der internen Veränderung bereits seit beträchtlicher Zeit im Gange – und nicht nur im Hinblick auf die Konfliktprävention. Seit den 1970er-Jahren entwickelt sich das Goethe-Institut immer mehr zu einer Organisation, in der zivilgesellschaftlichem Engagement im kulturellen Kontext eine zentrale Bedeutung zukommt. Damit treten national-spezifische kulturelle (Eigen-)Repräsentationen zunehmend in den Hintergrund, bleiben aber in vermittelter Form präsent: da zum Beispiel, wo es um die Positionierung und Vernetzung zur deutschen Kunstszene gehörender Künstlerinnen und Künstler im internationalen Wettbewerb geht. Jens Adams Studie fordert allerdings noch mehr Engagement in Sachen Demokratisierung und Dekolonisierung der Gedanken ein und sieht in diesem Zusammenhang auch im Goethe-Institut selbst Nachholbedarf.

Seine Kritik am hierarchisch strukturierten Mischsystem von Entsendung von Leitungskräften aus Deutschland und lokalen Angestellten ist zwar sehr interessant und durchaus anregend, überzeugt aber nicht gänzlich, da nicht alle Aspekte Berücksichtigung finden. Das betrifft unter anderem, was die Entsandten betrifft, deren Vorteil der »neutralen« Haltung, des unverstellten Blicks des Außenstehenden im Zusammenhang mit der Konfliktprävention sowie die Frage nach der Notwendigkeit kultureller Wissensaktualisierung3. Ebenso hätte man die Untersuchung einiger kultureller Formate erwartet, die zur Konfliktprävention eingesetzt werden bzw. eine Auseinandersetzung darüber, was Kultur im künstlerisch-ästhetischen Sinne denn dafür bedeuten könnte. Sehr positiv zu vermerken ist dagegen die Weitsicht der insgesamt vorzüglichen Studie, da einige der aufgezeigten Probleme – wie beispielsweise die Frage, ob Leiterinnen und Leiter deutscher Kulturinstitute auch einen deutschen Pass haben müssen – inzwischen intensiv diskutiert werden, wobei der allgemeine Trend Adams Vorschlägen Gewicht verleihen.

1 Sigrid Weigel, Transnationale Auswärtige Kulturpolitik – Jenseits der Nationalkulturen. Voraussetzung und Perspektive der Verschränkung von Innen und Außen, Stuttgart 2019 (ifa-Edition Kultur und Außenpolitik).
2 Achille Mbembe, Kritik der schwarzen Vernunft, Frankfurt a. M. 2004, S. 11 (zitiert nach Adam).

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Joachim Umlauf, Rezension von/compte rendu de: Jens Adam, Ordnungen des Nationalen und die geteilte Welt. Zur Praxis Auswärtiger Kulturpolitik als Konfliktprävention, Bielefeld (transcript) 2018, 303 S. (Edition Politik, 60), ISBN 978-3-8376-4262-9, EUR 34,99., in: Francia-Recensio 2020/4, 19.–21. Jahrhundert – Histoire contemporaine, DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.4.77255