Es ist kein Zufall, dass die globalen Veränderungen, die durch die »Entdeckung« Amerikas einsetzten, einen wesentlichen Teil der Definition der »Neuzeit« ausmachen. Dabei wird vor allem in der Frage der Periodisierung des Übergangs vom Mittelalter in die Neuzeit, das Hauptgewicht meist auf die Person von Christophorus Columbus und seine Reise im Jahr 1492, bei der er – ohne es zu erkennen – einen neuen Kontinent entdeckte, gelegt. Weitaus langfristiger wirksam war allerdings die »Eroberung« des Doppelkontinents, beginnend in Mexico mit der Tätigkeit von Hernán Cortés und seiner Konquistadoren, die in letzter Instanz zu einem Kolonialreich Spaniens führte, das sprachlich, kulturell und religiös deutliche Spuren in Lateinamerika hinterließ. Dieser Prozess des Vordringens in diesem neuen Land und seine Begleitumstände, sind der Inhalt des vorliegenden Buches, das eine überarbeitete Form der Dissertation des Autors an der Ludwig-Maximilians-Universität in München darstellt.

Die Etablierung der spanischen Herrschaft wurde oft in der herkömmlichen Literatur vereinfachend als »Leistung« der Abenteurer und Glücksritter auf der Suche nach Reichtum dargestellt, was zwar seine Berechtigung haben mag, aber zu kurz greift. Auch die beiden theoretisch weiterreichenden Ansätze, nämlich zum einen die Erklärung der Conquista aus dem Geist des Feudalismus und zum anderen die Erklärung durch den Beginn einer frühkapitalistischen Struktur, können das Phänomen nicht zufriedenstellend erklären.

Der Neuansatz von Vitus Huber stellt einen anderen Gesichtspunkt ins Zentrum der Argumentation: Die Grundlage der Conquista bildete die Beuteverteilung, die einer politischen Ökonomie folgte, die eine »spezifische Verflechtung politischer und ökonomischer Anreize und Belohnungsschemata« für die Konquistadoren aber auch die kollaborierenden indigenen Eliten darstellte.

In allen Details – basierend auf der bisherigen Literatur und der Quellenarbeit in 19 Archiven in Mexiko, Spanien und den USA – verfolgt der Autor diese These gekonnt in allgemeinen Erörterungen wie auch in vielen Fallstudien.

Besonders beeindruckend ist nicht nur die klare Herausarbeitung der Kontinuität zwischen der Reconquista im mittelalterlichen Spanien gegen die muslimischen Staaten im Süden, und der Conquista in Amerika, sondern auch die Zusammenhänge zwischen dem Beuteverhalten in beiden Fällen. Grundlegend wurde der Gedanke des gerechten Krieges (bellum iustum) eng mit religiösen Vorstellungen der Mission verbunden. Der Grundsatz, dass der Herrscher nicht selbst die militärischen Unternehmungen finanziert und leitet, sondern nach dem Prinzip »in unserem Namen auf Eure Kosten« vorgeht, verstärkte den hohen Stellenwert der Beute und ihrer Verteilung. Das Verhältnis zwischen dem König und den Konquistadoren wurde in Verträgen geregelt, geradezu als Prototyp solcher Verträge (capitulationes) kann der Kontrakt vom 17. April 1492 zwischen Columbus und den katholischen Königen gelten. Die Krone legitimierte zwar nur, beanspruchte aber ein Fünftel (Quinto Real) der Beute. Auch in der capitulación von Cortés wird bestimmt, dass er und der König je 20 Prozent der Beute bekommen. Die Kosten der Feldzüge lagen bei den Expeditionsteilnehmern, was auch ihren Anspruch auf Beuteanteile rechtfertigte.

Huber analysiert sorgfältig das Verfahren der Beuteteilung und seine spezifische Ausprägung. Diese Beute bestand nicht nur, wie man oft vereinfachend liest, in Gold und Silber, sondern vor allem aus Ländereien und Arbeitskräften, mobilen Gütern, Tieren und Nahrungsmitteln. Das alles führte im Rahmen einer Ausbeutung der indigenen Bevölkerung zu einer Neufeudalisierung durch Besitzübertragung von Indios im Zuge der Zuteilung (repartimiento) und Anvertrauung (encomienda). Daneben kam es auch zu einer Versklavung eines Teils der indigenen Bevölkerung, vor allem Kriegsgefangene und »Menschenfresser« – ein Begriff, der in der ethnologischen Literatur allerdings sehr umstritten ist – wurden zu Sklaven gemacht.

Ein wesentlicher Punkt des Diskurses ist natürlich die Verteilungsgerechtigkeit, die nicht immer nur auf Verdiensten und Leistungen, deren Bewertung gestaffelt wurde, beruhten, sondern auch auf sozialen Netzwerken. Auch Cortés bevorzugte seine Freunde und Verwandten bei der Verteilung der Beute. Der Anspruch auf Beute war nicht nur von der Teilnahme an den kriegerischen Ereignissen abhängig, sondern war auch mit der Loyalität gegenüber Cortés eng verbunden. Die Zahl der Konquistadoren war gering, Cortés wurde zunächst nur von 600 Personen begleitet, bis 1521 folgten allerdings noch weitere 1600. An der Beute waren auch Indigene beteiligt, denn in der Armee gab es einen drastischen Überhang der nativen Stämme, die mit den Europäern verbündet waren. Die erste Übersendung des Beute-Fünftels an den König erfolgte zusammen mit der carta di cabildo am 6. Juli 1519, die auch ein Inventar der Beutestücke enthielt.

Im Laufe der Zeit setzte eine Art von Bürokratisierung dieses Prozesses ein, eine Registrierung der Konquistadoren und der Beute, sowie die Übernahme der Beuteverteilung durch Amtsleute sind hierfür symptomatisch. Der Goldschmuck etwa wurde – traurigerweise aus dem historischen und kunsthistorischen Blickwinkel – eingeschmolzen, um eine gerechtere Verteilung und einen leichteren Transport zu ermöglichen.

Die relativ geringen Gewinne der Konquistadoren machte ihnen keine Rückkehr nach Spanien möglich, sodass sie gewissermaßen als Siedler in Amerika bleiben mussten. Letztlich trug das zu einem empire building von unten wesentlich bei.

Die Konquistadoren forderten ein Anrecht auf Belohnung durch den spanischen König, auch deren Nachkommen versuchten, eine Belohnung der Familie nach aristokratischem Verhaltensmuster durchzusetzen. Die wichtigste, bisher wenig beachtete Quelle dazu sind die Dienst- und Verdienstberichte jener, die ein Ansuchen, eine Supplikation, an den Hof stellten. Die Belohnung durch die Krone folgte der »kastilischer Gnadenökonomie«, der König verteilte vor allem Privilegien und Adelstitel, die als symbolisches Kapital galten. In Jahr 1572 adelte König Philipp II. alle Konquistadoren.

Ziel der Krone war aber auch die Beschränkung der politischen Macht der Konquistadoren. Die Etablierung politischer Instanzen ging Hand in Hand mit der Entmachtung von Cortés, ein Übergang »von Schwert zur Feder«, hieß einerseits, dass die Beutehoheit zur Krone verschoben wurde, andererseits diente sie auch der Sicherung des Status der Hidalgos in Neuspanien.

Die Belohnungen wurden jetzt von der Krone vergeben, die Supplikationen nahmen zu, die eine gute Quelle zur Personengeschichte darstellen. Man stellte »Dienst« und »Qualität« einer Person im Kontext der Forderungen nach Belohnung in den Mittelpunkt und betonte, dass man auf eigene Kosten, in eigener Person und aus freiem Willen an der Conquista beteiligt war. Die ersten Eroberer und Siedler stellten dabei die fundamentalste und populärste gesellschaftliche Distinktionsform dar.

Die theoretisch gut fundierte Arbeit mit einer spannenden These, die überzeugend wirkt, kann als ein wesentlicher Teil der Geschichte Spaniens und der Geschichte der Kolonisierung Lateinamerikas am Beginn der Frühen Neuzeit gelten. Ein lesenswertes Buch!

Zitationsempfehlung/Pour citer cet article:

Karl Vocelka, Rezension von/compte rendu de: Vitus Huber, Beute und Conquista. Die politische Ökonomie der Eroberung Neuspaniens, Frankfurt a. M. (Campus Verlag) 2018, 432 S., 20 Abb. (Campus Historische Studien, 76), ISBN 978-3-593-50953-2, EUR 39,95., in: Francia-Recensio 2020/4, Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500–1815), DOI: https://doi.org/10.11588/frrec.2020.4.77556